Am Wochenende haben die Menschen die Gelegenheit genutzt Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

In Stuttgart haben die Museen geöffnet. Die Nachfrage nach Besucherplätzen ist groß. Die Angst vor erneuter Schließung spürbar.

Stuttgart - „Das gefällt mir gut!“ teilt Uta Korzeniewski ihrer Begleiterin mit und deutet auf ein Blumengemälde von Auguste Renoir. „Ich kann sie geradezu riechen.“ Korzeniewski genießt die Impressionismus-Schau der Staatsgalerie „Mit allen Sinnen“. Es sei nicht das gleiche, wenn man Kunst zuhause am Bildschirm betrachte, während die Kinder im Hintergrund Homeschooling machten, hält sie fest. Mit dem Betreten eines Museums herrsche einfach eine besondere Stimmung. Maximilian (20) teilt diese Auffassung. „Es tut gut, nach all den Monaten endlich wieder in eine Ausstellung gehen zu können“, schwärmt er. „Wir sollten weniger übers Shoppen in Corona-Zeiten diskutieren, sondern lieber darüber, wie Kultur wieder zugänglich gemacht werden kann.“

In der Staatsgalerie funktioniert das seit Dienstag über ein Buchungssystem. Nur wer sich ein Zeitfenster gesichert hat, darf das Gebäude betreten und sich an der Kasse zwischen Impressionisten und Gegenwartskunst entscheiden. Pro Slot sind fünf Personen aus zwei Haushalten zugelassen. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren nicht eingerechnet. Das Angebot werde rege in Anspruch genommen, sagt Helga Huskamp, Pressesprecherin des Hauses. Bis Anfang April sei man ausgebucht. „Als am Dienstag die ersten Menschen kamen, waren wir richtig gerührt“, schildert sie die Stimmung im Team nach viereinhalb Monaten Schließung.

Besucher sind teilweise euphorisch

Das Museumspublikum teilt diese Freude. Vor einem detailreichen Werk des Barockmalers Giovanni Paolo Pannini gestikuliert ein Herr so euphorisch, dass ihn die Aufsicht freundlich auffordern muss, etwas Abstand zu halten, um nicht den Alarm auszulösen. Auch die Corona-Abstandsregeln werden eingehalten, ohne dass die Räume leer wirken. Es bleibt Raum, die Bilder in Ruhe zu betrachten. Sybille Strauß, die gerade den Ausstellungsbesuch beendet, ist begeistert. „Ich habe in den letzten Monaten Onlineangebote von Museen genutzt“, bemerkt sie. „Das hier war aber ein unvergleichlich schöneres Erlebnis. Es hat sich absolut gelohnt!“

Andreas Hornung verlässt eben mit Frau und Kind das Kunstmuseum am Schlossplatz. Auch er ist froh, endlich wieder Kultur vor Ort genossen zu haben. „So etwas wie die ,Wände’-Ausstellung kann man nicht digital ersetzen“, ist er sich sicher. „Sie lebt vom Zusammenspiel des Raums mit den Kunstwerken und davon, dass man sich in den Räumen bewegt.“ Familie Hornung hat die Chancen zum Museumsbesuch umgehend genutzt, als sie sich bot. „Wir wollten herkommen, ehe die Museen wieder geschlossen werden“, verleiht Vater Andreas seinen Befürchtungen Ausdruck.

Auch jüngere Leute kommen in die Museen

Isabel Kucher, Leiterin Kommunikation und Marketing im Kubus, hofft, dass sich auch bei weiter steigenden Infektionszahlen eine andere Lösung finden wird. „Es gibt eine spürbare Lust am Erleben bei den Besuchern“, konstatiert sie. Drei Teenager, die sich vor dem Großstadt-Triptychon von Otto Dix tummeln, belegen, dass das nicht nur für vermeintlich typische Kunstklientel gilt. „Wir sind an einigen Tagen ausgebucht“, so Kucher. „Und es sind viele jüngere Leute darunter.“

Julia tritt soeben aus einem Acrylglas-Labyrinth von Yoko Ono heraus. „Wände/Walls“ ist eine Ausstellung, die den Besucher aktiv einbezieht. Einige Objekte dürfen oder sollen berührt werden. „So etwas lässt sich nicht ersetzen“, findet die 33-Jährige. „Noch weniger als Konzerte.“ Das Problem fange schon damit an, dass man auf Abbildungen keine Vorstellung von der Größe eines Kunstwerks habe, fügt ihr Freund Martin (37) hinzu.

Lindenmuseum öffnet zunächst nur Sonderausstellung

Kathrin und Lilian, beide 24, studieren die Informationstafel zum „Boxer“-Krieg im Linden-Museum. Hier ist die Ausstellung „Schwieriges Erbe“ zum Kolonialismus in Württemberg zu sehen. Dass man durch die Platzbuchung im Museum weniger spontan agieren kann, finden die Freundinnen nicht schlimm. Als Preis dafür, dass wieder Museumsbesuche möglich seien, nehme man die bestehenden Einschränkungen gerne in Kauf.

32 Personen dürfen täglich ins Staatliche Museum für Völkerkunde. Die Nachfrage ist groß. Die ständige Sammlung bleibt vorerst geschlossen. „Es ist mit großem Aufwand verbunden, den Betrieb wieder hochzufahren“, erklärt Pressesprecher Martin Otto-Hörbrand. Da noch unsicher sei, wie es in den kommenden Woche mit dem Lockdown weitergehe, habe man sich zunächst auf die ursprünglich für November geplante Eröffnung der Sonderausstellung beschränkt.