Im Haus Werderstraße 12 ist  am 15. Februar 1933 das Kabel an dieser Stelle mit einem Beil abgehackt  und die Übertragung  der Hitler-Rede gestoppt worden. Foto: /Archiv SWR

Stuttgart kann stolz sein auf eine Widerstandsaktion, die sich am 15. Februar zum 90. Mal jährt. Vier junge Männer haben Hitler das Wort entzogen, indem sie mit dem Beil das Übertragungskabel zerstörten. Wann gibt es ein Denkmal für den Mut der Antifaschisten?

Alfred Däuble aus Münster war einer der Saboteure, denen es vor genau 90 Jahren in einer hochriskanten Widerstandsaktion gelungen ist, dass die Rede von Adolf Hitler in der Stuttgarter Stadthalle nicht auf den Marktplatz und in den Radios übertragen werden konnte. Das Kabel befand sich auf vier Metern Höhe an einer Hofeinfahrt der Werderstraße, wie Däuble nach dem Krieg im Interview, damals mit dem süddeutschen Rundfunk, gesagt hat. Während zwei aus der Gruppe die Wächter ablenkten, sei er auf die Schultern seines Freundes Hermann Medinger gestiegen, mit einem Beil in der Hand. „Und dann habe ich drei Schläge gebraucht“, erinnerte er sich, „dann habe ich das Kabel links und rechts runtergerissen und gesagt, ,so, das wär erledigt’.“

Diese heldenhafte Tat jährt sich an diesem Mittwoch, 15. Februar, zum 90. Mal. Sie ging als „Stuttgarter Kabelattentat“ in die Geschichte ein und beweist, dass nach der Machtergreifung des Diktators diesem eben nicht alle Menschen in Deutschland zugejubelt haben. Manche haben das Unheil geahnt, das Ausmaß an Tod und Schrecken war am Ende aber noch viel größer, als man sich dies hätte damals vorstellen können.

Millionen Hörerinnen und Hörer wollten Hitlers Worten lauschen

Blicken wir zurück auf den 15. Februar 1933: Schon Tage vor der groß angekündigten Wahlkampfveranstaltung der NSDAP ist die Stadthalle an der Neckarstraße ausverkauft. Adolf Hitler, der zwei Wochen zuvor die Macht erobert hat, aber noch keine Mehrheit im Reichstag besitzt, will an diesem Dienstag zu Stuttgart sprechen. Weil der Andrang so groß ist, soll die Rede auch auf den Marktplatz, den Karlsplatz, die Anlagen beim Neckartor und auf den Stöckachplatz übertragen werden. Obendrein sollen mehr als zwei Millionen Hörerinnen und Hörer am Radio sitzen und den Worten des „Führers“ lauschen.

Doch um 21.17 Uhr – Adolf Hitler spricht in dem Moment davon, dass „die marxistische Zersetzung des Vaterlands“ beendet werden sollte – verstummen die Lautsprecher. Kurz danach stellt sich heraus, dass die Ursache der Unterbrechung ein Sabotageakt war. Joseph Goebbels fordert „sofortige Konsequenzen“.

Zunächst verlief die Fahndung ohne Erfolg

Die Fahndung nach den jungen Antifaschisten Wilhelm Bräuninger, Alfred Däuble, Hermann Medinger und Eduard Weinzierl verlief zunächst erfolglos. Erst durch Denunziation erfuhr die Stuttgarter Kriminalpolizei, wer hinter dem Kabelangriff steckte. Die vier wurden ein Jahr später verhaftet und kamen mit überraschend milden Strafen zwischen 21 Monaten und zwei Jahren davon. Der Staatsanwalt hatte eine Bestrafung wegen Hochverrats gefordert, doch das Gericht argumentierte, dass die KPD zur Tatzeit noch nicht verboten war.

In Stuttgart liegt auch ein Stolperstein für Theodor Decker, an der Schönbühlstraße 78 im Osten. „Decker war der Ideengeber des Kabelattentats“, sagt der Autor Rolf Schlenker, der ein Buch über die Sabotage mit dem Beilhieb geschrieben hat, „Decker war Angestellter beim Telegrafenbauamt am Stöckach.“ Und weiter erklärt Schlenker: „Von der Stadthalle bis zu dem Amt verlief das Rundfunkübertragungskabel unterirdisch, an zwei Stellen eben auch oberirdisch. Dieses Wissen gab Decker an die Planer um Kurt Hager weiter.“ Am Kabelattentat selbst sei er nicht beteiligt gewesen, er habe sich für diesen Abend ein gutes Alibi zu verschaffen versucht. Schlenker: „Decker musste erst ins Gefängnis und wurde dann unter Polizeiaufsicht gestellt, das hieß damals: Konzentrationslager. Nach einer langen Reise durch viele KZs und einer endlosen Zeit der Quälereien starb er im Januar 1940 im KZ Mauthausen.“

Historiker fordern ein Denkmal für die „Kabelattentäter“

Seit vielen Jahren fordern Historiker immer wieder, dass mit einem Denkmal an die lange vergessene Widerstandsaktion der vier jungen Antifaschisten erinnert wird. Bis heute ist allerdings nichts geschehen.

Veranstaltungen

Rundgang Zum 90. Jahrestag des Axthiebs finden an diesem Mittwoch, 15. Februar, zwei Veranstaltungen statt. Für 14.30 Uhr laden Gudrun Greth, Rolf Schlenker und Ebbe Kögel zu einem Erinnerungsrundgang zu den Schauplätzen des Hitler-Attentats ein. Treffpunkt ist der Parkplatz des Zeppelingymnasiums (Neckarstraße 149).

Lesung Um 20 Uhr liest Autor Schlenker im Theaterhaus aus seinem Tatsachenroman „1933 -Ein Beil gegen Hitler“. Danach moderiert Goggo Gensch eine Diskussion samt historischer Einordnung.