Die Flüchtlingspolitik. Ein komplexes, sehr emotional besetztes Thema im Wahlkampf. Eines, um das sich viele Politiker vor Ort lieber drücken, wenn man nicht weiß, welche Befindlichkeiten auf einen niederprasseln. Das alles spielt für Stephanie Reinhold keine Rolle: „Ich kann mir die Welt doch nicht danach aussuchen, wie sie für mich am einfachsten wäre.“ Die Welt vielleicht nicht. Aber den Termin für die Stippvisite, an dem die Bundestagskandidatin der Grünen für den Wahlkreis Esslingen von der EZ begleitet werden will, sehr wohl. Mag ja sein, dass man auf Platz 25 der grünen Landesliste freier agieren kann als auf Platz zehn oder elf. Aber auch das lässt Stephanie Reinhold nur bedingt gelten: „Ich will einen engagierten Wahlkampf führen und ich will in den Bundestag.“
„We need you“
Jedenfalls hat sich die 41-jährige stellvertretende Bezirksvorsteherin der Stuttgarter Stadtteile Plieningen und Birkach für das Treffen mit dem Freundeskreis Asyl Ostfildern entschieden. „Die Integration, auch eine Integration auf Zeit“ ist für sie eine „Frage der Menschlichkeit“, das Thema eine „Herzensangelegenheit“. Dass die gebürtige Freiburgerin, die mit ihrer Familie vier Jahre lang in Peking und Tokio gelebt hat und im Scharnhauser Park zuhause ist, das ernst meint, zeigt ihr Projekt „We need you“. Die Einbindung von Flüchtlingen ins Ehrenamt hat die Verwaltungswirtin nicht nur zum gelebten Programm in Birkach und Plieningen gemacht, sondern auch zum Thema ihrer Masterarbeit an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg, wo sie Public Management studiert hat.
Als Ort für ihr Treffen mit den Ehrenamtlichen aus der Flüchtlingsarbeit hat sie sich den Stand von Joseph Khoury aus Aleppo und seiner Familie ausgesucht, der sich nach einer schwierigen Flucht in der Markthalle im Scharnhauser Park eine neue Zukunft aufgebaut hat. „Die Integration läuft klasse bei Geflüchteten, die anerkannt worden sind“, erzählt Ursula Zitzler vom Freundeskreis. Schwierig wird es bei den Menschen etwa aus Pakistan, Gambia oder Togo, die hier leben und arbeiten (wollen), aber wenig Chancen haben, bleiben zu dürfen. Trotz Ausbildungsduldung lägen die Hürden der Bürokratie hoch, und die Behörden nutzten ihren Spielraum nicht immer zugunsten der Betroffenen, klagen die Ehrenamtlichen. Am Tisch sitzt Ali Butt aus Pakistan, der ein paar Tage zuvor seinen Abschiebungsbescheid erhalten hat. Daneben Alexander Konlechner, Chef eines Malerbetriebs, bei dem er auf 450-Euro-Basis gearbeitet hat und der ihn gerne ganz einstellen würde. Dazwischen steht die vermeintliche Sicherheit der Betroffenen in ihren Herkunftsländern, in deren Einschätzung sich auch der grüne Landesvater Winfried Kretschmann nicht immer großzügig im Sinne der Asylsuchenden gezeigt hat. Reinhold: „Wir Grünen sind für ein Einwanderungsgesetz.“ Die Einwanderung müsse vernünftig geregelt werden.
Dass es unabhängig von den Neuankömmlingen für die Menschen in der Region schon lange viel mehr und viel billigere Wohnungen geben müsste, steht für sie außer Frage. Doch wie lässt sich das grüne Wohnungsprogramm in einem Ballungsraum realisieren, in dem die Bebauung nahezu jeder Freifläche ein ökologischer Verlust ist? „Wir sind dafür, dass die Innenentwicklung vor der Außenentwicklung stehen muss.“ In der Grundsatzfrage gehe aber bezahlbarer Wohnraum schon vor, so die grüne Bundestagskandidatin. Reinhold weiß auch, dass die Feinstaubproblematik die Menschen beschäftigt. Fahrverbote will sie keine, wohl aber eine saubere Mobilität mit den Partnern Bahn, ÖPNV, Fahrrad und Fußgängern in Kombination mit E-Fahrzeugen und dem Ausbau der erneuerbaren Energien auf 100 Prozent.
Ihr Antrieb, sich für die Bundespolitik zu bewerben, ist jedoch der Kampf gegen die soziale Ungerechtigkeit. Als Dienststellenleiterin im Bereich Soziale Leistungen hat sie in ihrem Stuttgarter Bezirksrathaus oft erfahren, dass bei Weitem nicht alle vom zunehmenden Wohlstand in diesem Land profitieren. Auf der Folie ihres eigenen familiären Hintergrunds wisse sie um die Schwierigkeiten, in einem kleinen Familienbetrieb Kinder großzuziehen und noch fürs Alter vorzusorgen. Deshalb setze sie sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine Garantierente ein.
Politikerin mit Verwaltungserfahrung
Werdegang: Stephanie Reinhold ist am 29. Dezember 1975 in Freiburg geboren. Ihr Studium (1995 bis 1999) an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl hat sie als Diplom-Verwaltungswirtin abgeschlossen. Knapp eineinhalb Jahre lang leitete sie die Studentische Abteilung der Hochschule für Technik in Stuttgart. Von 2003 bis 2009 war sie Sachbearbeiterin im Bereich Soziale Leistungen in den Bezirksämtern in Stuttgart-Sillenbuch und -Degerloch, seitdem ist sie stellvertretende Bezirksvorsteherin im Stuttgarter Bezirksamt Plieningen-Birkach. Während dieser Zeiten war Stephanie Reinhold zweimal aufgrund von Auslandsaufenthalten beurlaubt. Zudem hat sie ein berufsbegleitendes Studium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg mit dem Master in Public Management abgelegt. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern im Scharnhauser Park.
Politisches Engagement: Stephanie Reinhold ist seit Februar 2011 Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und seit Oktober 2015 im Ortsvorstand in Ostfildern.