Marjoke Breuning Quelle: Unbekannt

Von Sabrina Erben

Stuttgart/Esslingen - Bei der IHK Region Stuttgart rumort es hinter den Kulissen heftig. Die kammerkritische Kaktus-Initiative mischt eine der größten Industrie- und Handelskammern in Deutschland auf. Gestern gab es eine Stellungnahme von Mitgliedern des Präsidiums und der Vollversammlung, gegen die „anhaltenden Verunglimpfungen“ der neuen IHK-Präsidentin Marjoke Breuning durch die Kakteen-Gruppe. „Was hier an Unterstellungen, Falschbehauptungen und Herabwürdigungen seitens der Sprecher der Vereinigung verbreitet wird, entspricht in keinster Weise dem Stil der Auseinandersetzung, wie es unter ehrbaren Kaufleuten üblich ist“, so Nicole Porsch, Vollversammlungsmitglied aus Stuttgart. Ein Sprecher der Initiative, Jürgen Klaffke, sagte gestern auf das Schreiben angesprochen: „Die Kritik war überzeichnet, aber korrekt. Es zeigt einmal mehr die mangelnde Kritikverträglichkeit. Es geht nicht um Zusammenarbeit, es geht um Machterhalt und Pfründe.“

Seit 2012 sind die Mitglieder der Kaktus-Initiative im Kammerparlament vertreten. Initialzündung war das umstrittene Bekenntnis der Kammer zum Projekt Stuttgart 21. Heute besetzt die Initiative ein Drittel der 100 Sitze in der Vollversammlung. Die Kakteen setzen sich unter anderem für die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft und mehr kammerinterne Demokratie sowie Transparenz ein. Immer wieder kommt es seitdem zu Konflikten zwischen Mitgliedern der Initiative und dem etablierten IHK-Lager. „Ziel der Initiative ist es, die IHK handlungsunfähig zu machen“, sagte Heinrich Baumann, stellvertretender Präsident und geschäftsführender Gesellschafter des Autozulieferers Eberspächer aus Esslingen, gestern unserer Zeitung. „Die Aufgaben der IHK - Ausbildung und Service für Unternehmen - müssen wieder mehr in den Fokus rücken“, so Baumann.

Die Fronten sind verhärtet, die Liste der Klagen, Auseinandersetzungen und Anschuldigungen lang. Das jüngste Beispiel: Die Nachfolge des Hauptgeschäftsführers Andreas Richter, der spätestens 2018 in den Ruhestand gehen wird. Eine Findungskommission präsentierte den ehemaligen Stuttgarter Regierungspräsidenten Johannes Schmalzl als Nachfolgekandidaten. Diese Personalie stieß auf heftige Kritik, von „Hinterzimmerpolitik“ war die Rede. Der Eklat folgte im April: Die „Kakteen“ verließen die laufende Sitzung der Vollversammlung unter Protest, sorgten so für Beschlussunfähigkeit - und verhinderten die Wahl des Liberalen Schmalzls. „Es kann einfach nicht sein, dass wir hier nur abnicken und keine echte Wahl haben“, so der Sprecher der Kaktus-Initiative Thomas Albrecht in einer Mitteilung. Die „Kakteen fordern, gerade im Hinblick auf die wichtige Funktion des Hauptgeschäftsführers, mehr Mitsprache für die Vollversammlung“. Schmalzl wurde im zweiten Anlauf Ende Mai zum Hauptgeschäftsführer bestellt. „Kein guter Start“, sagte Vize-Präsident Heinrich Baumann, der keine fehlende Transparenz bei der Findungskommission sieht.

Das Gremium werde durch eine Flut von Tagesordnungspunkten und Geschäftsordnungsdebatten der „Kakteen“ behindert, heißt es im Schreiben weiter, das unter anderem Stihl-Chef Bertram Kandziora, Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth und die Esslinger Unternehmerin Beatrice Kiesel-Luik mitunterzeichnet haben. Bei der letzten Vollversammlung blieben die meisten aus dem etablierten Lager allerdings fern. Die wegen der Beschlussunfähigkeit nicht behandelten Anträge sollen nun am 13. Juli diskutiert werden.

Vorwurf der Pöbelei

Hatte die neue Präsidentin Marjoke Breuning - Mitgeschäftsführerin des Stuttgarter Wäschegeschäftes Maute-Benger - bei ihrem Amtsantritt im Frühjahr noch eine verstärkte Zusammenarbeit der beiden Lager im Sinn, könnte die Kluft nun kaum größer sein. Vor allem ein Fernsehinterview der neuen Präsidentin sorgte für Wirbel. Auf die Frage, was denn für Schmalzl als Hauptgeschäftsführer spreche, kam die Präsidentin ins Straucheln. „Frau Breuning ist angetreten als Präsidentin der Mitte. Davon ist heute allerdings nichts mehr zu spüren“, so Klaffke.

Und es geht weiter: „Die jüngsten haltlosen Angriffe und inakzeptablen Äußerungen von Kakteenmitgliedern im Netz zeigen, dass angesichts der Erfolglosigkeit in der Vollversammlung mittlerweile jedes Mittel recht ist“, heißt es im Schreiben von Breunings Unterstützerkreis. Kurios sei der Vorwurf der Pöbeleien: „Wer die Seiten der Kakteen im Netz besucht, kann klar sehen, wer wen anpöbelt.“ Kaktus-Sprecher Klaffke zeigt sich ernüchtert: „Erst am Vortag sind wir mit Verbesserungsvorschlägen für die Vollversammlung auf Mitglieder der Arbeitsgruppe zugegangen. Und das ist nun die Antwort.“