Vor dem Amtsgericht Esslingen musste sich ein 31-Jähriger wegen der Mittäterschaft des Raubs an seiner ehemaligen Freundin verantworten. Foto: Roberto Bulgrin

Die junge Frau stand unter Drogeneinfluss und hatte das Kindergeld für ihre Tochter in bar in ihrer Tasche. Gründe, für einen 31-jährigen Angeklagten vor dem Amtsgericht Esslingen Bekannte zu einem Raub anzustiften. „Schäbig“ nannte Richter Andreas Arndt diese Tat – sein Urteil fiel entsprechend aus.

Esslingen - Zack! Die Tür des Sitzungssaales eins am Amtsgericht Esslingen fällt während der Pause vor der Urteilsverkündung krachend ins Schloss. Der Angeklagte ist mit der bisherigen Verhandlungsführung, der Art seiner Befragung und dem von Staatsanwalt Hermann Wimmer geforderten Strafmaß von zwei Jahren auf Bewährung gar nicht einverstanden. Da hätte er ja auch in seinem Heimatland Irak mit seinem diktatorischen System bleiben können, hatte die Dolmetscherin zuvor die aufgeregten Schlussworte des 31-Jährigen übersetzt. Wichtige Fragen seien bei dieser öffentlichen Hauptverhandlung nicht gestellt worden, das sei eine Ungerechtigkeit, er sei in seinem ganzen Leben noch nie im Gefängnis gewesen: „Ich habe nichts getan.“ Das Schöffengericht sieht das anders. „Wir glauben Ihnen kein Wort“, meinte Richter Andreas Arndt. Das Urteil: ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung, 150 Arbeitsstunden und die Übernahme der Kosten des Verfahrens.

Verbrechen im Merkelpark

Was war an jenem Freitag, 5. August 2016, im Merkelpark passiert? Die fünf Zeugen, darunter auch die Geschädigte, machten teils widersprüchliche Angaben, der Angeklagte stritt alles ab. Fest steht aber nach Ansicht des Schöffengerichts, dass die frühere Freundin des Irakers an jenem Freitag, 5. August 2016, einen höheren Bargeldbetrag in ihrer Handtasche bei sich hatte – das Kindergeld für ihre Tochter. Von einem Teil der Summe hatte sich die in Pforzheim Lebende, der der Richter „sehr eingeschränkte intellektuelle Möglichkeiten“ attestierte, Ecstasy-Pillen gekauft und gleich konsumiert.

13-Jähriger an Tat beteiligt

Tatsachen, die dem Angeklagten bekannt waren. Und Gründe dafür, dass er einen damals 15-Jährigen aus dem Sudan und einen damals 13-jährigen Deutschen zu einem Raub an seiner Partnerin animierte: Sie habe Bargeld in der Tasche, stehe unter Drogeneinfluss, sei daher ein leichtes Opfer, das Geld werde hinterher geteilt. Später, auch das sah das Schöffengericht als erwiesen an, trafen sich Täter, Geschädigte und weitere Bekannte im Merkelpark. Zum Chillen, wie Richter Arndt, der offensichtlich Gefallen an dem Wort aus der Jugendsprache fand, mehrfach betonte. Während dieses Treffens entrissen der 15- und der 13-Jährige der Geschädigten ihre Tasche, wodurch die junge Frau zu Fall kam und sich eine Prellung am Auge zuzog. Der damals 15-Jährige gab die Tasche an den Angeklagten weiter, der das Bargeld entnahm und die Tasche anschließend seiner Freundin als angeblichen Fund zurückgab. Das Geld behielt er für sich. In einem gesonderten Verfahren war der 15-Jährige wegen dieses Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden, der 13-Jährige war noch nicht strafmündig und konnte nicht belangt werden. Beide junge Männer sagten in der Hauptverhandlung als Zeugen aus.

Mittäterschaft statt Anstiftung

Ursprünglich war Anklage wegen Anstiftung zum Raub erhoben worden. Doch das Gericht folgte der Argumentation der Staatsanwaltschaft und verurteilte den 31-Jährigen wegen Mittäterschaft – schließlich habe er auch von dem gestohlenen Geld profitiert. Zur Bewährung wurde die Strafe ausgesetzt, weil der junge Mann nicht vorbestraft ist und er in den über 3,5 Jahren seit der Tat nicht mehr auffällig geworden ist. Kritisch beurteilten Richter und Staatsanwalt aber, dass der im Irak Geborene, der 2017 einen Asylantrag in Deutschland gestellt hat, trotz Arbeitserlaubnis keiner geregelten Tätigkeit nachgeht und von Sozialhilfe lebt. Seine Begründung, er wolle selbstständig arbeiten, ließ Andreas Arndt nicht gelten: Nach einem sechsjährigen Schulbesuch in seinem Heimatland hatte der Angeklagte mehrere Jobs gehabt, aber keine Ausbildung absolviert – das erschwere eine Selbstständigkeit.

Erlebnisse bei den Peschmerga

Allerdings hatte der junge Mann einige Jahre bei den Peschmerga, den Streitkräften des kurdischen Autonomiegebiets im Norden des Irak, gekämpft. Er sei Soldat gewesen, übersetzte die Dolmetscherin seine Worte auf Sorani, einer kurdischen Sprache. Dabei, so konnte Andreas Arndt nur vermuten, habe er wohl Schlimmes erlebt. Dennoch. Staatsanwalt Wimmer sprach von einer „miesen Tat“, der Richter nannte es „schäbig“, die eigene, unter Drogeneinfluss stehende Freundin um ihr Geld zu bringen. Aber es handle sich wohl um „einen singulären Fehltritt“. Ein Bewährungshelfer werde nun die sozialen Kompetenzen des Angeklagten stärken.