Der Esslinger Sprecher Michael Stülpnagel hat aus Stefan Zweigs Novelle „Fantastische Nacht“ eine weitere musikalische Lesung entwickelt. Foto: /Gaby Weiß

Michael Stülpnagel und Johannes Weigle präsentieren als Duo Phantasma mit „Fantastische Nacht“ von Stefan Zweig ein neues musikalisch-literarisches Hörstück als „Kino im Kopf“ in der Esslinger Scala.

Einen Erzähler, einen Musiker und eine Geschichte – mehr braucht es nicht bei den Produktionen des Duos Phantasma, das Weltliteratur als musikalische Lesung im Scala-Kino am Esslinger Charlottenplatz auf die Bühne bringt. Diese Form der Erzählung mit Live-Soundtrack funktioniert wie „Kino im Kopf“, das die Fantasie des Publikums herausfordert. Jetzt haben der Sprecher Michael Stülpnagel und der Multi-Instrumentalist Johannes Weigle ein neues Stück in Angriff genommen: Am 24. September feiert Stefan Zweigs Novelle „Fantastische Nacht“ in der Version des Duos als facettenreiches musikalisches Hörstück Premiere.

Stefan Zweigs Sprache inspiriert das Duo Phantasma überaus

Die Zusammenarbeit der beiden Künstler in ihrer mittlerweile sechsten Produktion in der Reihe „Kultur im Kino“ funktioniert: „Wir sind extrem unterschiedlich“, weiß Michael Stülpnagel, „unser verbindendes Element ist die Geschichte. Wir stellen uns beide – er musikalisch, ich sprechend und erzählend – vollkommen in den Dienst der Erzählung. Die Geschichte ist und bleibt die Hauptperson.“

Nach „24 Stunden aus dem Leben einer Frau“ hat das Duo Phantasma nun schon zum zweiten Mal ein Stück des Autors Stefan Zweig ausgewählt: „Wir halten ihn aus vielerlei Gründen für sehr geeignet für unser ‚Kino im Kopf‘: Seine wunderbare Sprache, seine Bilder, die Kraft, die in seinen Texten steckt. Und diese inneren Welten, Konflikte und Reflexionen, um die es bei ihm geht, lassen sich besonders gut durch das pure gesprochene Wort transportieren“, erläutert Michael Stülpnagel.

Stefan Zweig gilt bis heute als Meister der detaillierten Gefühlsbeschreibung. Trotzdem erzählte er keine ermüdenden „seelischen Selbstenthüllungen“, sondern schaffte es, in seinen Geschichten durch eine geschickte Dramaturgie für Spannung und Kurzweil zu sorgen. „Zweigs Novellen gehen tief hinunter in den Keller und enden meist sehr tragisch. Die Hauptgeschichte in der ‚Fantastischen Nacht‘ taucht auch erst in seelische Abgründe, löst sich dann aber in pure Lebensfreude auf. Dieses Positive tut uns und unserem Publikum gut“, erklärt Michael Stülpnagel die Faszination dieses Stückes.

Die Hauptfigur, ein österreichischer Baron und Reserveoberleutnant, beschreibt sich selbst als „kultivierten eleganten Mann, reich, unabhängig, mit den Besten einer Millionenstadt befreundet“. Als seine Freundin ihn verlässt und als ein Freund stirbt, merkt er, dass er gefühlsstarr und teilnahmslos geworden ist, und dass er mit seinen 36 Jahren „ein ganz ausgekühltes Leben“ fristet. Auf keinen Fall will er sich damit abfinden, dass er nichts mehr empfinden kann. Und in einer einzigen „Fantastischen Nacht“ gelingt es ihm, sich selbst wiederzufinden und plötzlich wieder Freude am Dasein zu genießen.

Wie finden wir unsere Lebensfreude wieder?

Was hinter dieser Novelle, die 1929 veröffentlicht wurde, steckt, sei zeitlos und inspiriere auch heute, betont Michael Stülpnagel: „Wie finden wir unsere Lebensfreude und Vitalität wieder? Gerade nach der Corona-Pandemie ist das für viele Menschen eine wichtige Frage. Finde ich im Außen eine Antwort darauf? Wahrscheinlich nicht. Finde ich sie im Innen? Wahrscheinlich ja, sagt zumindest die Novelle.“ Dazu gehört für das Duo Phantasma jedoch auch, innezuhalten und sein Leben zu reflektieren: „Was wir sehen und fühlen, ist immer nur ein Teil der Realität, nie die Wirklichkeit selbst. Will man sich eine lebenslange Vitalität und Elastizität beibehalten, muss man sich öffnen können und manchmal auch aus dem bekannten und stabilen Lebenskonzept ausbrechen. In diesen magischen Stunden der ‚Fantastischen Nacht‘ lässt sich der Baron ganz und gar ins Unbekannte fallen und findet ihn wieder: den Rausch des Lebens. Er wird dadurch zwar kein besserer Mensch, aber immerhin ein glücklicherer.“

Lesung mit Live-Soundtrack

Kino im Kopf
 Als Duo Phantasma servieren der Erzähler Michael Stülpnagel und der Musiker Johannes Weigle „emotionales Kopfkino“ im Scala. Die beiden Künstler verschränken dabei Text und Musik zu einer Lesung mit Live-Soundtrack, bei der das Stück und seine Sprache im Mittelpunkt stehen. Der Multi-Instrumentalist Weigle setzt mit stimmungsvoll arrangierten Kompositionen Akzente.

Die neue Produktion
 Stefan Zweigs Novelle „Fantastische Nacht“ in der Inszenierung als „Kino im Kopf“ durch das Duo Phantasma feiert am Sonntag, 24. September, um 17.30 Uhr Premiere in der Esslinger Scala (Blumenstraße 15). Weitere Vorstellungen sind jeweils sonntags um 17.30 Uhr am 8. und 29. Oktober, am 12. und 26. November und am 10. Dezember. Karten gibt es im Vorverkauf bei reservix.de sowie in der Buchhandlung Provinzbuch. Zusätzliche Infos unter www.richtungdichtung.de