Das Kreissparkassenmobil wird von den Bewohnern, hier in Reichenbach, sehnsüchtig erwartet. Doch die Warteschlangen werden kürzer, weil weniger Flüchtlinge ankommen und weil viele inzwischen ein Girokonto haben. Quelle: Unbekannt

Von Petra Pauli

Der weiße Sprinter mit dem roten Logo der Kreissparkasse wird in Hochdorf schon erwartet. Kaum hat der Bus eingeparkt - aus Sicherheitsgründen muss er in Fluchtrichtung, also gen Ausgang stehen - kommen schon die ersten Bewohner der Flüchtlingsunterkunft. Sie helfen dem Fahrer, das Verlängerungskabel abzurollen, das den Bus mit der Unterkunft verbindet und Strom für Klimaanlage, Sicherheitstechnik und Videoüberwachung liefert. Das Sparkassenmobil für Flüchtlinge ist in der Region einmalig. Die Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen hat einen gemieteten Transporter zur Auszahlstelle umbauen lassen und versorgt damit die Flüchtlinge im Kreis mit Bargeld. Immer zum Monatsende ist die rollende Geschäftsstelle mit gepanzertem Kassenraum unterwegs und fährt bis zu 16 Unterkünfte an.

Die Flüchtlinge müssen sich stets zwei Mal anstellen. Zuerst in der Schlange vor dem Zimmer, in dem zwei Mitarbeiterinnen des Landratsamtes die Barschecks ausgeben und kontrollieren, ob er dem Richtigen ausgehändigt wird. Dann nochmals vor dem Bus, der innen aussieht wie eine Mini-Filiale. Einsteigen darf immer eine Person. Nur der Haushaltsvorstand bekommt den Betrag ausgezahlt, hier sind das augenscheinlich immer die Männer. Andreas Braun, der den Bus fährt, und zusammen mit seiner Kollegin Nicole Ehehalt hinter dem Sicherheitsglas das Geld abzählt, ist begeistert, wie geordnet die Auszahlungen ablaufen. Nicht nur in Hochdorf, wo viele Familien wohnen, sondern auch in Reichenbach, der zweiten Station des Tages. „Das funktioniert immer so toll und die Leute sind so freundlich“, sagt der KSK-Mitarbeiter, der sich freiwillig für den Einsatz im Sparkassenmobil gemeldet hat. Als einmal das Fahrzeug kaputt war und es so aussah, als ob das Bankmobil festsitzt, habe ein Asylbewerber kurzerhand seine Bettdecke geholt, sich unter den Wagen gelegt - und den Schaden repariert, erzählt er.

Wie hoch die Asylleistungen sind, die die Flüchtlinge heute ausbezahlt bekommen, dürfen die Bankmitarbeiter nicht verraten, das könnte Rückschlüsse auf den Wert der Fracht zulassen. Im Tresor lagert jeweils das Geld für eine Tagestour. Je nach Familienstand und anderen Faktoren, zum Beispiel, ob die Flüchtlinge selbst kochen müssen, variiert die Einzelauszahlung. Fest steht aber: Es sind sehr ungerade Beträge. Andreas Braun und seine Kollegin müssen in Windeseile nicht nur Scheine, sondern auch Cent-Münzen abzählen.

Alternative zum Ansturm

Damit es schneller geht, hatten die beiden anfangs Standardbeträge vorbereitet und in Umschläge verpackt. Inzwischen ist der Andrang aber nicht mehr so groß, weil weniger Flüchtlinge nach Deutschland kommen und viele Asylbewerber mittlerweile ein Girokonto haben und sich ihr Geld selbst am Automaten abholen können. Möglich macht dies ein erst im Juni in Kraft getretenes Gesetz. Dass die Mitarbeiter des Landratsamtes das Geld ohne den Umweg über Barschecks auszahlen, ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich. „Bei so großen Summen an Bargeld ist das Risiko eines Überfalls viel zu groß“, sagt Daniel Gohlke, der mit dem Landratsamt die Einsätze des Mobils koordiniert. Alle Unterkünfte, die groß genug sind, sprich, in denen mindestens 50 Schecks pro Einsatz eingelöst werden, fährt die Kreissparkasse an.

Landrat Heinz Eininger, der auch Verwaltungsratsvorsitzender der Kreissparkasse ist, lobt den Service des Kreditinstituts: „Die Kreissparkasse gewährleistet so die pünktliche Auszahlung in den Gemeinschaftsunterkünften und ist mit ihrem Engagement für den Landkreis bei der Betreuung der Flüchtlinge ein wichtiger und zuverlässiger Partner.“ Ganz uneigennützig ist der Einsatz aber nicht, er dient auch der Entlastung in den Filialen. „An unseren größeren Standorten wollten bis zu 370 Flüchtlinge am selben Tag Geld abholen. Das hat den Normalbetrieb in den betroffenen Filialen weitgehend blockiert“, schildert der Vorstandsvorsitzende Burkhard Wittmacher die Situation, wie sie sich seit Herbst 2015 in den Außenstellen abspielte. Die Idee zu der fahrbaren Filiale kam übrigens Albrecht Bluthardt, der bei der KSK für Arbeitssicherheit zuständig ist. Andere Banken setzen solche Mobile bereits in ländlichen Gebieten für ihre Kunden ein.

Die monatliche Bargeld-Tour ist für die Sparkasse eine organisatorische Herausforderung, denn die Unterkünfte müssen alle innerhalb von wenigen Tagen angefahren werden. „Die Menschen sind auf das Geld angewiesen und sollen es deshalb zeitnah bekommen“, sagt Daniel Gohlke.

Nach einer Stunde haben die Hochdorfer Flüchtlinge ihr Geld abgeholt. Andreas Braun und sein Team warten trotzdem noch ein bisschen. Schließlich ist gerade Ramadan. In größeren Einrichtungen macht er zusammen mit den Sicherheitskräften manchmal lautstark auf sich aufmerksam, um die Langschläfer zu wecken. Erst dann rollt er sein Verlängerungskabel wieder ein - und fährt weiter.

Jeder hat Anspruch auf ein Konto

Konto für Jedermann: Seit dem 19. Juni hat jeder Bürger das Recht auf ein Girokonto. Die sogenannte Zahlungskontenrichtlinie soll vor allem Obdachlosen zugute kommen und Asylsuchenden, die mit Duldung in Deutschland leben. Mit dem Zahlungskontengesetz wurde eine Richtlinie der EU umgesetzt. Es werden alle Geldhäuser verpflichtet, Menschen ohne festen Wohnsitz auf Wunsch ein Basiskonto auf „Guthabenbasis“ einzurichten.Seit 1995 gibt es für die Einrichtung sogenannter Jedermann-Konten in Deutschland zwar eine Selbstverpflichtung der Banken. Die Politik war mit der Umsetzung der freiwilligen Maßnahmen aber unzufrieden.

Basiskonto:Einzige Voraussetzung für die Einrichtung des Basiskontos ist, dass sich die Bürger legal in der EU aufhalten. Der Inhaber des Basiskontos erhält eine Bankkarte und darf Geld überweisen. Er kann aber sein Konto nicht überziehen.

Steigende Zahl der Kontolosen:Nach früheren Schätzungen sollen etwa 670 000 Menschen in Deutschland kein Konto gehabt haben. Spätestens seit dem Flüchtlingsandrang im September vergangenen Jahres war klar, dass die Zahl der „Kontolosen“ rapide steigen dürfte. Das im März auch im Bundesrat endgültig gebilligte Gesetz, das jetzt seit Mitte Juni in Kraft ist, soll Schätzungen zufolge etwa einer Million Menschen zugute kommen.