Gedränge im Morgengrauen: Wenn die Schule beginnt, geht es in der Breslauer Straße eng zu. Der Bürgerausschuss sowie der Rektor und Lehrer des THG fordern eine Fahrradstraße. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Vor gut eineinhalb Jahren ist der Radweg in der Breslauer Straße aufgehoben worden. Obwohl die Stadt eine „Verbesserung“ in Aussicht gestellt hatte, ist bis heute nichts passiert.

ES-OberesslingenMorgens um sieben ist die Welt auf der Breslauer Straße noch in Ordnung. Eine halbe Stunde später müssen sich dort radelnde Schülerinnen und Schüler aber zwischen parkenden Autos, Bussen, Fußgängern und Elterntaxis durchquetschen. Seitdem die Stadt im Frühjahr 2018 die Radspur Knall auf Fall beseitigt hat, sind die Pedaleure auf die Fahrbahn verbannt. Die Aufhebung des Radwegs hat damals hohe Wellen geschlagen – nicht nur am Theodor-Heuss-Gymnasium (THG) und in der Realschule Oberesslingen (RSO). Der Oberesslinger Bürgerausschuss war sauer – auch deshalb, weil die Stadt ihn über die Aufhebung des Radwegs vorab nicht informiert, sondern vollendete Tatsachen geschaffen hatte. Der Jugendgemeinderat zeigte sich empört, die SPD-Gemeinderatsfraktion forderte eine „nachhaltige und sichere Lösung“. Passiert ist seither nichts. Auf Anfrage der EZ kündigt die Stadt jetzt aber immerhin „Lösungsvorschläge“ an, die im Februar diskutiert werden sollen (siehe Anhang).

Grund für die Aufhebung der durch Linien vom Gehweg getrennten Radspur war die Umwandlung der Breslauer Straße in eine Tempo-30-Zone. In derartigen Zonen lasse die Straßenverkehrsordnung „keine benutzungspflichtigen Radwege zu“, erfuhr die EZ damals aus dem Ordnungsamt. Um Rechtssicherheit zu schaffen, habe man das auf den Asphalt gemalte, blaue Radlerschild und die Begrenzungslinien entfernen müssen.

Angesichts der Proteste hatte die Stadtverwaltung dann aber doch einen Vor-Ort-Termin anberaumt. „Die Verkehrspolizei betonte bei dem Termin, dass die derzeitige Situation ohne Radweg die sicherste Lösung sei“, erinnert sich Mark Wendt. Als stellvertretender Vorsitzender des Jugendgemeinderats (JGR) hat er das Projekt betreut und im Namen des JGR einen „Antrag auf Verbesserung der Radverkehrssituation in der Breslauer Straße“ an Oberbürgermeister Jürgen Zieger geschickt. Ob die derzeitige Situation „die sicherste Lösung“ ist, bezweifelt Wendt, der im Frühjahr am THG sein Abi gemacht hat. „Seitdem der Radweg entfernt worden ist, ist es immer wieder zu gefährlichen Situationen gekommen“, hat er beobachtet. Dass der Status quo auch von vielen Oberesslingerinnen und Oberesslingern „als hoch problematisch angesehen wird“, hat der frühere SPD-Stadtrat Michael Wechsler sowohl bei einem Stadtteilgespräch, zu dem seine Partei eingeladen hatte, als auch in Gesprächen mit Eltern erfahren. „Viele Eltern erlauben ihren Kindern, auf dem ehemaligen Radweg zu fahren, weil sie das für bedeutend sicherer halten“, sagt Wechsler, dessen drei Söhne ebenfalls aufs THG gehen.

Bevor der Jugendgemeinderat seinen Antrag ins Rathaus geschickt hat, haben Mark Wendt und seine Mitstreiter zum Metermaß gegriffen. „Das Hauptproblem ist, dass Auto- oder Busfahrer einen Radfahrer nicht mit dem vorgeschriebenen Sicherheitsabstand überholen können“, verdeutlicht er. Denn auch die Radler müssen ja Abstand zu den parkenden Autos halten. Fürs korrekte Überholen müsste die Breslauer Straße nach den Berechnungen des JGR mindestens 5,80 Meter breit sein. Sie misst aber nur 5,40 Meter.

Bei dem Vor-Ort-Termin hatte die Stadt am Ende zwar eine „Verbesserung der Situation“ in Aussicht gestellt. Darauf wartet man eineinhalb Jahre später in Oberesslingen aber noch immer – zumindest in der Breslauer Straße. Auf der Schorndorfer Straße wurde während der Sommerferien ein Rad-Schutzstreifen aufgemalt. „Ich war sehr überrascht, als ich das nach meinem Urlaub gesehen habe“, sagt Heike Horlacher, Vorsitzende des Oberesslinger Bürgerausschusses (BA). Denn die Stadtteilvertreter wurden auch dieses Mal nicht vorab informiert. „Es ist schade, dass man vollendete Tatsachen geschaffen hat, ohne mit uns zu reden und zu überlegen, ob das überhaupt sinnvoll ist.“ Aus Sicht des BA hat der aufgemalte Streifen auf der viel befahrenen Straße allenfalls Alibi-Funktion. „Kein vernünftiger Mensch will in all den Autoabgasen da hochstrampeln“, sagt Horlacher, selbst passionierte Radfahrerin. „Das Vernünftigste wäre, die Breslauer Straße zur Fahrradstraße zu machen“, sagt die BA-Vorsitzende und weiß sich mit Thomas Szücs, Lehrer und Verkehrsbeauftragter des THG, einig. „Mit der Hindenburgstraße haben wir die längste Fahrradstraße Deutschlands. Da bietet es sich doch an, die Radstraße über die Weiherstraße und die Breslauer Straße bis zur Einmündung in die Schorndorfer Straße zu verlängern “ – zumal nicht nur einige wenige mit dem Rad ins THG kommen. Eine Umfrage habe ergeben, dass gut die Hälfte aller Fünft- und Sechsklässler in die Pedale tritt. Auch THG-Rektor Michael Burgenmeister lobt die Idee. „Es ist wichtig, dass man für die Schüler sichere Räume schafft.“ Für ihn hat eine Radstraße, in der nach seinen Vorstellungen ferngesteuerte, versenkbare Poller nur Bussen und Anliegern freie Fahrt gewähren, weitere Vorteile. „Damit würde man auch den Schleichverkehr rausbekommen, der morgens, wenn unsere Schüler unterwegs sind, durch die Breslauer Straße Richtung Zell fährt.“

Dass der Umbau der Weiherstraße und der Breslauer Straße zu einer Fahrradstraße eine veränderte Verkehrsführung auf der Schorndorfer Straße nach sich ziehen würde, ist dem Schulleiter klar. „Aus meiner Sicht wäre es aber trotzdem die sinnvollste und vor allem die sicherste Lösung“, sagt Burgenmeister. Michael Wechsler warnt vor zu hohen Erwartungen. „Das ist alles nicht einfach für die Stadt“, sagt er. Aus seiner Sicht kann es jedoch nicht angehen, „dass man von heute auf morgen einen Radweg entfernt und nach eineinhalb Jahren noch immer keine Vorschläge auf dem Tisch liegen“.

Beratung im Februar