DJ Robin und Schürze mit Kindern, Mitarbeiterinnen und ehrenamtlichen Helferinnen des Kinderhospizes. Foto: Pictures and press/Andy Werner

Ihre „Layla“ ist der Hit des Jahres 2022. DJ Robin und Schürze haben abseits von Spaß und Party noch eine andere, nachdenkliche Seite. Ein Besuch im Stuttgarter Kinderhospiz, der unter die Haut geht.

Im vom Sonnenlicht hell und freundlich erstrahlten Treppenaufgang der Jugendstilvilla, die der Bankier Ludwig Wittmann 1923 an der Diermershalde mit bester Sicht weit über den Talkessel hinaus erbaut hat, hängen Kraniche an Schnüren von der Decke. Aus Papier sind sie gefaltet. Es sind viele Kraniche, unzählig viele, die in allen Farben scheinbar federleicht baumeln, wie losgelöst von der Schwere des Lebens.

Der Kranich gilt als Vogel des Glücks. Christina Semrau, die DJ Robin und Schürze, die erfolgreichsten Chartsstürmer von 2022 in Deutschland, durch das Haus führt, erzählt mit gedämpfter Stimme, wie eine Mutter, die ihr Töchterchen im Kinderhospiz verloren hat, Kraniche gefaltet, all ihre Liebe und Trauer da reingesteckt hat. Sie konnte nicht aufhören. In Japan heißt es, wenn man 1000 Kraniche faltet, hat man einen Wunsch bei den Göttern frei. Die Mutter schaffte die 1000. Man kann gar nicht alle aufhängen. „Dann wurde die Frau schwanger“, sagt Semrau, die Botschafterin des Kinderhospizes, „und sie hörte auf mit dem Falten.“

Bald kommt der neue Song heraus – im Hospiz spielt das keine Rolle

In Bierzelten und auf dem Ballermann sind die Musiker zu Hause. Ihr Song „Layla“ war erst der Aufreger, dann der meistverkaufte Hit. In Kürze bringen DJ Robin und Schürze, zusammen mit Ikke Hüftgold, einen Song heraus, der mit dem Titel „Bumsbar“ und einem provozierenden Musikvideo aus einer katholischen Kirche erneut Verbote und Proteste auslösen könnte. Im Stuttgarter Kinderhospiz spielt all dies keine Rolle.

Clowns sind sie auf der Bühne, genießen ihren raketenmäßigen Durchbruch, lieben es, wenn sie Massen zum Toben bringen.

Doch das Leben ist härter als nur schön.

Der 27-jährige Robin Leutner und der 32-jährige Michael Müller alias Schürze wissen, dass es Menschen gibt, die sie angesichts ihrer Texte, die auf das Triebhafte ihres Publikums abzielen, für oberflächlich halten. Das ist ihnen egal. Sie wollen sich für das Glück, das ihnen ganz ohne Kranich vergönnt ist, bedanken, indem sie helfen, wo sie helfen können. Im „Quizduell“ der ARD haben die beiden 10 000 Euro gewonnen – dieses Geld spenden sie ans Kinderhospiz. Zur Scheckübergabe sind sie gegen 18 Uhr in die Diemershalde gekommen, wollen gegen 19 Uhr Freunde im Malo treffen. Doch dann bleiben die Ballermann-Stars zwei Stunden lang. Der Rundgang durchs Haus geht unter die Haut, macht sprachlos, traurig, wenn man etwa im Garten die Baumscheiben sieht, die, bunt bemalt, mit Namen versehen sind, die an die toten Kinder erinnern.

Im Abschiedszimmer schmerzt der Gedanke, was Eltern empfinden, die hier so lange mit ihrem toten Kind bleiben können, wie sie wollen, auch wenn es vier Tage sind.

Im Kinderhospiz riecht es nicht nach Krankenhaus

Im Essensraum gibt es eine Begegnung mit Kindern, die eine lebensverkürzende Krankheit haben. Eltern, Geschwister, ehrenamtliche Helfer sind dabei. Man spürt in dieser familiären Atmosphäre Fröhlichkeit, sieht Lächeln in Kindergesichtern. Einige Bewohner wollen aufs Fotos, andere nicht.

Im Kinderhospiz riecht es nicht nach Krankenhaus. Es riecht nach dem Leben.

„Unsere Gesellschaft verdrängt das Sterben“, bedauert DJ Robin. Dies will er nicht. Keiner wisse, wann er sterbe. „Der Tod kommt immer zum falschen Zeitpunkt“, sagt der Musiker und erzählt vom Sterben in seiner Familie und im Freundeskreis. Mit seiner Frau hat er die Doku „Sterben für Anfänger“ angeschaut. Dass RTL Tabus bricht, findet er gut. Sein Kollege Schürze sagt, es sei wichtig, ein Hospiz zu besuchen oder dafür Geld zu sammeln. Eigentlich sollte dies jeder tun. Für niemand gebe es eine Garantie, dass sein Glück ewig hält. Von heute auf morgen könne alles vorbei sein. Ein Bedürfnis ist es ihm, den Blick auf die zu richten, denen es nicht so gut geht wie ihm, um „geerdet“ zu bleiben, um trotz der Erfolge nicht abzuheben.

Es gibt auch schöne Geschichten aus diesem Haus

Das 2017 eröffnete Kinderhospiz ist nicht nur Sterbebegleitung. Es ist eine Chance für Familien, Kraft zu tanken und im Kontakt mit anderen zu spüren: Man ist nicht allein.

Es gibt schöne Geschichten aus diesem Haus. Christina Semrau erzählt von einer Mutter, die dachte, ihr Kind werde keine zwei Jahre alt. Jetzt ist es vier. Was bleibt, wird in vollen Zügen genossen. Nichts ist selbstverständlich. Jeder Tag ist ein Geschenk. Wie sinnlos wir Gesunden oft damit umgehen!

Ein Besuch im Hospiz wühlt auf. Danach sieht man sein Leben mit anderen Augen und erkennt, wie unwichtig vieles von dem ist, was einen sonst umtreibt. Über den neuen Song von DJ Robin und Schürze, der zum Aufreger werden könnte, reden wir nicht mehr. Die Welt verlangt anderes von uns.