„Das geht auf keine Kuhhaut“: Diese Wandmalerei in der Kirche St. Georg auf der Reichenau illustriert ein bekanntes Sprichwort. Foto: Uli Fricker/Uli Fricker

In einer Kirche auf der Insel Reichenau wird in einer Deckenmalerei im Hochchor ein altes Sprichwort illustriert. Das dient zur Mahnung.

Die Reichenauer waren schon immer anders. Das sagen am Bodensee alle Menschen, die nicht auf der Gemüseinsel wohnen und belustigt auf die insularen Bräuche schauen. Dieses Jahr feiert die Gemeinde ihren 1300. Geburtstag, dabei wird an die große klösterliche Vergangenheit erinnert. Auf die Eigenart der Insel stoßen die Besucher auch in den drei grandiosen Kirchen. Eine besonders originelle Darstellung findet sich in der Kirche St. Georg in Oberzell: Dort wird der Kampf der Geschlechter auf mittelalterliche Art und Weise ausgetragen – beteiligt sind dabei vier Teufel, ein Schreiberling sowie zwei Frauen, die angeregt schwatzen.

Denn darum geht es in dieser Wandmalerei, die auf das Jahr 1306 datiert wird: Das heitere Bild illustriert das alte Sprichwort „Was die reden, passt auf keine Kuhhaut.“ Die Kuhhaut ist deutlich zu sehen, vier Teufel ziehen an den Enden, um das Schreibmaterial breit zu spannen, damit viel drauf passt. Papier war um 1300 in Europa noch nicht verfügbar, deshalb waren Chronisten auf Tierhäute angewiesen. Die beiden Damen mit gotischen Hauben unterhalten sich. Ein krummer Schreiber schreibt derweil seine Mahnung auf die Kuhhaut. Diese lautet im Deutsch des Mittelalters: „Ich wil hie schribvn / von diesen tvmben wibvn / was hie wirt plapla gvsprochvn/ vppigs in der wochvn /das wirt allvs wol gvdaht /so es wirt für den richtvr braht.“ Übersetzt bedeutet das: „Ich will hier von diesen dummen Weibern schreiben. Was hier nichtiges Blabla in der Woche geredet wird, all dessen wird gedacht werden, wenn es einmal vor den Richter gebracht wird.“

Heiteres mit tiefem Sinn

Damit nimmt die Plauderei eine moralische Wendung. „Am Ende wird alles vor Gericht verhandelt“, sagt Karl Wehrle, einer der besten Kenner der Inselkirchen und selbst Reichenauer. Das Spottbild mit Frauen und Teufelchen dient also nicht zur Ablenkung von trockener Theologie, vielmehr stehe es im großen Zusammenhang. „Es geht ums Existenzielle in St. Georg“, sagt Wehrle, „es geht um den Tod und die Wunder, um die Auferstehung und das Jüngste Gericht.“

Die Deckenmalerei hält er nicht für speziell frauenfeindlich. Das Klischee vom Tratschweib habe es schon im Mittelalter gegeben, doch sei damit keine Abwertung der Frau gemeint, Männer seien auch nicht besser, meint Wehrle.

Die Kuhhaut im sakralen Raum sei „etwas Besonderes“. Die Darstellung erheitere und transportiere zugleich einen tieferen Sinn: Auch die Betrachtende wird sich eines Tages verantworten müssen. Nicht umsonst hängt die Darstellung im Hochchor, wenige Meter vom Altar entfernt. Ihre Farben verblassen allmählich, man muss genau hinsehen, um zu verstehen. die kuriose Konversation zu verstehen (die Kirche St. Georg schließt ab 20. April aus konservatorischen Gründen, Führungen um 11, 13 und 16 Uhr).

Bilder:

1.„Das geht auf keine Kuhhaut“: Diese Wandmalerei in der Kirche St. Georg auf der Reichenau illustriert ein bekanntes Sprichwort.

2.Humor des Mittelalters: Die beiden Frauen reden und reden, ein Teufelchen führt Protokoll

3.Dieser merkwürdige Schreiber mahnt die plappernden Frauen. Erstmals in einem deutschen Text taucht hier das Wort „Blabla“ auf (Zeile 5). Bilder: Uli Fricker