Elfriede Schäufele knöpft sich mit OB- und Tamponspäßen den Rathauschef vor – dieser lacht herzlich. Foto: Ehgartner

Köln, Mainz, Rottweil sind Narrenhochburgen – mit der Tradition des Möbelwagens ist Stuttgart ein Narrenhochbürgle. Beim 125. Geburtstag des Vereins ruft Präsident Thomas Klingenberg zu Reformen auf. Faschingsstar Elfriede Schäufele wird mit OB-Späßen gefeiert.

Als habe Thomas Klingenberg, seit zehn Jahren der Obermöbler, geahnt, was kommt. Bereits im September, lange vorm Ausbruch des Tampon-Gates, hat er in der Einladung zum Festakt im Großen Sitzungssaal des Rathauses das Transgender-Thema aufgegriffen. Schwaben, so schreibt er, seien von Natur aus zurückhaltend beim Ausleben des eher im Rheinischen beheimateten Frohsinns. Denn sie müssten „schaffa, schaffa, Häusle baua“ und dürften dabei „nur ned nach de Mädle schaua“. Hinter dem Wort „Mädle“ hat der Mann mit dem markant hochgezwirbelten Bart in Klammern die drei Buchstaben w, m und d gesetzt – auch den Möbelwagen-Urvätern gönnt er in dem Schreiben diese Zusätze.

„Dass ein OB in Sachen OB Ärger bekommt, ist ganz mein Humor“

Die Buchstaben w, m und d stehen für weiblich, männlich, divers, die Buchstaben OB für „ohne Binde“. Vor über 60 Jahren wurde dieser Markennamen zu einer Zeit diskret gewählt, als weibliche Hygieneprodukte heimlich gekauft wurden. Faschingsstar Elfriede Schäufele alias Frl. Wommy Wonder, selbst eine Möblerin, fegt durch den Sitzungssaal und knöpft sich den vorne sitzenden Frank Nopper vor. Endlich sehe sie einen OB in Lebensgröße, nicht nur die OBs vom Männerklo. Dass ein OB massiven Ärger in Sachen OB bekommt, ist ganz ihr Humor.

Die Schäufele versteht nicht, warum der CDU-Politiker gegen die Tamponspender bei den Pissoirs ist, „Da geh’ ich hin, wenn bei uns der Automat leer ist“, sagt die Travestie-Lady, die zum queeren Teil der Bevölkerung gehört und daher enttäuscht ist, dass Nopper die Akzeptanz der bunten Vielfalt von Stuttgart ausbremst, statt sie zu fördern.

Nopper erinnert einen Gast an den „twitternden Trump“

Die Gäste sind sich uneins bei diesem Thema. Wie „einst der twitternde Trump“ haue Nopper was Populistisches raus, ist zu hören. Sei also „höchste Zeit“, dass die Schäufele mit Kernseife im Tollhaus Rathaus durchscheuert. Männer fragen sich gegenseitig, wer sich schon einen Tampon gezogen habe, bevor Souvenirjäger kommen. Da fehle nur noch der Aufdruck „From Rathaus Stuttgart“. Präsident Thomas Klingenberg aber nimmt den OB in Schutz: „Wir sind ihm sehr dankbar, wie er uns unterstützt.“

Nopper liefert schon jetzt eine Steilvorlage für den Karneval. Ohne seinen Post wär’ das Thema nicht hochgekocht. Die Schäufele führt vor, wo der Ursprung der Narretei liegt: Gegen die Obrigkeit mit Witz aufbegehren – so fing’s an. Die Zeiten fürs Kulturgut Karneval sind nicht besser geworden. Nach der Coronapause beobachtet Präsident Klingenberg eine „Lethargie“. Das Vereinsleben müsse „neu gelernt“ werden. So wie sich das Volksfest verändere, wo Party-Musik laufe statt wie früher Blasmusik, wo sich das Publikum mit bayrischer Tracht wie an Fasching verkleide, müsse sich auch der Möbelwagen mit seinen 444 Mitgliedern „für die Zukunft öffnen“. Brauchtum habe eine Chance, wenn sich die Tradition mit neuen Ideen verbündet. Es gibt viel Beifall für den Präsidenten.

Präsident Klingenberg unterzeichnet Sponsorenvertrag mit Hofbräu

Sponsoren helfen dem Verein dabei, sich fit für die Zukunft zu machen. An diesem Abend unterzeichnet Thomas Klingenberg einen Vertrag mit Jörg Koschinski, dem Geschäftsführer von Stuttgarter Hofbräu. Die Brauerei wird das närrische Treiben künftig finanziell fördern, auf dass es beim Umzug und vielen Veranstaltungen aufblüht. OB Frank Nopper lobt in seiner Rede, dass der Möbelwagen der erste Verein war, der 1947 Mädchen zum Gardetanz holte.

Erinnerungen leben auf beim Festakt, bei dem Vertreter der Württembergischen Karnevalsvereine Grußworte sprechen. Als König Wilhelm II regierte, rollte am 2. März  1897 eine fröhliche Männerclique auf einem von Pferden gezogenen Möbelwagen durch die Stadt, Bier und ein Pianist waren dabei. Es gab Ärger mit Behörden – aber es war die Geburtsstunde der Karnevalsgesellschaft. Auch der Faschingsumzug und das Weindorf gehen auf Möbler mit zurück. Bis Stuttgart in die Bundesliga des Karnevals aufsteigt, muss es noch viel Konfetti regnen – und die Schäufele muss noch viele Kehrwochen machen.