Stuttgart (lsw) - Das Land hat den Opfern der Unwetterkatastrophe im Südwesten Hilfe zugesagt. In Fällen, in denen Menschen unverschuldet in eine Notlage geraten seien, werde in jedem Einzelfall unbürokratische Nothilfe geprüft, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) gestern in Stuttgart.

„Es wird auch niemand alleine gelassen.“ Er wies aber darauf hin, dass für Schäden an Privatgebäuden Elementarschadensversicherungen zuständig sind. Im Südwesten sei der Versicherungsgrad hoch, weil bis vor einigen Jahren noch eine Pflichtversicherung bestand.

Strobl und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wollen sich heute ein Bild von den Unwetterfolgen in Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis) und Braunsbach (Kreis Schwäbisch Hall) machen. Dabei wolle man sich über die Lage nach der Unwetterkatastrophe informieren, mit den Menschen reden und Fragen der Hilfe besprechen. Kretschmann sprach den Angehörigen seine Anteilnahme aus und dankte den Rettungskräften für ihre Arbeit.

Das Land hatte den Geschädigten nach Hochwassern im Zollernalbkreis im Jahr 2008 mit gut 1,8 Millionen Euro unter die Arme gegriffen. An Spenden kamen mehr als 1,5 Millionen Euro zusammen. Damals ertranken drei Frauen.

Das Tief „Elvira“ hatte am Sonntag schwere Verwüstungen in Teilen Baden-Württembergs hinterlassen. Vier Menschen kamen ums Leben, darunter zwei in Schwäbisch-Gmünd. Tausende Helfer waren im Einsatz.

Noch 500 Helfer im Einsatz

Gestern waren es laut Strobls Angaben noch 500. „Die Lage ist unter Kontrolle.“ Der Vize-Regierungschef betonte mit Blick auf die Geröll- und Wassermassen infolge ungewöhnlich starken Niederschlags: „Das sind die Naturgewalten, denen wir mit einem gewissen Respekt begegnen sollten.“ Sie seien in solchen Fällen von den Menschen immer noch nicht zu beherrschen.

Strobl betonte, ein Zusammenhang zwischen Unwettern und Klimawandel sei nicht ernsthaft zu bestreiten. Umso wichtiger sei es, die Ziele der Pariser Klimaschutzkonferenz 2015 zu erfüllen. Überdies lobte er die Kooperation aller Einsatzkräfte. „Das läuft wirklich Hand in Hand.“ Auch Landkreisgrenzen hätten bei der gegenseitigen Hilfe keine Rolle gespielt.

Der Landkreis Schwäbisch Hall, den das Unwetter-Tief besonders heftig traf, zog eine ernüchternde Bilanz: ein Wohnhaus und zwei Brücken zerstört, viele weitere beschädigt, darunter das Rathaus. Die Feuerwehr befreite erneut pausenlos Keller und Tiefgaragen vom Regenwasser. Straßenwärter und Abfall-Unternehmen hatten alle Hände voll zu tun, Geröll und Sperrmüll zu beseitigen.

In Künzelsau im Hohenlohischen sollen zwei Schulen auch heute geschlossen bleiben. In der 30 000 Einwohner zählenden Kreisstadt hatten Überschwemmungen einen Großteil der Innenstadt getroffen. Der Schaden sei enorm, lasse sich aber noch nicht beziffern, teilte die Stadt mit. Auch in Heidelberg war der Neckar über die Ufer getreten. Nach Angaben der Stadt entspannte sich die Lage gestern wieder.

70 Prozent der Gebäude versichert

Im Audi-Werk in Neckarsulm (Kreis Heilbronn) gingen die Aufräumarbeiten weiter. Die Produktion laufe nach wie vor nur in Teilen, sagte eine Sprecherin gestern. Am Vortag war der gesamte Betrieb vorübergehend gestoppt worden, weil Keller und Produktionshallen in Teilen des Werks unter Wasser standen. Die Versicherer im Land konnten die Schäden noch nicht beziffern. Die SV Versicherung rechnet mit Schäden im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Die Versicherung deckt als ehemaliger Monopolist immer noch 70 Prozent der Gebäude im Land ab. Bei einem verheerenden Hagelunwetter im Sommer 2013 kam allein die Sparkassenversicherung für Schäden in Höhe von 600 Millionen auf. Auch die Württembergische Versicherung rechnet mit deutlich spürbaren finanziellen Folgen.

Solch heftige Unwetter treffen auch die Einsatzkräfte hart. „Auf so etwas kann sich niemand vorbereiten“, sagte der Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbands, Willi Dongus. Zwar seien vom Grundsatz her alle Feuerwehren ausreichend ausgestattet. „Aber in einem solchem Fall, wenn ein ganzer Ort unter Wasser steht und Straßen überschwemmt sind, dann dauert es seine Zeit, bis die Hilfe überall ankommt.“ Für Feuerwehrleute und andere Einsatzkräfte könnten solche Einsätze mitunter auch sehr belastend sein. Aber: „Keiner wird allein gelassen.“

Bäche und Flüsse sollten ihre Überschwemmungsflächen zurückbekommen, forderte die Teamleiterin Naturschutz beim Nabug, Ingrid Eberhardt-Schad. Fließgewässer seien über weite Strecken in enge Korsetts gefasst und von den Auwäldern abgekoppelt worden, Häuser in die Auen gebaut worden. An ihren Oberläufen müssten Bäche wieder über die Ufer treten können. „Diese Wetterlagen werden nicht weniger werden, umso wichtiger ist es, jetzt gegenzusteuern.“