Tradition und Moderne in Einklang zu bringen, ist eine reizvolle Herausforderung bei der Planung der neuen Bücherei. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Dass die Esslinger Stadtbücherei ihre Zukunft in einem erweiterten und modernisierten Bebenhäuser Pfleghof hat, steht mittlerweile fest. Ein aufwendiges Planungsverfahren soll dafür sorgen, dass die neue Bibliothek die Wünsche der Kunden so gut wie nur möglich erfüllt.

EsslingenDie Entscheidung über den künftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei hat ein Bürgerentscheid am 10. Februar gebracht – nun geht es darum, das Votum für eine Modernisierung und Erweiterung des Bebenhäuser Pfleghofs mit Leben zu erfüllen. Nachdem die Bücherei der Zukunft lange auf ihre Realisierung warten musste, drückt man im Rathaus nun aufs Tempo: Vor der Sommerpause soll der Gemeinderat das Raumprogramm absegnen und einen Architektenwettbewerb auf den Weg bringen. Doch zunächst haben die Bürger das Wort. Nachdem die Debatte über die neue Stadtbücherei lange Zeit meist hinter verschlossenen Türen geführt worden war, setzt man im Rathaus inzwischen auf eine bessere Bürgerbeteiligung. Wie die aussehen soll, wurde nun im Kulturausschuss des Gemeinderats erläutert.

Die Erwartungen sind auch im Rathaus hoch gesteckt: „Die neue Stadtbücherei soll noch attraktiver werden – nicht nur dadurch, dass die bestehenden Angebote ausgeweitet werden und etwa mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stehen“, heißt es in einer Sitzungsvorlage. Demnach soll die Bibliothek der Zukunft so gestaltet werden, „dass die Menschen in Esslingen sie zu ihrem Dritten Ort machen. Statt eines Raums mit einer spezifischen Funktion soll die Bücherei ein kostenfreier Ort für die Bevölkerung werden, der ihnen eine Möglichkeit für Begegnungen und Kreativität bietet.“

Um den unterschiedlichen Erwartungen der Bücherei-Nutzer und derer, die die Bibliothek noch für sich gewinnen will, nahe zu kommen, plant die Stadt ein zweistufiges Beteiligungsverfahren: In einer ersten Phase tagt eine Expertengruppe, in der Vertreter verschiedener Interessensgruppen mitwirken. Neben der Leitung, dem Förderverein sowie drei zufällig ausgelosten Nutzern der Bücherei sitzen zwei Bibliotheksexperten sowie Vertreter von Jugendgemeinderat, Schulen, Gesamtelternbeirat, Stadtseniorenrat, Kulturamt und Fachrat für Migration und Integration mit am Tisch. Mittlerweile hat dieses Expertengremium bereits getagt und dabei verschiedene Aspekte der Bücherei-Planung genauer beleuchtet. Was in diesem Kreis erarbeitet wird, soll in die Anforderungen des Architekturwettbewerbs einfließen. Die Beratungen in der Expertenrunde gehen weiter. Und nachdem am 10. Mai in einem öffentlichen Workshop im Neckar Forum alle Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit haben, ihre Anregungen und Wünsche einzubringen, werden die Expertinnen und Experten nochmals beraten, ehe der Gemeinderat das Raumprogramm der künftigen Bücherei am 20. Mai beschließen wird.

In einer zweiten Phase der Bürgerbeteiligung setzt die Stadt dann auf einen so genannten Design-Thinking-Prozess, wie er auch schon in anderen Bibliotheken im In- und Ausland mit Erfolg praktiziert worden war – in Chicago und im dänischen Aarhus ebenso wie in Köln oder Würzburg. Professor Tobias Seidl von der Hochschule der Medien in Stuttgart hat den Gedanken des Design-Thinking nun im Kulturausschuss vorgestellt und dabei für einen nachhaltigen, langfristigen und sehr offenen Prozess geworben. Die Nachfrage von Christa Müller (SPD), ob die Erkenntnisse aus anderen Bibliotheken auf Esslingen übertragbar wären, beantwortete Seidl mit Blick auf die von Bibliothek zu Bibliothek sehr spezifischen Rahmenbedingungen und Anforderungen so: „Ich glaube eher nicht.“

Nach Seidls Erfahrungen kann ein Design-Thinking-Prozess wichtige Hinweise für Raumgestaltung, Angebot, Service und Organisation einer Bücherei bringen. Bei alledem müssten die Kundenbedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Für Daniela Hemminger-Narr (Freie Wähler) war wichtig, wie Architektur und Design-Thinking zusammenwirken. Hier empfahl Seidl eine möglichst flexible Planung, um Raum für Veränderungen zu lassen. Carmen Tittel (Grüne) legt derweil Wert darauf, dass die Design-Thinking-Teams möglichst breit aufgestellt werden – auch das gehört für Seidl selbstverständlich dazu.

Für Design-Thinking rechnet die Stadt mit 110 000 Euro an Sachmitteln im Jahr. Dazu empfiehlt die Verwaltung eine Projektmanagement-Stelle (80 000 Euro), da die Bücherei-Leitung die aufwendigen Arbeiten für die neue Bibliothek zusätzlich zum laufenden Betrieb schultern muss. Außerdem muss das Bücherei-Personal bis zum Einzug in die modernisierte Bibliothek aufgestockt werden (rund 50 000 Euro), da Planung und Design-Thinking viele Kräfte binden und die Kunden bis zur Fertigstellung der Bibliothek erwarten, dass das gewohnte Angebot nicht leidet.