Moderator Frank Plasberg wollte von seinen Gästen wissen, ob sie ungeimpfte Familienangehörige an Weihnachten einladen oder nicht. Foto: /ARD

In der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ mit Moderator Frank Plasberg ging es am Montagabend um den Umgang mit ungeimpften Personen gerade auch an Weihnachten. Der Immunologe Carsten Watzl warf schon mal einen Blick ins nächste Jahr.

Köln/Berlin - Ungeimpfte müssen draußen bleiben – das gilt für manche Gäste der ARD-Talkshow „Hart aber fair“ selbst an Heiligabend und selbst für Familienangehörige. Michael Müller (SPD), der scheidende Regierende Bürgermeister von Berlin, betonte bei der Sendung mit Moderator Frank Plasberg am Montagabend, dass er vor kurzem Freunde zum Kaffeetrinken eingeladen habe: „Da galt 2G, und das gilt bei uns auch für Besuch an Weihnachten.“ Auch der Dortmunder Immunologe Carsten Watzl wies darauf hin, dass ungeimpfte Personen gerade in größeren Gruppen ein Risiko für sich selbst und für andere darstellten: „Ein Stück weit muss man Ungeimpfte auch vor sich selbst schützen.“

Ausnehmen aus dieser strikten Regel wollte Watzl natürlich die vielen noch ungeimpften Kinder und Jugendliche. Wenn die Großeltern an Weihnachten kämen, sollten diese geboostert sein; die Eltern sollten mindestens vollständig geimpft und die Kinder getestet sein: „Besser geht es dann nicht“, so Watzl.

Immunologe: Impftod kommt ungleich seltener vor als Coronatod

Legitim sei es aber jetzt, den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen, betonte Michael Müller. Man habe nun ein Jahr lang Erfahrung mit den Impfstoffen und könne die Nebenwirkungen einschätzen. Auch da assistierte Carsten Watzl. Manche Menschen hätten eine „irre Angst“ vor der Spritze, während sie eine Infektion mit dem Coronavirus als natürlich ansähen. Doch das sei ein Spiel mit dem Feuer. Infolge einer Impfung sterbe ein Mensch pro einer Million Geimpfter, rechnete Watzl vor. Wäre Corona lediglich genauso gefährlich, wären bisher in Deutschland bei knapp 58 Millionen geimpfter Personen erst 50 bis 60 Personen gestorben – in Wirklichkeit sind es mehr als 106 000 Menschen.

Die Gesundheitspsychologin Monika Sieverding aus Heidelberg hält die Gruppe jener, die man nicht mehr erreichen könne, für relativ klein – sie geht von etwa fünf Prozent der Bevölkerung aus. Viele andere seien aber grundsätzlich noch zum Impfen zu motivieren, doch müssten die Angebote viel unkomplizierter werden – die Terminbuchung müsse einfach sein, es dürfe keine Wartezeiten geben: „Sonst schreckt das die Leute ab.“

Alle vier Monate eine Impfung, sei kein Problem

Carsten Watzl rief die Menschen auf, sich von den vielen sich widersprechenden Meldungen zur neuen Omikron-Variante nicht verunsichern zu lassen. Nach allem, was man wisse, sei der Impfschutz bei Omikron zwar deutlich abgeschwächt, aber mit einer Booster-Impfung sei man weiter vor dem schweren Verlauf einer Erkrankung geschützt: „Sich jetzt nicht impfen zu lassen, ist fahrlässig“, betonte Watzl. Dass derzeit die Infektionszahlen zurückgingen, sei mit Sicherheit auch ein Effekt der Boosterimpfungen – derzeit sei rund ein Viertel der Erwachsenen zum dritten Mal geimpft.

Die Furcht vieler Menschen, dass ständig neue Impfungen den Körper belasteten, sei übrigens unbegründet, fügte Watzl hinzu. Das Immunsystem verkrafte es gut, wenn zum Beispiel alle vier Monate eine Impfung erfolge. Nur im Wochenabstand könnte es Probleme geben. Er könne sich vorstellen, dass im nächsten Herbst, nachdem es einen ruhigen Sommer gegeben habe und ein Omikron-Impfstoff zur Verfügung stehe, die nächste Impfung anstehen könnte. Grundsätzlich müsse sich die Gesellschaft aber an die tödliche Bedrohung durch Corona gewöhnen, so wie man sich an 3000 Verkehrstote und 10 000 bis 20 000 Grippetote pro Jahr gewöhnt habe. „Irgendwo dazwischen dürfte sich Corona einpendeln“, so Watzl.

TV-Moderatorin kritisiert fehlende Unterstützungsangebote

Das Impfen möglichst vieler Menschen, wenn nötig mithilfe einer Impfpflicht, befürwortete auch die TV-Moderatorin Charlotte Würdig. Die alleinerziehende Mutter war erst vor Kurzem zusammen mit ihren beiden Söhnen an Corona erkrankt, obwohl sie selbst doppelt geimpft ist. „Das war ein Schock für mich“, sagte Würdig. Sie schilderte ihre schwierige Situation, da sie deutliche Symptome entwickelt hatte und sich große Sorgen machte, wie es mit ihren Kindern weitergehen sollte, falls sie ins Krankenhaus müsste.

Sie habe das Gesundheitsamt angerufen und um Hilfe gebeten, sei aber vertröstet worden. „Da ist Deutschland schlecht aufgestellt“, kritisierte sie. Zum Beispiel müsste es doch kein Problem sein, auf der offiziellen Corona-Warnapp eine Hotline anzugeben, unter der man im Notfall Hilfe bekäme.

Einzelhändler: Geschäfte leiden enorm unter Einschränkungen

Hermann Hutter, ein Einzelhändler aus Ulm mit acht Geschäften in Baden-Württemberg und Bayern, stimmte den Maßnahmen der Politik im Grunde zu, sieht den Einzelhandel aber zu Unrecht massiv eingeschränkt. Die Zahl der Ansteckungen im Einzelhandel sei niedrig, aber durch 2G in den Geschäften habe man derzeit 30 bis 40 Prozent weniger Frequenz. Zudem müsse man viel Personal zum Kontrollieren der Impfausweise abstellen. Die Einzelhändler könnten aber nicht Ordnungspolizei spielen, man fühle sich von der Politik allein gelassen, so Hermann Hutter. Zudem sei dies nun die zweite Adventszeit hintereinander mit starken Beschränkungen; das gehe bei vielen Geschäften an die Substanz.

Michael Müller verstand die Klagen Hutters: Es sei zum Heulen, was derzeit passiere. Aber man habe keine andere Wahl, und der Einzelhandel teile sein Schicksal ja mit vielen anderen Branchen, wie Gastronomie oder der Kultur.