Von Volker Haussmann

In bester Erinnerung dürfte Freunden der Nürtinger Opernfestspiele die Aufführung der Bizet-Oper „Carmen“ im Jahr 2003 sein - zweifellos einer der größten Erfolge des Nürtinger Konzertensembles (NKE). In diesem Jahr steht wieder „Carmen“ auf dem Spielplan. Diesmal allerdings soll der Klassiker in gänzlich neuem Gewand die Freiluft-Opernfreunde bezaubern.

Über „Carmen“ muss man nicht viele Worte verlieren. Das weltbekannte Drama um die rassige Spanierin Carmen, die das Herz des tragischen Helden Don José bricht und dessen Liebeswahn schlussendlich mit dem Leben bezahlt, besticht in erster Linie durch die wunderbare Musik und die eingängigen Melodien, mit der Georges Bizet das dramatische Geschehen ebenso einfühlsam wie effektvoll untermalt hat. Dem 1875 uraufgeführten Werk war zunächst kein Erfolg beschieden - wegen der im Stück zutage tretenden ungeschminkten Realität, die dem Opernpublikum jener Zeit noch suspekt war. Das sollte sich erst später ändern. Bizet, der im Jahr der Uraufführung starb, erlebte das allerdings nicht mehr.

Bei „Carmen“ - im spanischen Sevilla des Jahres 1820 verortet - ist die Versuchung groß, vordergründig die darin enthaltenen folkloristischen Elemente in Szene zu setzen. Auch die NKE-Inszenierung des Jahres 2003 spielte geschickt und effektvoll mit gängigen Spanien-Klischees. Die jetzige Fassung, stellt NKE-Leiter Hans-Peter Bader in Aussicht, soll jedoch keine Wiederholung im selben Stil sein. Der 2017er „Carmen“ liege ein gänzlich anderes Regiekonzept zugrunde, es werde keine folkloristische Inszenierung sein.

Spanien-Klischees inklusive

Die Regie führt diesmal nicht Gerburg Maria Müller, die seit 2009 für die NKE-Aufführungen verantwortlich zeichnete, sondern erstmals Birgit Hein. Die ausgebildete Theaterpädagogin und Schauspielerin ist seit 2006 an der Musik- und Jugendkunstschule der Stadt Nürtingen für Theaterklassen und Aufführungen zuständig und hat bereits Musicals inszeniert. „Carmen“, sagt sie, sei ihre erste Oper.

Wenn sie an „Carmen“ denke, so Hein, seien da sofort diese stereotypischen Bilder und Klischees: Spanien, Zigeuner, Exotik, sinnliche Leidenschaft. „Das ist nicht modern“, findet sie. Sie hinterfragt die handelnden Figuren, möchte die Personen und die sie umgebenden Konflikte in den Vordergrund stellen. Auf diese Weise will Hein die psychologischen Aspekte des Werkes herausarbeiten und in heutigem Kontext darstellen. Und wie der aussieht, soll auch kein Geheimnis bleiben: Das Geschehen wird auf einer zeitgenössischen Autorennbahn angesiedelt. Und zwar so, dass „die Rahmenhandlung im Prinzip die gleiche bleibt“, wie Bader anmerkt. Mit einem „kleinen Augenzwinkern“ würden auch Spanien-Klischees in die Handlung eingeflochten, verrät die Regisseurin.

Das musikalische Geschehen wird wieder in den bewährten Händen der von Hans-Peter Bader dirigierten Kammersymphonie liegen, die zusammen mit dem Kammerchor das NKE bildet. Der Chor werde durch Sänger und Sängerinnen aus anderen Nürtinger Chören verstärkt, außerdem, so Bader, „kommen sehr viele Statisten zum Einsatz“. Die Solisten seien „eine junge Crew“ - Sänger und Sängerinnen, die entweder in Stuttgart oder Karlsruhe an der Oper engagiert sind: Teresa Smolnik (Carmen), Ruben Mora (Don José), Steffen Balbach (Escamillo), Clara-Sophie Bertram (Mercedes). Mit dabei sind auch die aus Nürtingen stammende Sopranistin Lisa Hähnel (Frasquita) und Gundula Peyerl (Michaela), die bereits bei etlichen NKE-Aufführungen auf der Bühne gestanden hat. Spielort wird wieder der bewährte Platz an der Stadtkirche sein, wo seit einigen Jahren alle NKE-Aufführungen über die Bühne gehen. Für das Bühnenbild hat der Künstler Volker Illi bereits einen ersten Entwurf skizziert. Auf eigens aufgebauten Tribünen werden pro Vorstellung bis zu 600 Zuschauer das Geschehen verfolgen können. Fünf Aufführungen sind vorgesehen. Bei großer Nachfrage ist ein zusätzlicher Spieltermin angedacht.

Das Nürtinger Opern-Air 2017 hat laut der NKE-Vorsitzenden Trudel Stephan mit 140 000 Euro einen ähnlich großen Etat wie in den vergangenen Jahren; 27 000 Euro gibt die Stadt Nürtingen als Zuschuss, weitere 16 000 Euro sind gegebenenfalls als Ausfallbürgschaft in Aussicht gestellt. Hans-Peter Bader geht als Leiter der Nürtinger Musik- und Jugendkunstschule nächstes Jahr in den Ruhestand. Auch im NKE werde im kommenden Jahr ein Nachfolger an seine Stelle treten, kündigt er an.

Am Freitag, 21. Juli, feiert das NKE mit „Carmen“ Premiere. Weitere Spieltermine sind 23., 26., 28. und 29. Juli. Bei schlechtem Wetter wird das Stück im K3N aufgeführt. Karten im Stadtbüro der Nürtinger Zeitung, Tel. 0 70 22 / 94 64-150.