Ein Stuhl, ein Tisch, ein Rechner – das ergibt noch keinen Arbeitsplatz. Was macht die Schreibtische in Esslingen besonders? Foto: oh

In einer neuen Serie geben Menschen aus dem Kreis Esslingen Einblick in ihr Arbeitszimmer. In unregelmäßigen Abständen präsentieren Führungskräfte, Angestellte, Künstler und Bürgermeister ihren Schreibtisch.

Esslingen - Der Schreibtisch, sagt der berühmte Fotograf Konrad R. Müller, „ist ein Ort des Rückzugs, des Mit-sich-allein-Seins, ein Kosmos, an dem man sich festhalten kann. Man fühlt sich wohl und sicher. Bei Thomas Mann durfte keiner einen Mucks machen, der musste sich an seinen Arbeitstisch zurückziehen. Man arbeitet am Schreibtisch, ist kreativ, legt aber auch mal die Füße drauf oder schläft überhaupt auf ihm ein. Vielleicht hat man in einer Lade eine Flasche Cognac stehen oder raucht eine gute Zigarre.“ Müller hat selbst zahlreiche Fotos von Schreibtischen berühmter Persönlichkeiten wie Wladimir Putin oder Konrad Adenauer gemacht. Doch dies ist nur ein Eindruck des facettenreichen Möbelstücks. Kinder beispielsweise nutzen ihren ersten Schreibtisch, um daran zu malen oder Hausaufgaben zu erledigen. Später verfasst man vielleicht den ersten Liebesbrief. Wenn man Student wird, lernt man, den Tisch vielseitig zu nutzen: zum Essen, für die erste Steuererklärung, manchmal gar als Wäscheständer. Doch am Arbeitsplatz kann man auch kreativ sein, sich konzentrieren oder im Prüfungsstress einen Kaffee nach dem anderen trinken und die Nacht zum Tag machen.

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Ein Schreibtisch kann viel über einen Menschen aussagen, schließlich verbringt man hier viel Zeit. Und allmählich, so scheint es, färbt der Charakter des Benutzers auf den Tisch ab. Dann sammeln sich dort etwa unzählige Zettel, die gemeinsam so ein Chaos ergeben, dass es nur einen Menschen gibt der damit etwas anzufangen weiß. Oder das Bedürfnis nach Ordnung einer Person hält auch deren Schreibtisch frei von Durcheinander.

Die Zeit hat ebenfalls ihren Einfluss auf das Schreibtischwesen: In der Antike waren die Vorfahren des Schreibtischs, die Rednerpulte, den Politikern und großen Denkern vorbehalten. Ein Verwandter des Schreibtischs, der Altar, stand in enger Verbindung mit dem Übersinnlichen. Auch heute haben diese Varianten in Politik und Kirchen noch ihre große Bedeutung. Später wurde der Schreibtisch Massenware und bekam vor allem im privaten Bereich mit der Coronapandemie noch einmal einen gehörigen Auftrieb. Das Schreibtisch-Wesen wurde domestiziert. Und doch ist es so lebendig und wandelbar. Die Schreibmaschinen sind den immer kleiner werdenden Rechnern gewichen. Was als nächstes kommt, weiß niemand.

Unsere Zeitung wirft einen Blick auf das Jetzt. Was macht Schreibtische heute aus, und wie unterscheidet sich der Schreibtisch eines Politikers von dem eines Künstlers? In den kommenden Wochen wollen wir an dieser Stelle Einblicke in Arbeitszimmer bieten. In der Serie „Der Schreibtisch von . . .“ zeigen Menschen aus unterschiedlichsten Berufen sich und ihren Arbeitsplatz. Es geht dabei um einen Querschnitt durch die Gesellschaft. Manager und Amtsleiter haben einen, Hausmeister und Schichtarbeiter ebenso. Künstler, Schüler und so weiter und so fort. Dazu haben wir allen, die ihren Schreibtisch offenbaren, drei Fragen gestellt. Welche besonderen Andenken, Fotos oder Geschenke gibt es auf ihrem Arbeitsplatz? Wie viele Stunden pro Tag verbringen sie an und mit ihrem Schreibtisch? Wenn Ihr Arbeitsplatz einen Namen haben müsste, wie würde er heißen?