„Die Lage bleibt angespannt“, sagte Jens Spahn (rechts) am Freitag in Berlin (Archivbild). Foto: AFP/MICHAEL SOHN

Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, äußern sich am Freitag zur Coronalage – und kündigen „sehr herausfordernde Wochen“ an.

Berlin - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat angesichts wieder steigender Infektionszahlen zu Vorsicht in der Corona-Krise gemahnt, setzt aber auch auf weiter anziehende Impfungen. „Die Lage bleibt angespannt“, sagte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin. Man müsse sich noch „auf einige sehr herausfordernde Wochen“ einstellen, in denen um die Balance zwischen Gesundheitsschutz und der ersehnten Rückkehr in die Normalität mit vorsichtigen Öffnungen zu ringen sei.

Spahn sagte, die Impfkampagne gewinne deutlich an Dynamik. Mehr als sieben Prozent der Bevölkerung seien nun mindestens einmal geimpft. Zuletzt habe es bundesweit mehr als 270 000 Impfungen am Tag gegeben. Auch die Arztpraxen sollten so früh wie möglich routinemäßig mitimpfen - spätestens ab Mitte April. Angesichts von Rufen nach einem früheren Start erläuterte Spahn erneut, dass zunächst genügend Impfstoff verfügbar sein müsse, um Praxen und parallel die Impfzentren zu beliefern, die Länder und Kommunen weiterbetreiben wollten.

Auch in den Arztpraxen könne nicht gleich auf Priorisierungen bei der Reihenfolge von Impfungen zunächst für gefährdete Gruppen verzichtet werden, sagte Spahn. Mit wachsender Impfstoffmenge könnten Übergänge zusehends fließend gestaltet werden.

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Angesichts einer beginnenden dritten Corona-Welle hat das Robert Koch-Institut (RKI) die Bürger indes zum weiteren Einhalten der Schutzmaßnahmen aufgerufen. „Diese dritte Welle müssen wir gemeinsam so flach halten wie möglich“, sagte Institutschef Lothar Wieler am Freitag in Berlin. Es gelte zu verhindern, in eine Situation wie vor Weihnachten zu kommen, als es viele Erkrankungen, schwere Verläufe und Todesfälle sowie eine starke Belastung des Gesundheitssystems gegeben habe. Die Pandemie sei ein Marathon, so Wieler - man sei nun im letzten, besonders anstrengenden Drittel.

Es werde noch dauern, bis der Großteil der Bevölkerung geimpft ist. „Bis dahin bitte ich uns alle, halten wir uns weiter an die AHA+L-Regeln“, appellierte Wieler. Die Abkürzung steht für Abstand, Hygiene, Maskentragen und Lüften. Auch Kontakte gelte es weiterhin zu reduzieren. Die Impfung sei neben „unserem verantwortungsvollen persönlichen Verhalten“ das mächtigste Werkzeug, sagte der RKI-Chef. „Der beste Schutz ist eine niedrige Inzidenz.“

Fallzahlen auf zu hohem Niveau eingependelt

Die Fallzahlen in Deutschland hätten sich seit einiger Zeit auf zu hohem Niveau eingependelt, führte der RKI-Chef aus. Die Inzidenzen stiegen bei den unter 60-Jährigen wieder an - und seit Mitte Februar bei den Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren „sehr rasant“. Beobachtet würden wieder mehr Kita-Ausbrüche, sogar mehr als vor Weihachten. Es könne sein, dass die ansteckendere Variante B.1.1.7 hier eine Rolle spiele. In einigen Bundesländern nähmen auch die Fallzahlen auf Intensivstationen wieder leicht zu.

Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen liegt nun mit 72,4 deutlich höher als am Vortag (69,1), wie das RKI am Freitag bekanntgab. Vor vier Wochen, am 12. Februar, hatte diese Sieben-Tage-Inzidenz noch bei 62,2 gelegen. Binnen eines Tages wurden 12 834 Corona-Neuinfektionen gemeldet - 2254 mehr als vor genau einer Woche.