Stadträte müssen sich nicht selten durch unzählige Akten durcharbeiten. (Symbolbild) Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Im Juni 2024 stehen die nächsten Kommunalwahlen an. In diesem Zuge möchten manche Städte ihre Gemeinderäte finanziell besser stellen. Ihrer Meinung nach steht die Aufwandsentschädigung oft in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand.

Im Juni kommenden Jahres können wieder engagierte Bürger bei der Kommunalwahl antreten. Es gibt allerdings Befürchtungen von Seiten der Städte und Gemeinden, dass nicht genügend Kandidaten bereit sind, sich um die Geschicke ihrer Gemeinde zu kümmern. Mancherorts werden die Aufwandsentschädigungen erhöht - auch als Anreiz, Verantwortung an der Basis zu übernehmen. Zugleich bemüht sich das Land um mehr Familienfreundlichkeit.

Anfeindungen gegenüber Lokalpolitikern

Der Gemeindetag befürchtet zudem, dass Anfeindungen gegen Kommunalpolitiker in den sozialen Medien potenzielle Kandidaten abschrecken. „Ich weiß natürlich, dass es immer schwieriger wird, diese Listen zu besetzen, weil leider auch auf der kommunalen Ebene ein Mandat sehr schnell öffentlich wird - und auch über die sozialen Medien kommentiert wird“, sagt Verbandspräsident Steffen Jäger.

Verbale und körperliche Angriffe auf ehrenamtliche Kommunalpolitiker haben nach Angaben einer Sprecherin der Stadt Villingen-Schwenningen in den vergangenen Jahren zugenommen. „Inwieweit dieser Umstand unmittelbare Auswirkungen auf die Bereitschaft zu einer Kandidatur im Rahmen der Kommunalwahl hat, können wir aber nicht beurteilen.“

Höhe der Entschädigungen fallen sehr unterschiedlich aus

Klar ist hingegen aus Sicht der Sprecherin der 89.000-Einwohner-Stadt: Es sei für die politischen Parteien in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden, Kandidaten für die Aufstellung der Wahlvorschläge für die Kommunalwahl zu finden. Nur eine ausreichende Anzahl an Kandidaten auf den Wahlvorschlägen der Parteien ermöglicht aber eine tatsächliche Auswahl. Das ist aber nicht überall so: Heidelberg oder Freiburg berichten von zahlreichen Wahlvorschlägen mit vielen Bewerbern.

Jürgen Fleckenstein von der Verwaltungshochschule in Kehl beobachtet generell eine schwierige Kandidatensuche. Ein Grund seien mancherorts Stundensätze unter dem Mindestlohn. Die Entschädigungen fallen je nach Größe der Kommunen sehr unterschiedlich aus - von ein paar Hundert Euro bis zur Höhe eines Vollzeitgehalts.

Stuttgart zahlt ab 2024 deutlich mehr

Die Landeshauptstadt Stuttgart liegt bei Zahlungen vorn. Die Stadträte bekommen von August 2024 an 1900 Euro Grundbetrag. Das ist eine Erhöhung von 250 Euro (bislang 1.650 Euro).

Auch die einzelnen Sitzungen des 60-köpfigen Gremiums werden fortan besser vergütet: Für bis zu drei Stunden gibt es dann 80 statt 70 Euro, für fünf Stunden und mehr 160 statt 140 Euro. Dauersitzungen von über acht Stunden werden mit 240 statt 210 Euro versüßt. Als Grund gibt die Verwaltung der Metropole mit mehr als 600. 000 Einwohnern einen Kaufkraftverlust an von 15,53 Prozent in den Jahren 2019 bis 2023 - inklusive Vorausrechnung für 2024.

Die Höhe der Entschädigung für Fraktionschefs von künftig 2375 Euro bei maximal zehn Fraktionsmitgliedern entspricht in etwa einem Vollzeitgehalt. Sie müssen aber versteuert werden. Die Dauer der Sitzungen im Gemeinde- und Ältestenrat sowie in Ausschüssen beläuft sich laut Rathaus im fünfjährigen Durchschnitt auf 353 Stunden im Jahr - fast eine Stunde pro Tag.

