Jaroslav Rudiš ist Schriftsteller und außerdem Sänger der Kafka Band. Foto: Peter von Felbert

Zur Zeremonie mit der Verleihung des Mörike-Preises an den aus Tschechien stammenden Jaroslav Rudiš gibt es im kommenden Frühsommer in Fellbach ein umfangreiches Begleitprogramm mit Lesungen und Konzerten.

Literaturfreunde mit einem Faible für Dampfloks, Waggonkupplungen, Triebköpfe, Schlaf- und Speisewagen, Großraumabteile, Zugspitzen, Kursbücher, Hauptbahnhöfe oder Provinzgleise sollten sich die 20. Kalenderwoche des kommenden Jahres bereits jetzt vormerken. Denn am 15. Mai 2024 wird der 12. Mörike-Preis der Stadt Fellbach verliehen – und zwar an Jaroslav Rudiš. Auserkoren wiederum wurde er von dem als Vertrauensperson bestimmten Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Jan Wiele.

Jaroslav Rudiš – ein „Eisenbahnmensch“

Und der Autor Rudiš ist ausweislich einiger seiner Werke eben tatsächlich jener von Wiele skizzierte „Eisenbahnmensch“. Tragen seine Publikationen doch Titel wie „Winterbergs letzte Reise“ (2019 erschienen) oder „Gebrauchsanweisungen fürs Zugreisen“ (2021). „Seine Literatur handelt von zeitgenössischen Figuren in modernen Metropolen genauso wie von komischen Käuzen auf Reisen in die Vergangenheit“, urteilt Jan Wiele. Und: Rudiš sei mittlerweile „ein sehr eigentümlicher, unverwechselbarer Reiseschriftsteller geworden“, seine Werke seien „melancholisch, manchmal drastisch, immer gewitzt“.

Geboren am 8. Juni 1972 im nordböhmischen Turnov, wuchs er in Lomnice nad Popelkou auf, studierte später Germanistik, Geschichte und Journalistik in Liberec, Zürich, Prag und schließlich Berlin, wo er heute auch lebt. Rudiš ist ein Multitalent – als Schriftsteller, Dramatiker, Musiker und ehemaliger Lehrer. Zu seinen Werken gehören Romane, Theaterstücke, Kinodrehbücher, Graphic Novels, Animationsfilme. Für Wiele ist Rudiš „ein Schriftsteller von romantischem Format“. Sein auf Tschechisch begonnenes und auf Deutsch fortgeführtes Werk umfasst Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Hörspiele und literarische Reisetexte.

„Auf den ersten Blick eine überraschende Wahl“

Als eine „auf den ersten Blick sicher überraschende Wahl“, stuft Fellbachs Oberbürgermeisterin Gabriele Zull die Entscheidung Wieles ein: „Aber ein Preis wie der Mörike-Preis der Stadt Fellbach will immer auch den Horizont des literaturinteressierten Publikums erweitern und im Idealfall dieses Publikum vergrößern.“

Rudiš selbst sagt: „Ich freue mich sehr über die Anerkennung, und es ist mir eine große Ehre, in einer Reihe mit Schriftstellern zu stehen wie Wolf Biermann, den ich auch als Musiker sehr schätze, und W. H. Sebald, der einer meiner Lieblingsautoren ist und dem ich eng verbunden bin.“

Der Rockstar in der Kafka Band

Im Raum Stuttgart ist der 51-Jährige nicht nur bibliophilen Trüffelschweinen ein Begriff, schon mehrfach gastierte er mit seinem Freund Jaromir 99 mit der Kafka Band im Stuttgarter Literaturhaus bei der Liederhalle und präsentierte dort Performances zu „Das Schloss“ oder „Der Prozess“. In einer Konzertkritik hieß es einmal: „Diese Band bringt Kafka zum Swingen.“

Die Preisverleihung im Frühsommer ist, wie Kulturamtsleiterin Maja Heidenreich erläutert, eingebettet in ein Literaturfest unter dem Motto „Prosa, Pop und Poesie“. Auch Konzerte sind vorgesehen – ein Auftritt der Kafka Band im Begleitprogramm wäre natürlich die Krönung, mal sehen, ob das emsige Team des Kulturamts diesen Coup realisieren kann. „Einen Preisträger als Rockstar hatten wir jedenfalls noch nicht beim Mörike-Preis“, sagt Heidenreich.

Ebenfalls fürs Beiprogramm vorgesehen ist einige Wochen später eine Open-Air-Veranstaltung in den Tropfkörpern der ehemaligen Kläranlage Weidachtal im Stadtteil Oeffingen – dort gab es auch während der Remstal-Gartenschau schon etliche aufsehenerregende Events. Jetzt ist an eine Lesung sowie an eine Silent Disco gedacht, bei der man sich Kopfhörer überstülpen und unter freiem Himmel tanzen kann – während die übrigen Waldbewohner nicht von lauter House Music gestört werden.

Bereits jetzt aufmerken lässt überdies die vorgesehene Lesung mit beziehungsweise über drei bisherige Träger des Mörike-Preises. Jan Peter Bremer wird kommen, es gibt einen Abend zu W. G. Sebald – und tatsächlich soll auch der Gewinner von 2021 kommen: Leif Randt. Den hat man bisher nämlich noch nicht in Fellbach erleben können, weil die damalige Zeremonie coronabedingt zunächst immer wieder verschoben und dann komplett abgesagt wurde. Jetzt allerdings, verspricht Heidenreich, werde sie Randt nicht mehr vom Haken lassen.

Der Förderpreis geht an Alice Horáčková

Präsentieren darf sich im Mai außerdem die tschechische Schriftstellerin Alice Horáčková – ihr hat Rudiš den Förderpreis in Höhe von 3000 Euro zugedacht.

Das genaue Programm mit den exakten Terminen zum Literaturfest will das Fellbacher Kulturamt im Februar vorstellen.

Auftakt mit Wolf Biermann

Dreijähriger Turnus
Der mit 15 000 Euro dotierte Mörike-Preis der Stadt Fellbach wird im Wechsel mit der Triennale Kleinplastik und dem Europäischen Kultursommer alle drei Jahre verliehen. Zur jeweiligen Ehrung gibt es ein literarisches Beiprogramm.

Voraussetzungen
Ausgezeichnet werden deutschsprachige Schriftstellerinnen oder Schriftsteller, die durch die Qualität ihres Schaffens würdig erscheinen, im Namen von Eduard Mörike geehrt zu werden. Eduard Mörike lebte vor 150 Jahren stark zwei Monate, vom 11. September bis 16. November 1873, in Fellbach in der Lindenstraße 17.

Glattes Dutzend
Erster Preisträger war 1991 der Liedermacher Wolf Biermann. Ihm folgten Sigrid Damm, Winfried Georg Sebald, Robert Schindel, Brigitte Kronauer, Michael Krüger, Ernst Augustin, Jan Peter Bremer, Jan Wagner, Elbe Erb und zuletzt 2021 Leif Randt. Alle Preisträger sind im Mörike-Kabinett des Stadtmuseums mit Porträts, typischen Gegenständen und Hörstationen mit ihren Mörike-Reden vertreten. Weitere Räume widmen sich dem Aufenthalt des Dichters in Fellbach sowie „Mörike und den Frauen“.