Wenn Eberhard Weber früher auf der Bühne stand, war er ganz eins mit seinem Kontrabass. Foto: Hans Kumpf - Hans Kumpf

Als Schüler am Esslinger Georgii-Gymnasium hat Eberhard Weber vor vielen Jahren seine Liebe zum Kontrabass entdeckt, und nicht einmal er selbst hätte damals wohl daran gedacht, dass er später eine Weltkarriere machen würde. Am 22. Januar 2020 feiert Weber seinen 80. Geburtstag.

EsslingenEr zählt zu den herausragende Persönlichkeiten der deutschen Jazzgeschichte, und er hat mit seiner unverwechselbaren Art, den Bass zu spielen, weltweit auf sich aufmerksam gemacht. Als „Rebell am Bass“ hat er den internationalen Jazz nachhaltig beeinflusst, und vor allem ist es ihm gelungen, einem Instrument, das von vielen ein wenig verkannt wurde, zu neuen Ehren zu verhelfen. Wenn Eberhard Weber an diesem Mittwoch seinen 80. Geburtstag feiert, werden auch in Esslingen viele gerne an ihn denken. Hier hat er in ganz jungen Jahren den Kontrabass kennen und lieben gelernt, hier hat er sich seine ersten künstlerischen Sporen verdient, und hier hat er der Dieselstraße und dem Jazzkeller unvergessliche Konzerte beschert. Und auch wenn er seit einem Schlaganfall 2007 nicht mehr auf der Bühne stehen kann, ist jener Jazz, den Eberhard Weber geprägt hat, noch immer sehr lebendig, weil sein Spiel auch viele Kollegen beeindruckt und inspiriert hat. Deshalb war es nur konsequent, dass Maximilian Merkle den Weltklasse-Bassisten zum Schirmherrn machte, als er vor einigen Jahren Esslingen ein neues Jazzfestival bescherte.

Hört man sich unter Jazzern um, spürt man allenthalben den Respekt, den Eberhard Weber auch unter namhaften Kollegen genießt. Der amerikanische Jazzer Glen Moore hat sich Jahre später erinnert, wie er Weber zum ersten Mal begegnet ist: „Auf einmal war da ein blonder, langhaariger Bassist, der mit dem Bass Soli spielte in einer unglaublichen musikalischen Bandbreite, die ihm seine fünfte Saite ermöglichte. Eberhard Weber hat das Bassspiel in den 70-ern revolutioniert.“ Um genau den Klang zu erzielen, den er sich vorstellt und der ihn von vielen seiner Kollegen unterscheidet, ließ Weber einen ganz nach seinen Wünschen gemachten E-Kontrabass bauen, der einen reduzierten Massivholzkorpus besitzt.

„Wenn man meine Musik hört, wissen viele sofort, wer spielt“, hat Eberhard Weber erzählt, als er vor Jahren im Jazzkeller in der Webergasse, die entgegen anderslautender Gerüchte nicht nach ihm benannt worden war, sein Buch „Résumé – Eine deutsche Jazzgeschichte“ vorgestellt hat. Dabei könne er selbst gar nicht erklären, was einen typischen Eberhard-Weber-Stil ausmacht: „Ich wusste nie, was ich 20 Sekunden später spielen werde. Deshalb hätte ich nie eine Professur übernehmen können, weil ich nicht erklären konnte, wie ich’s mache. Für mich zählen Improvisation und Intuition mehr als die geschriebenen Noten. Das Spontane ist immer das Wichtigste.“ Und er sei nie ein großer Freund des Free Jazz gewesen: „Es gab unglaublichen Mist damals“, erinnert er sich an jene wild bewegten Jahre, als alles erlaubt zu sein schien.

Auch solche Sätze sind typisch für den seit heute 80-Jährigen, der heute in Frankreich lebt und der es gewohnt ist, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. „Weber wusste, was er wollte, und er ließ sich durch nichts und niemanden verbiegen – als Musiker und als Mensch“, hat ihm die EZ vor Jahren ins Stammbuch geschrieben. Und auch wenn er sich seiner musikalischen Klasse wohl bewusst ist, kokettiert er gerne auch mal mit all dem Lob, das im zuteil wird: „Ich glaube, dass meine spezielle Art zu spielen aus einem gewissen Nicht-Vermögen, den Bass zu spielen, entstanden ist. Man könnte das so formulieren: Ich kann nicht Bass spielen, aber ich weiß, wie’s geht. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass man mich nicht kopieren kann.“

Und wie kam Eberhard Weber zum Jazz im Allgemeinen und zum Kontrabass im Besonderen? Die Geschichte wird gern erzählt: Als junger Kerl hat er im Orchester des Georgii-Gymnasiums Cello gespielt. Und als sein Lehrer meinte, dass dem Ensemble ein tiefer klingendes Streichinstrument fehle, hat sich der Schüler Eberhard einen alten Kontrabass geschnappt und heimlich einige Stunden lang geübt – am folgenden Tag hatte das Schulorchester seinen Kontrabass. Vielleicht ist diese Story typisch für Eberhard Weber, der sich stets dafür verkämpft hatte, seinem Instrument eine tragende Rolle zu bescheren. Das ist ihm wie nur wenigen gelungen. Und wer jemals ein Solokonzert von Eberhard Weber live erlebt hat, wird diese Momente nie vergessen. Viele seiner Alben wie „The Colours of Chloë“, „Chorus“ oder „Stages of a long Journey“ haben einen Ehrenplatz in den Plattenschränken zahlreicher Jazz-Enthusiasten und zeugen von der Klasse eines vielfach ausgezeichneten Musikers, der viel zu früh von der Bühne abtreten musste, weil ihm beim Schlaganfall die Feinmotorik der linken Hand abhandengekommen war. Doch seine Musik ist lebendig wie eh und je, und seine Leidenschaft inspiriert, auch wenn er selbst nicht mehr am Bass stehen kann.