Weizen ist das am häufigsten angebaute Getreide – aber nicht allen Menschen bekommt er gut. Foto: dpa/Armin Weigel

Manche Menschen vertragen Weizen schlecht oder gar nicht. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Eiweiße des Getreides. Forschern ist es nun gelungen, diese genauer als je zuvor zu erfassen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu verträglicheren Sorten.

Wer keine Lebensmittel aus Weizen und anderen Getreidearten verträgt, muss bislang zu Alternativen aus Reis, Mais oder anderen Körnern greifen. Durch die Entwicklung neuer Sorten könnte die Verträglichkeit von Weizen verbessert werden. Dazu haben Forscher der Universitäten Hohenheim und Mainz nun eine umfangreiche Studie vorgelegt. Wir erklären die wichtigsten Ergebnisse.

Was haben die Forscher untersucht?

Sie analysierten im Labor die Eiweißzusammensetzung von Brotweizen und seinen Verwandten Einkorn, Emmer, Dinkel und Hartweizen. Von jeder dieser fünf Getreidearten wurden zehn verschiedene Sorten untersucht, die jeweils an drei Orten angebaut wurden. Um die einzelnen Eiweiße (Proteine) im Mehl bestimmen zu können, mussten die vergleichsweise großen Moleküle zunächst in kleinere Einheiten zerlegt werden, sogenannte Peptide. Aus diesen konnten die Forscher auf die in den Getreideproben vorhandenen Proteine schließen.

Warum ist die Proteinzusammensetzung wichtig für die Verträglichkeit?

Proteine sind an allen wichtigen Stoffwechselvorgängen beteiligt – etwa als Verdauungsenzyme oder Hormone. Einige dieser komplexen Moleküle können jedoch Allergien auslösen, wenn sie mit der Nahrung aufgenommen werden. Das Immunsystem produziert dann Antikörper, die Entzündungsreaktionen befördern. Als Ursache der unterschiedlichen Formen von Weizenunverträglichkeit wird eine ganze Reihe von Proteinen gehandelt. Bei manchen ist eine allergene Wirkung wahrscheinlich, bei anderen wurde sie bereits nachgewiesen. Zur zweiten Gruppe gehören neben den Gluteninen als Hauptbestandteil des Speicherproteins Gluten auch sogenannte Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI). Das sind Proteine, die den Eiweißabbau hemmen und auch selbst schwer verdaulich sind. Weitere potenzielle Allergene sind Proteine, die mit dem Fett- und Stärkestoffwechsel zusammenhängen.

Welche Arten von Weizenunverträglichkeit gibt es?

Die bekannteste Form ist die Zöliakie, bei der das in Weizen und anderen Getreidearten enthaltene Gluten eine Entzündung der Darmschleimhaut auslöst. Eine andere Form der Unverträglichkeit ist die Weizenallergie, bei der Betroffene allergisch auf bestimmte Inhaltsstoffe des Weizens reagieren. Schließlich gibt es die Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität, die nicht zu krankhaften Veränderungen der Darmschleimhaut führt und auch keine allergischen Reaktionen umfasst. Betroffene klagen jedoch über Blähungen und andere Verdauungsbeschwerden nach dem Verzehr weizenhaltiger Produkte. Schätzungen zufolge ist rund ein Prozent der Bevölkerung von Zöliakie betroffen, bei der Weizenallergie gehen Experten von weniger als einem Prozent aus, bei der Weizensensitivität liegen die Angaben zwischen knapp einem und zehn Prozent.

Was haben die Forscher herausgefunden?

Je nach Getreideart konnten sie zwischen rund 2500 und 2700 verschiedene Eiweiße identifizieren. „Viele der Proteine, die wir gefunden haben, sind bislang noch gar nicht genau beschrieben worden“, sagt der Hohenheimer Weizenexperte Friedrich Longin, der an der Studie beteiligt war, die in „Science of Food“ publiziert wurde – einer Fachzeitschrift unter dem Dach des renommierten Nature-Verlags. Zwischen den fünf Getreidearten zeigten sich große Unterschiede in der Proteinzusammensetzung, in denen sich die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Brotweizen, Hartweizen, Dinkel, Emmer und Einkorn widerspiegeln. Doch auch zwischen verschiedenen Sorten einer Getreideart unterschieden sich die Proteinmuster recht deutlich. Einen großen Einfluss hatten aber auch die Wachstumsbedingungen. Die Daten belegen zudem, dass die alte Weizenart Einkorn deutlich weniger potenzielle Allergene enthält als Brotweizen oder Dinkel.

Wie könnten die Ergebnisse zu besser verträglichen Weizensorten beitragen?

Für Pflanzenzüchter wie Longin sind vor allem jene Proteine interessant, die stark von den Erbanlagen abhängen und weniger von Umweltfaktoren wie Klima, Boden und Düngung. Beim Brotweizen als wichtigster Getreideart traf dies der Studie zufolge auf 845 der insgesamt gefundenen Proteine zu – also auf rund ein Drittel. Darunter sind nicht nur potenzielle Allergene, sondern auch Proteine, die im Zusammenhang mit Eigenschaften wie Backqualität oder Hitze- und Kältetoleranz stehen. Um besser verträgliche Sorten zu entwickeln, könnten Weizenzüchter unter ihren Zuchtlinien gezielt solche auswählen, die weniger potenziell allergene Proteine enthalten, so Longin.

Wie geht es weiter?

Für den Routineeinsatz in der Züchtung oder für die Qualitätskontrolle in Mühlen und Bäckereien seien derartige Proteinanalysen bislang viel zu aufwendig, sagt Longin. „Wir brauchen Schnelltests, mit denen man in kurzer Zeit hohe Stückzahlen bewältigen kann.“ Zudem gebe es mit Blick auf die Verträglichkeit einzelner Proteine noch große Wissenslücken. „Hierzu sind dringend zielgerichtete klinische Studien erforderlich.“ Gleichzeitig müsse die Funktion bestimmter Proteine in den Pflanzen genauer untersucht werden. „Es ergibt wenig Sinn, möglicherweise allergene Proteine herauszuzüchten, die für die Getreidepflanzen selbst aber lebenswichtig sind“, meint Longin.

Der Weizen und seine Verwandten

Einkorn
 Der älteste Vorfahre des heutigen Brot- oder Weichweizens ist das zierliche Einkorn, das heute noch im kleinen Maßstab angebaut wird. Die ältesten Nachweise im Vorderen Orient werden auf das 10. Jahrtausend vor Christus datiert.

Emmer
 Durch die Kreuzung von Einkorn mit einer anderen wilden Weizenform entstand der Emmer, der ebenfalls bis heute genutzt wird. Bei der Kreuzung hat sich der Chromosomensatz verdoppelt: Statt des bei den meisten Organismen üblichen zweifachen Chromosomensatzes hat der Emmer einen vierfachen mit 28 Chromosomen – ein Grund für seinen kräftigeren Wuchs. Eng verwandt mit dem Emmer ist der Hartweizen, der vor allem zu Teigwaren verarbeitet wird.

Weizen
 Durch die Kreuzung von Emmer mit dem Wildgras Ziegenweizen entstand Weichweizen – gemessen an der Anbaufläche das weltweit wichtigste Getreide. Er hat wie auch sein naher Verwandter Dinkel einen sechsfachen Chromosomensatz mit 42 Chromosomen.