Wenn der Gemeinderat tagt, führt der OB Regie. Seine Stimme kann bei knappen Mehrheiten Zünglein an der Waage sein. Foto: oh

Große Veränderungen stehen an. Wie bewältigt das eine Stadt mit fast 100 000 Einwohnern? Wie verwaltet sie sich, wer treibt die Projekte voran? Eine Serie in vier Teilen zeigt, wie Esslingen funktioniert.

    Esslingen - Rund 3200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in Ämtern und Eigenbetrieben der Stadt Esslingen beschäftigt, und alle sollen sie an ihrem jeweiligen Platz dafür sorgen, dass der „Konzern Stadt“ funktioniert. Ein derart differenziertes System braucht eine klare Organisation. Deshalb ist die Esslinger Stadtverwaltung in vier Dezernate eingeteilt, die sich wiederum in Ämter und Abteilungen untergliedern. Über allem steht der Oberbürgermeister, der an der Spitze des Dezernats 1 steht und bei dem alle Fäden zusammenlaufen. (Ober-)Bürgermeister gibt es quer durch die Republik. Doch nicht überall ist ihr Einfluss so groß wie in Baden-Württemberg. Das hat auch der Esslinger OB Jürgen Zieger bei seiner Verabschiedung betont: „Zentrale Erwartung an einen Oberbürgermeister ist, die Agenda der Stadt mit der Verwaltung und ihren Unternehmen vorzubereiten, mehrheitsfähig zu vermitteln und in den Gremien und der Bürgerschaft zu verhandeln.

    Zünglein an der Waage

    Das ist kein einfaches Unterfangen in einer pluralen Gesellschaft mit sieben unterschiedlichen politischen Kräften im Gemeinderat und sehr hoher Erwartungshaltung in der Bürgerschaft. Immerhin hat die Gemeindeordnung Baden-Württemberg das Amt des Oberbürgermeisters vorausschauend so robust ausgestattet wie in keinem anderen Bundesland. Dies ist durchaus hilfreich.“ Wie überall im Land ist der Oberbürgermeister auch in Esslingen Chef der Stadtverwaltung und Vorsitzender des Gemeinderats. Er vertritt die Stadt nach außen und bereitet zusammen mit den Fachabteilungen Sitzungen des Gemeinderats und der Ausschüsse vor und vollzieht deren Beschlüsse. Anders als die Dezernenten, die nicht von den Bürgerinnen und Bürgern, sondern vom Gemeinderat gewählt werden, hat der Oberbürgermeister Stimmrecht im Gemeinderat. Je nach Mehrheitsverhältnissen in der Ratsrunde kann das von entscheidender Bedeutung sein: In Esslingen war Jürgen Zieger bei strittigen Entscheidungen mehr als einmal Zünglein an der Waage. Das kann angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat auch für seinen Nachfolger Matthias Klopfer gelegentlich der Fall sein – und das nicht nur in großer Runde: Ein Oberbürgermeister kann auch die Leitung von Ausschusssitzungen übernehmen, die gewöhnlich Sache der zuständigen Dezernenten ist – auch da hat ein OB Stimmrecht. Wenn der neue Oberbürgermeister Matthias Klopfer am 1. November sein Amt antritt, wird er wie sein Vorgänger die Leitung des Dezernats 1 übernehmen. Dazu zählen neben dem OB-Büro das Hauptamt, das Personalamt, das Amt für Wirtschaft, das Amt für Rechts- und Grundstücksangelegenheiten, die Feuerwehr, das Rechnungsprüfungsamt und das Referat für Chancengleichheit. Jeder Oberbürgermeister hat seine eigene kommunalpolitische Handschrift und seinen eigenen Stil im Umgang mit Gemeinderat und Verwaltung. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit des Rathauschefs mit seinen Bürgermeister-Kollegen ist eine wichtige Voraussetzung für reibungslose Abläufe in der Verwaltung. Der neue OB Matthias Klopfer hat gleich ein Zeichen gesetzt und mit seinen Dezernenten verabredet, dass sie alle künftig ihr Dienstzimmer im Neuen Rathaus haben, um kurze Wege in der Verwaltungsspitze zu gewährleisten.

