Geblitzt: Wenn Autofahrer an der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung zweifeln, haben sie neuerdings mehr Rechte. Foto: dpa-tmn/Patrick Seeger

Ein aktueller Urteilsspruch gibt Autofahrern die Möglichkeit, die Rohmessdaten eines Blitzgerätes künftig einzusehen. Doch was bedeutet dies konkret für Autofahrer - und wie gehen sie am besten vor?

München/Gelsenkirchen - Geblitzt, und einige Zeit später bekommt der Halter des Fahrzeugs einen Brief. Das Schreiben spricht eine klare Sprache: Der Fahrer sei zu schnell gefahren. Doch in der Praxis können auch bei solchen Messungen Fehler passieren.

Bislang war bei Gericht umstritten, ob Behörden und Hersteller die Rohdaten der Messgeräte herausgeben müssen. Über die Daten können Gutachter Widersprüche erkennen. „So war es schwierig herauszufinden, ob ein Fehler vorliegt“, erklärt Arndt Kempgens, Fachanwalt für Verkehrsrecht und ACE-Experte. Das ändert ein Urteil: Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass Autofahrer diese Rohmessdaten einsehen können (Az.: 2 BvR 1616/18). Aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergebe sich, dass Betroffene auch Informationen der Bußgeldbehörde prüfen dürfen, die nicht Teil der Akte sind – wenn sie Messfehler vermuten.

Was bringt das Urteil?

„Ein sensationelles Urteil, das die Rechte der Autofahrer stärkt“, sagt Kempgens. Nun sei es einfacher zu überprüfen, wie die Messergebnisse zustande gekommen sind – und Widersprüche zu finden. „Das Gericht muss Einwendungen aber nur nachgehen, wenn es konkrete Anhaltspunkte für Fehlmessungen gibt und diese vom Autofahrer auch vorgetragen werden“, gibt Kempgens zu bedenken.

Wie kann man konkret die Rohmessdaten einsehen?

„Solche Daten kann man elektronisch oder vor Ort einsehen“, erklärt Kempgens. Die Behörden müssen die Rohdaten aber nicht automatisch herausrücken. „Autofahrer müssen die Daten einfordern“, sagt Kempgens. „Dafür sollten sie Einspruch innerhalb der vorgesehenen Frist erheben“, rät Kempgens. Dies ist formlos möglich. Ab dem Zeitpunkt der Briefzustellung hat man dafür zwei Wochen Zeit.

Wer ist dafür zuständig?

„Zuständig ist die Behörde, von der der Bußgeldbescheid stammt – also beispielsweise das Ordnungsamt oder die Zentrale Bußgeldstelle“, erläutert Jost Kärger. Der Verkehrsrechtler des ADAC empfiehlt allerdings zur Überprüfung einen Anwalt einzuschalten: Denn meist ist das Gutachten teurer als das Bußgeld.

Was bedeutet das für die Praxis?

Wie die Behörden das Prozedere künftig genau ausgestalten und ob sie ihr Verfahren umstellen, bleibt abzuwarten. „Das Urteil und die drei Monatsfrist dürfte die Behörden schön unter Druck setzen“, so Kempgens. Denn zwischen Vorfall und Bußgeldbescheid dürfen nur drei Monate liegen, dann greift die Verjährungsfrist.

Kommen Messfehler denn oft vor?

„Bei Blitzgeräten kann es durchaus zu Messfehlern kommen“, sagt Kärger vom ADAC. Dies sei aber tendenziell eher der Ausnahmefall als die Regel. „Mögliche Gründe sind, dass das Gerät schräg oder mit falschem Abstand aufgestellt wurde“, nennt Kärger als Beispiele.

Manche Geräte kalibrieren sich vor Messbeginn aber selbst, dennoch sind Fehler grundsätzlich möglich. Bei den neuen Messgeräten steht neben dem physikalischen Messprinzip die Messsoftware und deren Überprüfbarkeit im Mittelpunkt.