Mehr Online-Sitzungen sollen kommen

Auch im Freiburger Rathaus weiß man um die Nöte der Ehrenamtlichen. Die Vielzahl und Komplexität der Themen bedingten neben der Sitzungsteilnahme eine immer umfangreichere Vorbereitung und eine Vielzahl von Fraktionsgesprächen, sagt eine Sprecherin. „Diese hohe inhaltliche und zeitliche Belastung im Ehrenamt ist je nach individueller Lebenssituation überdies mit Beruf und/oder Familie in Einklang zu bringen.“

Daran arbeitet derzeit das Innenministerium. Eine Gesetzesnovelle soll die Vereinbarkeit von kommunalem Mandat und Familie verbessern. Nur jeder vierte Gemeinderat ist laut Experte Fleckenstein weiblich. Bislang dürfen Gemeinderäte dem Ministerium zufolge in Hybridform abstimmen, also teils in Präsenz, teils via Internet - allerdings nur bei einfachen Sachverhalten oder wenn aus schwerwiegenden Gründen keine Teilnahme möglich ist, etwa während der Corona-Pandemie.

Arbeit attraktiver für Frauen machen

Ziel sei es, dauerhafte und nicht auf Notlagen begrenzte gesetzliche Möglichkeiten zu schaffen, um rechtssicher Online- und Hybrid-Sitzungen von Gemeinderäten, Kreistagen und Regionalversammlungen durchzuführen. Eine entsprechender Gesetzesentwurf soll noch in diesem Jahr erstellt werden. „Wir wollen damit die Gemeinderatsarbeit auch für Frauen, die Kinder und Angehörige betreuen müssen, attraktiver machen“, sagt ein Ministeriumssprecher.

In Mannheim mit rund 330.000 Einwohnern beschließt der Gemeinderat die Entschädigung jeweils für die komplette neue fünfjährige Amtszeit. Zuletzt betrug sie monatlich 975 Euro je Stadtrat (bis 2019: 910 Euro). Die Fraktionsvorsitzenden erhalten je nach Größe der Fraktion das 2,2 bis 2,6-fache. Das mit 236.000 Einwohnern kleinere Freiburg bietet den Stadträten und Stadträtinnen seit August 2019 monatlich 1150 Euro pauschal, Fraktionsvorsitzende erhalten das Doppelte.

Auch Heilbronn plant eine höhere Entschädigung ab 2024

Heilbronn plant eine höhere Entschädigung ab August 2024. Pauschalen steigen von 280 auf 350 Euro, die Sitzungsgelder von 90 auf 100 Euro; Fraktionsvorsitzende bekommen statt 180 bald 200 Euro. Die Heidelberger Mandatsträger erhalten seit Januar 2019 monatlich 900 Euro Entschädigung. Eine weitere Erhöhung ist in der Kommune mit gut 160.000 Einwohnern vorerst nicht geplant.

Im kleinen Ladenburg müssen sich die 22 Gemeinderäte mit 150 Euro pro Monat begnügen. Für Ratsarbeit am PC kommen einmalig 500 Euro obendrauf. Es soll Veränderungen geben, allerdings keine generellen Erhöhungen. „Wir wollen die Satzung an die Lebenswirklichkeit anpassen - im Gespräch ist etwa ein Ausgleich für die Kosten der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen“, erläutert eine Sprecherin der 12.500-Einwohner-Gemeinde.

Auch 16- und 17-Jährige sollen sich aufstellen lassen

Villingen-Schwenningen zahlt vom 1. Juli 2024 an eine Monatspauschale von 300 statt bislang 200 Euro und eine Zulage für Fraktionschefs von 300 statt bisher 150 Euro. Auch Sitzungsgelder werden heraufgesetzt.

Kommunalrechtsprofessor Fleckenstein sieht bei jungen Menschen und Frauen noch Potenzial. Er hofft, dass künftig sich auch 16- und 17-Jährige aufstellen lassen - was nach einem Landtagsbeschluss vom März ab dem nächsten Jahr möglich ist.