    Das OB-Büro

    Damit der Oberbürgermeister all den Aufgaben und Erwartungen, mit denen er Tag für Tag konfrontiert wird, gerecht werden kann, braucht er ein starkes Büro, das dem Rathaus- Chef zuarbeitet. Ideal ist es, wenn man einen versierten Büroleiter wie den langjährigen Rathaussprecher Roland Karpentier hat, der die Stadt wie seine Westentasche kennt, ein feines Gespür für kommunalpolitische Stimmungen besitzt und dem Rathauschef mit großer Loyalität begegnet. Nachdem sich Karpentier in den Ruhestand verabschiedet hat, muss der neue OB Matthias Klopfer nun versuchen, die Büroleitung mit einer Kraft zu besetzen, die es ebenso versteht, die vielfältigen Anliegen in die richtigen Bahnen zu lenken. Zum Aufgabengebiet des OB-Büros, das mit zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt und im Neuen Rathaus angesiedelt ist, gehören die Unterstützung der Verwaltungsspitze in Fragen der Steuerung, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die Vorbereitung von Pressekonferenzen und Redemanuskripten, die interne und externe Kommunikation der Stadt sowie das Bürgerreferat. Außerdem hat im Büro des Esslinger Oberbürgermeisters das Forum Stadt seine Geschäftsstelle, ein Zusammenschluss von Städten mit historischer Bausubstanz. 

    Das Rechnungsprüfungsamt

    Zum Aufgabengebiet des Dezernats 1 mit dem Oberbürgermeister an der Spitze zählt das Rechnungsprüfungsamt, das Aufgaben der externen und internen Revision wahrnimmt. Dazu gehören unter anderem die Prüfung des Konzernabschlusses, des städtischen Jahresabschlusses und die Prüfung der Eigenbetriebe. Zur inneren Revision zählen die Prüfung der Vergaben und der Bauausgaben, der Personalausgaben und des städtischen Engagements in wirtschaftlichen Un- ternehmen in Privatrechtsform. Außerdem sollen die Rechnungsprüferinnen und -prüfer die Organisation und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung, die ordnungsgemäße Anwendung finanzwirtschaftlicher EDV-Verfahren und die Kassen und Zahlstellen unter die Lupe nehmen. Sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilen sich in der Köngener Straße knapp fünf Personalstellen.

    Das Amt für Wirtschaft

    Das Amt für Wirtschaft fördert das Gemeinwohl durch die Gewährleistung einer hohen örtlichen Lebensqualität und der dazu gehörenden beruflichen und ökonomischen Entfaltungsmöglichkeiten“, heißt es im Aufgabenprofil der Stadtverwaltung. Das fünfköpfige Team, das in der Abt-Fulrad-Straße angesiedelt ist, soll durch gezielte Maßnahmen und Serviceangebote die Wirtschaftskraft vor Ort stärken und zu einer ausgewogenen, stabilen und krisenfesten Wirtschaftsstruktur beitragen. Dazu gehören die Standortentwicklung und ein Flächenmanagement. Projekte wie die Innovationsmeile in der Küferstraße wurden auf den Weg gebracht, damit die Stadt den Strukturwandel in der lokalen Wirtschaft nicht nur beobachten, sondern durch eigene Akzente konstruktiv mitgestalten kann. Das Amt für Wirtschaft versteht sich als Ansprechpartner und Lotse für ansässige und ansiedlungswillige Unternehmen und als Mediator und Vermittler bei Problemen zwischen Stadtverwaltung und Firmen. Außerdem ist das Amt erster Ansprechpartner der Verwaltungsspitze bei wirtschaftsrelevanten Themen.

    Der OB

    Wenn Matthias Klopfer am 1. November sein Amt als neuer Esslinger Oberbürgermeister antritt, bringt er viel Erfahrung mit ins Rathaus. Der 53-Jährige ist seit 2006 Oberbürgermeister von Schorndorf, davor war der studierte Politik- und Sportwissenschaftler Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Der Sprung von der 40 000-Einwohner-Stadt Schorndorf in das knapp 96 000 Einwohner zählende Esslingen bedeutet für Klopfer auch die Führung einer deutlich größeren Verwaltung. Das zeigt sich bereits an der Spitze: Während Klopfer in Schorndorf zuletzt einen Dezernenten an seiner Seite hatte, sind es in Esslingen drei. Klopfer wird ein „zugewandter Politikstil“ nachgesagt, im Wahlkampf hat er gern betont, dass seine Türen offen stehen. Vor allem aber erhoffen sich viele Esslingerinnen und Esslinger neue Impulse für die Kommunalpolitik und eine größere Offenheit für die Wünsche und Anliegen der Bürgerinnen und Bürger. Diese Offenheit soll künftig vom OB-Büro in sämtliche Amtsstuben ausstrahlen. 

