Was kommt nach der Schule? Im Rathaus gab’s Tipps von Pflegekräften. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Beim ersten „Marktplatz der Pflegeberufe“ im Rathaus sollten Nachwuchskräfte gewonnen und das Berufsimage verbessert werden. Immer wieder hapert es mit dem Aufenthaltsrecht von Auszubildenden. „Ich bin fassungslos“, sagt ein Schulleiter.

Dario hört Nicole Schroeder konzentriert zu. Die 24-Jährige in blauer OP-Kleidung ist im dritten Ausbildungsjahr im Marienhospital und erläutert dem 14-Jährigen beim ersten „Marktplatz für Pflegeberufe“ im Rathaus, welche Fachrichtungen es gibt im Krankenhaus: Notaufnahme, Intensivstation, Palliativstation zum Beispiel. Und sie will von dem Achtklässler wissen, was man als Azubi in der Klinik verdient. „950 Euro im Monat“, schätzt Dario. „Nicht schlecht“, erwidert Nicole Schroeder. „Es sind 1139 Euro im ersten Ausbildungsjahr.“ Im Vergleich mit anderen Berufen sei man damit „ganz oben“, betont sie. Es sei „ein Vorurteil, dass man im Krankenhaus nicht so viel verdient“.

Mitarbeiter dringend gesucht

Dario kann sich vorstellen, im Krankenhaus zu arbeiten. „Da kann man Menschen helfen. Das ist gut“, findet er. Die Altenpflege kommt für ihn aber nicht in Frage, dort hat er schon mal ein Praktikum gemacht.

An den Stationen im dritten und vierten Stock des Rathauses kann man Blutdruck messen oder den Blutzuckerwert. Auf Tischen werden Babypuppen gewickelt, man kann auch die Wiederbelebung eines Unfallopfers üben und vieles mehr. Einige Stuttgarter Krankenhäuser sind hier vertreten, Pflegeschulen und Altenheimträger.

An diesem Freitag, dem internationalen Tag der Pflegenden, hat die Liga der freien Wohlfahrtspflege im Land auf die schwierige Personalsituation in der Pflege hingewiesen. „Unsere Kapazitätsgrenzen sind erreicht“, sagte der Vorstandsvorsitzende Marc Groß. Das gilt für Kliniken wie für Altenpflegeheime. Eine kleine Umfrage bei Stuttgarter Krankenhäusern ergab: Das Klinikum der Stadt könnte sofort 100 Pflegekräfte einstellen, im Robert-Bosch-Krankenhaus sind es 98, im Marienhospital könne man „40 Stellen nicht besetzen“.

Nachwuchs deckt den Bedarf nicht

Weil das so ist, habe man im Verband der Stuttgarter Krankenhäuser als eine Maßnahme die Veranstaltung des „Marktplatzes der Pflege“ beschlossen, sagt Thomas Fuhrmann, Stuttgarts Kämmerer und Krankenhausbürgermeister (CDU). „Wir wollen den Berufsstand in ein besseres Licht rücken.“

Jürgen Gerstetter, der Pflegedirektor des Marienhospitals, nennt Gründe für die Fachkräfteknappheit: Beschäftigte im Rentenalter, Pflegekräfte, die sich umorientieren, vermehrt Familienphasen auch männlicher Beschäftigter, recht hohe Krankheitstage noch als Folge der Corona-Pandemie. Dabei starten im Marienhospital jedes Jahr zwei Azubi-Kurse mit je 30 Plätzen, 130 hat die eigene Pflegeschule. Doch diese Zahl „deckt den Bedarf nicht“, sagt Gerstetter.

Quälendes Warten auf Aufenthaltstitel

Auch beim Evangelischen Bildungszentrum für Gesundheitsberufe (EBZ) Stuttgart ist man froh, dass man „die Schülerzahl stabil halten kann“, sagt Edith Scheffel, die stellvertretende Leiterin. Das Diakonie-Klinikum und das Karl-Olga-Krankenhaus sind Gesellschafter des EBZ mit 270 Schülerinnen und Schülern. Die Schülerschaft sei heute „sehr international“. Weshalb die Schule vermehrt damit zu kämpfen hat, dass ausländische Azubis lange, teils zu lange auf ihren Aufenthaltstitel warten müssen, weil das Ausländeramt nicht hinterher komme. „Wir haben Leute, die müssen abbrechen, weil die Papiere nicht da sind“, sagt der Schulleiter Johannes Nau. Von 41 Auszubildenden, die im April begonnen haben, hätten „noch neun Probleme mit dem Aufenthaltstitel, es droht der Abbruch der Ausbildung oder gar die Ausreise“. Nau sagt dazu nur: „Ich bin einfach fassungslos.“

Anregungen für die Berufswahl

Betül Hakan, 29, Biolehrerin an der Freiberger Bertha-von-Suttner-Gemeinschaftschule, ist mit der 8b im Rathaus. Sie findet toll, „dass die Schüler hier so aktiv werden können“. Man finde „gute Anregungen für die Berufsorientierung“. Mit dabei ist auch Samara (14). Sie weiß noch nicht, was sie werden will, ob Polizistin, Erzieherin oder Krankenschwester. Wichtig ist für sie ein Beruf, bei dem man „Menschen helfen kann“.