Anwältin Astrid Wagner spricht zu den Medien vor Verhandlungsbeginn des Prozesses. Foto: dpa/Helmut Fohringer

Die Leidensgeschichte eines Zwölfjährigen lässt im Gerichtssaal niemanden kalt. Mit folterähnlichen Methoden wollte die Mutter laut Anklage ihren Sohn gefügig machen - und filmt das Ganze auch noch.

- Die Angeklagte antwortet stockend, mit leiser Stimme, Tränen laufen ihr über das Gesicht, dann ordnet die Richterin fünf Minuten Pause an. Vor dem Landgericht Krems in Niederösterreich wird ein Fall verhandelt, der vielen im Gerichtssaal an die Nieren geht. Die 33-jährige Angeklagte soll über Monate ihren damals zwölfjährigen Sohn durch Nahrungsentzug, durch Fesseln, Schlagen und Knebeln, durch Übergießen mit kaltem Wasser und dem zeitweisen Einsperren in eine kleine Hundebox gequält haben. Der Vorwurf lautet: versuchter Mord. Das stark abgemagerte Kind habe um Essen gebettelt, doch die eigene Mutter habe sich völlig ungerührt gezeigt, sagte die Staatsanwältin zum Prozessauftakt am Montag und ergänzte betroffen: „Ich kann es einfach nicht fassen.“

Mitangeklagte soll Anweisungen gegeben haben

Verteidigerin Astrid Wagner schilderte in ihrem Eingangs-Statement die Angeklagte als intellektuell sehr schlichte, mit der Erziehung völlig überforderte und leicht manipulierbare Person. Sie sei nicht die „Horror-Mutter“, wie sie Medien schon tituliert hätten. Eine wesentliche Schuld treffe die 40 Jahre alte Mitangeklagte, die mit ihren sadistischen Anweisungen den Leidensweg des Kindes mitbestimmt habe, so Wagner. Mit der Zweitangeklagten sei eine „bösartige Person“ in das Leben ihrer bis dahin völlig unauffälligen Mandantin getreten.

Unbestritten ist jedenfalls: Beide Frauen waren eng befreundet. In der Coronazeit wohnten sie zeitweise zusammen, tauschten sich auch später fast täglich aus. Gesprächsthema waren oft die Erziehungsprobleme, die die Hauptangeklagte mit ihrem Sohn hatte. Die 40-Jährige ihrerseits hat vier Kinder im Alter von zwei bis 18 Jahren.

Kind erleidet schwere Misshandlungen

Den Geschworenen wurden Fotos vom augenscheinlich misshandelten Sohn der Angeklagten gezeigt: Mit Blutergüssen, Beulen und Schrammen, binnen Monaten drastisch abgemagert. Laut Anklage wurde das Kind mit kaltem Wasser übergossen, dann wurden die Fenster aufgerissen und es musste bibbernd mit nasser Kleidung und Haaren bei nur wenigen Grad ausharren. Um das Kind gefügig zu machen, habe es seine Mutter wegen Bettnässens zunächst auf ein Hundenest verbannt und später über Stunden auch in eine kleine Hundebox gesperrt. „Er hat immer wieder gedroht, dass er vom Fenster springt, wenn ich rausgehe“, rechtfertigt sich die Angeklagte.

Die 33-Jährige erklärte, dass die Beziehung zu ihrem Sohn immer sehr problematisch gewesen sei. „Ich dachte, er hasst mich.“ Sein aggressives Verhalten sei nicht normal gewesen, so die Angeklagte. Sie habe gewollt, „dass er mir folgt und dass er das macht, was ich ihm sage.“ Ziel sei ein braves Kind in schulischer und privater Hinsicht gewesen, so die Angeklagte.

Die Strafe mit der Hundebox - mit den Maßen 57x83x63cm - sei mit der 40-jährigen Freundin gemeinsam besprochen worden, sagt die Angeklagte. Auch die Mitangeklagte verfolgt ihren Prozess nicht ungerührt und weint mehrfach. Aus Sicht des Verteidigers der 40-Jährigen habe sie zwar viele Fehler gemacht, aber vom Ausmaß der Misshandlungen nichts gewusst. Seine Mandantin sei es gewesen, die die Sozialarbeiterin schließlich alarmiert habe, so der Anwalt.

Zwölfjähriger nach Rettung in Lebensgefahr

Das Kind war laut Anklage nur durch dieses Eingreifen der Sozialarbeiterin gerettet worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der 1,65 Meter große Sohn auf 40 Kilogramm abgemagert gewesen. Er sei bei einer Körpertemperatur von nur noch knapp 27 Grad in einem lebensbedrohlichen, komatösen Zustand gewesen, so die Staatsanwältin. „Bei dieser Temperatur wäre jeder Erwachsene schon längst tot gewesen. (...) Es war eine Rettung in letzter Sekunde“, sagte die Richterin. In dieser Situation machte die Angeklagte am 22. November 2022 mehrere Videos von ihrem völlig kraftlosen Kind, das kaum mehr fähig war, sich zu artikulieren. Der Zwölfjährige wurde auf der Intensivstation behandelt und erholte sich körperlich. „Psychisch werden ihn die Folgen aber noch jahrelang begleiten“, sagte der Opferanwalt.

Der 33-Jährigen droht eine lebenslange Haftstrafe, der Mitangeklagten eine Strafe von bis zu zehn Jahren. Zudem wurde von der Staatsanwaltschaft Krems für beide die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt. Der Prozess ist auf drei Verhandlungstage angesetzt.