    Das Hauptamt

    Das städtische Hauptamt übernimmt interne Dienstleistungen in vielfältigen Bereichen: Dazu zählt etwa die Organisation und Terminplanung von Gemeinderats- und Ausschusssitzungen, die Protokollführung, die Aufstellung von Tagesordnungen nach den Vorgaben der Dezernentenrunde sowie die Betreuung des Ratsinformationssystems. Ehrungen und Repräsentationsangelegenheiten gehören ebenso zum Aufgabengebiet des Hauptamts wie die Führung von Poststelle, Hausdruckerei und Telefonzentrale, das zentrale Beschaffungswesen sowie Vergabeverfahren für Liefer- und Dienstleistungen. Außerdem werden die Mitarbeitenden in der Arbeitssicherheit und im Arbeits- medizinischen Dienst betreut. Das Hauptamt hat 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich 27 Stellen teilen. Sie arbeiten im Neuen Rathaus, im Technischen Rathaus sowie am Hafenmarkt.

    Die Feuerwehr

    Die Esslinger Feuerwehr zählt 42 hauptberufliche Kräfte, darunter 38 Einsatzbeamte. In den sieben Einsatzabteilungen der Freiwilligen Feuerwehr engagieren sich 241 aktive Feuerwehrangehörige. Dazu kommen 56 Mitglieder der Jugendfeuerwehr mit Kinderund Jugendgruppe sowie 101 Angehörige der Altersabteilung. Was die Esslinger Feuerwehr zu leisten hat, ist im Feuerwehrgesetz des Landes und in der Feuerwehrsatzung der Stadt geregelt. Durch die Integration des früheren Amtes für Katastrophenschutz hat die Stadt eine Stabsstelle „Besondere Gefahrenabwehr“ geschaffen, die sich als „Kompetenzzentrum der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr“ versteht. Die Esslinger Feuerwehr ist Dienststelle für die Brandschutzprüfung und stellt Mitarbeiter für den Fachbereich Feuerwehr in der Integrierten Leitstelle des Landkreises. Die Hauptfeuerwache hat ihren Standort in den Pulverwiesen, Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr gibt es in den Stadtteilen Berkheim, Hegensberg, Sirnau, Sulzgries, Wäldenbronn und Zell.

    Das Personalamt

    36 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich insgesamt 33,75 Personalstellen im Neuen Rathaus teilen, haben im städtischen Personalamt ein breites Aufgabenspektrum abzudecken. Sie sind zuständig für die Einstellung von neuen städtischen Mitarbeitern, die Ausbildung sowie Personalentwicklung, Personalmarketing und Personalgewinnung in einer Zeit, in der viele Kommunen um die besten kommunalen Fachkräfte buhlen. Das betriebliche Gesundheitsmanagement, das betriebliche Mobilitätsmanagement, Personalkostenplanung und -controlling, arbeitsrechtliche Grundsatzfragen sowie die Lohn- und Gehaltsabrechnung stehen ebenfalls im Aufgabenplan des Amtes. Städtische Regelungen wie Dienstanweisungen, Dienstvereinbarungen und Richtlinien werden in Abstimmung mit dem Personalrat erarbeitet und fortgeschrieben. Der städtische Stellenplan sowie Stellenbewertungen und Stellenbeschreibungen stehen ebenso im Pflichtenheft wie Organisationsuntersuchungen, Stellenbemessungen und die Personalbedarfsermittlung. Dazu kommen die Überprüfung und Festlegung von Verantwortlichkeiten, die Beratung in organisatorischen Fragestellungen sowie die Analyse und Optimierung von Prozessen innerhalb der Stadtverwaltung.

    Das Referat für Chancengleichheit

    Für Frauen und Männer mit einschlägigen Anregungen, Fragen und Beschwerden ist das Referat für Chancengleichheit die richtige Adresse. Drei Mitarbeiterinnen teilen sich eineinhalb Personalstellen – obwohl sie zum Dezernat 1 und damit zum Zuständigkeitsbereich des Oberbürgermeisters gehören, befinden sich ihre Büros im Technischen Rathaus. Die Mitarbeiterinnen des Referats sollen vorhandene Defizite der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Stadt sowie in der Stadtverwaltung aufzeigen, Vorschläge zur Verbesserung der Situation erarbeiten und dazu konkrete Projekte initiieren oder begleiten. Dabei sollen sie mit unterschiedlichsten Netzwerken, Gruppen und Einzelpersonen kooperieren. jmf