Wanderschäfer Holger Banzhaf mit seinen Hütehunden. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Nico Pointner

Heidenheim - Der Wolf macht den Menschen seit jeher Angst - egal ob als Fabelwesen, dass im Märchen sechs von sieben Geißlein frisst, oder als reales Raubtier im Wald. Auch Holger Banzhaf aus Gerstetten im Kreis Heidenheim denkt seit Wochen mit sehr mulmigen Gefühl an das Tier. Denn Banzhaf ist Schäfer, und der Wolf ist zurück im Südwesten: Zum ersten Mal seit 150 Jahren wurde ein lebendes Exemplar gesichtet. Ein Spaziergänger filmte ihn, als er über ein Feld auf der Baar trottete. Die Öffentlichkeit ist begeistert - und Banzhaf bedrückt: „Da kann man ja nicht mehr ruhig schlafen.“

Umherziehen als Kulturgut

Wölfe sind streng geschützt. Weidetiere müssen künftig neben den vierbeinigen Räubern leben. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen haben sich Wölfe bislang angesiedelt - und reißen auch Schafe. Dass Schäfer im Südwesten ein besonderes Problem mit dem Wolf haben, hängt auch mit der Mittelgebirgslandschaft im Land zusammen und der hier üblichen Wanderschäferei. „Einen Zaun bauen kann jeder“, sagt Holger Banzhaf. „Das Umherziehen für sich ist ein Kulturgut.“ Er steht auf einer Weide bei Gerstetten und stützt sich auf seine Schäferschippe. „Anuk, Freund, komm her!“, ruft er seinen Altdeutschen Hütehund herbei. Und gibt den Befehl: „Geh weiter!“ - Anuk schießt los. Innerhalb von Sekunden hat er die chaotisch umherlaufende Herde zu einem Kreis geformt, scheu warten die Schafe aneinandergereiht auf der Kuppe, dicht an dicht, Wolle an Wolle. Seit 30 Jahren ist Banzhaf bereits Schäfer auf der Ostalb, schon sein Opa war Wanderschäfer. Täglich zieht er von Ende April bis Januar mit seinen Marino-Landschafen von Ortschaft zu Ortschaft, acht Stunden lang, sieben Tage die Woche. Denn die Schafe müssen fressen, dauernd und viel. 650 Mutterschafe und 500 Lämmer gehören ihm, einige kennt er persönlich, manche tragen sogar Namen, wie Schatzi oder Havanna. „Die tanzen immer aus der Reihe“, sagt er und lächelt.

Bewusst ausgerottet

Alfons Gimber vom Landesschafzuchtverband befürchtet vor allem Probleme mit der Versicherung. Bricht die Herde aus, könnten Schafe auf Straßen oder Bahngleise rennen. „Das kann in die Millionenschäden gehen“, sagt er. „Alle reden von Tierschutz, aber der Wolf kann kommen und Tiere töten“, schimpft Schäfer Gerhard Stotz aus Münsingen im Kreis Reutlingen. Der Mensch habe das Raubtier schließlich damals als Nahrungsmittelkonkurrent bewusst ausgerottet. „Wenn der angreift, sind gleich mindestens acht bis zehn Tiere tot.“ Banzhaf fühlt sich von der Politik alleingelassen. Es gebe keinen richtigen Herdenschutz, schimpft er. Elektrozäune müssten dementsprechend hoch sein, das sei auf der Alb unpraktikabel. Und Herdenschutzhunde würden sich nicht mit den Hütehunden verstehen. „Den Wolf können wir nicht aufhalten“, glaubt er.