Manuela Rukavina, Sabine Dack-Ommeln, Birgit Gottwald-Kolb und Petra Binz (von rechts) Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Manuela Rukavina, Vorsitzende des Landesfrauenrats, richtet im Zuge der Veranstaltung „100 Jahre Frauenwahlrecht – Chamce und Verpflichtung“ einen Appell an alle Frauen, aktiver zu werden.

WernauAls sie vor 100 Jahren zum ersten Mal wählen durften, nahmen 82 Prozent der Frauen dieses Recht wahr. Aktuell sind 82 Prozent der Ratsmitglieder in Wernau Männer. Auch wenn die Übereinstimmung der Zahlen Zufall ist, gibt sie zu denken: Ob die Vorkämpferinnen für Frauenrecht wohl mit den Fortschritten bis heute zufrieden wären? Das fragt sich die frühere Vorsitzende des Landesfrauenrats, Manuela Rukavina, oft. Sie hielt in Wernau ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Engagement von Frauen. An ihrer Seite hatte sie drei amtierende Gemeinderätinnen.

Der Ökumenische Verein für soziale Aufgaben in Wernau hatte zur Veranstaltung mit dem Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht – Chance und Verpflichtung“ eingeladen und mit Manuela Rukavina eine mitreißende Rednerin gewonnen. Die 40-Jährige spricht frei und unverblümt und bringt dabei manches klar auf den Punkt, was ihren Zuhörerinnen und Zuhörern – in diesem Fall war auch eine Handvoll Männer unter den knapp 50 Frauen in der Stadthalle – schon durch den Kopf gegangen ist.

Manchmal könnte sie „fast heulen“, wenn sie sich anschaue, „wie es im Moment um die Demokratie bestellt ist“, sagte Rukavina. Heulen könnte sie über die Bequemlichkeit der Menschen, die sich in Sicherheit wähnten und Frieden und Demokratie einfach als gegeben hinnähmen. Dabei wären wir es den Vorkämpferinnen des Frauenwahlrechts schuldig, ihre Errungenschaften aktiv zu bewahren und weiterzuentwickeln, meinte sie.

Deren Kampf war weder einfach noch ungefährlich: Das illustrierte die temperamentvolle Rednerin anhand eines Blicks in die Geschichte. Sie erzählte von Luise Otto-Peters, die 1849 eine „Frauen-Zeitung“ herausgab und Frauenrechte einforderte. Das führte zu Hausdurchsuchungen und zu einem neuen Pressegesetz in Sachsen, das Frauen die verantwortliche Redaktion oder Mitredaktion von Zeitungen und Zeitschriften verbot. Sie erwähnte die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, die den Satz „Die Menschenrechte haben kein Geschlecht“ formulierte, aber auch August Bebel, der 1875 als erster Mann das Frauenwahlrecht forderte; seine Partei SPD folgte ihm einige Jahre später.

Die Frauen forderten damals trotz aller Repressionen selbstbewusst und kämpferisch ihre Rechte ein. Die Regierung habe ihnen mit dem Wahlrecht kein Geschenk gemacht, sondern „den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist“, sagte Marie Juchacz, die als erste gewählte Frau 1919 im Reichstag eine Ansprache hielt.

Doch während 1919 mehr als drei Viertel der Frauen wählen gingen, lag die Beteiligung bei der vergangenen Landtagswahl in Baden-Württemberg, bei beiden Geschlechtern ähnlich, unter 50 Prozent. Wer sich nicht politisch engagiere, wer kein Ehrenamt ausübe, könne doch zumindest das tun: wählen, sagte Rukavina. Sie appellierte, auch andere dazu aufzufordern, und sei es in der Warteschlange beim Bäcker oder an der Supermarktkasse: „Da läuft wenigstens keiner weg.“

Der zweite Appell heißt für sie ganz klar: „Frauen wählen Frauen!“ Denn man brauche einen bestimmten Anteil an Sitzen, um ein Gremium zu verändern: Studien sprächen von 30 Prozent. Davon sind die politischen Gremien in Baden-Württemberg auf allen Ebenen noch weit entfernt, wie Rukavina anhand von Zahlen aufzeigte. Sie setze deshalb auf Frauen, quer durch die Parteien.

Dass der Frauenanteil an sich durchaus etwas bewirkt, sahen auch die bei der Veranstaltung vertretenen Gemeinderätinnen so. Sabine Dack-Ommeln (WBL/JB), Birgit Gottwald-Kolb (CDU) und Petra Binz (SPD) waren dabei, Dorothee Senn (Grüne) urlaubshalber verhindert. Die „andere Perspektive“ sei bei allen Themen wichtig, betonten die drei Bürgervertreterinnen. Alle wünschten sich von Frauen mehr Mut und Kampfgeist und weniger Zurückhaltung. Würde sie noch einmal von vorne anfangen im Gemeinderat, sagte Petra Binz, wäre sie mutiger und „unbeeindruckter“: „Die kochen auch nur mit Wasser. Was man nicht einfordert, kann auch nicht erfüllt werden.“

Tatsächlich hätten Frauen statistisch gesehen schlechtere Chancen gewählt zu werden als Männer, berichtete Manuela Rukavina. Sie führt das auch darauf zurück, dass Frauen „untereinander sehr kritisch“ seien und die Neigung hätten, sich gegenseitig zu bewerten. „Lassen Sie uns gemeinsam nicht immer so ungnädig sein und bei jeder Frau auf jedes kleine Fleckle gucken“, forderte sie. Den Appell „Frauen, wählt Frauen!“ ergänzte sie um die Bemerkung: „Auch Männer können Frauen wählen!“

Die Gemeinderätinnen stellten fest, dass Männer ihnen beim Netzwerken einiges voraushätten. Frauen seien zwar vielfältig engagiert, die jeweiligen Kreise blieben aber unter sich. Das zu ändern ist ein Anliegen des Ökumenischen Vereins für soziale Aufgaben in Wernau. Zwei Mal jährlich greift er im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Frauen treffen Frauen“ ein Thema auf, das Frauen betrifft – und setzt darauf, dass sie nebenbei ins Gespräch kommen und sich kennenlernen.