Der Neubau ist derzeit nicht bewohnbar, weil die Standsicherheit massiv gefährdet ist. Foto: Jacques Quelle: Unbekannt

Im Herdfeld in Kirchheim steht ein Neubau, der offensichtlich einzustürzen drohte: Weil Gefahr im Verzug war, hat das Bauordnungsamt das Betreten des Gebäudes verboten. Beteiligt am ganzen Geschehen waren gleich mehrere Ämter der Stadtverwaltung. Zwang mussten sie nicht ausüben.

Von Andreas Volz

Christoph Lazecky vom Ordnungsamt berichtet vom Abend der Evakuierung: „Wenn wir das Gebäude nicht räumen lassen, obwohl wir von der Gefahr wissen, und wenn es dann tatsächlich einstürzt, machen wir uns strafbar.“ Deshalb seien Mitarbeiter des Ordnungsamts vergangene Woche angerückt, ausgestattet mit Platzverweisen und unterstützt von der Polizei, die die Platzverweise notfalls gegen den Willen der Bewohner hätte durchsetzen müssen. Für keinen der Beteiligten ist es eine angenehme Situation, erst recht nicht für die Bewohner. Wer geht schon gerne für längere Zeit aus seiner Wohnung? Aber alle zeigten sich einsichtig, berichtet Lazecky. Alle Bewohner seien vorübergehend bei Freunden oder bei Verwandten untergebracht. Im Zweifelsfall müsste die Stadt für eine Unterkunft sorgen, da die Menschen rechtlich als obdachlos einzustufen sind.

In einer baurechtlichen Entscheidung untersagt die Stadt die Nutzung und das Betreten des Gebäudes. Ausgenommen sind Fachleute, die das Haus untersuchen oder mit der Sicherung beziehungsweise der Sanierung beauftragt sind. Die Bewohner dürfen das Haus erst wieder betreten, „wenn ein Prüfingenieur schriftlich bestätigt, dass keine Bedenken zur Standsicherheit mehr bestehen“. Zum Hintergrund des Falls heißt es im Bescheid: „Auf Veranlassung eines Bewohners wurde die Ursache für die am Gebäude vorhandenen Rissbildungen untersucht.“ Dabei habe sich herausgestellt, dass bei Pfeilern im Erdgeschoss und auch im ersten Stock eine „massive Überbelastung“ gegeben sei. Ein weiterer Fachmann habe das bestätigt: Rein rechnerisch sei jederzeit zu erwarten, dass die Pfeiler schlagartig versagen könnten. Dann würde das gesamte Gebäude ohne Vorwarnung einstürzen.

Weil für alle Bewohner Lebensgefahr bestanden hätte, sah die Stadt sich gezwungen, die Evakuierung anzuordnen. Die Bedrohung für das Leben der Bewohner sei deutlich höher einzustufen als deren „Interesse am Verbleib im Gebäude“. Der Bescheid war sofort zu vollziehen. Die Bewohner könnten Widerspruch dagegen einlegen, aber der hätte keine aufschiebende Wirkung. Wie geht es mit dem Gebäude jetzt weiter, und wann können die Menschen wieder zurückkehren in ihre Wohnungen? Der Bauträger hat sofort reagiert: Im Erdgeschoss und im ersten Stock gebe es inzwischen provisorische Stützen, teilte Geschäftsführer Bernhard Most mit.

Über das weitere Vorgehen und die Frage, wie das Gebäude zu sanieren und zu sichern ist, werde entschieden, sobald die Statiker ihren Bericht mit entsprechenden Vorschlägen vorgelegt haben. Zuversichtlich ist Most, was das Dachgeschoss betrifft: „Ich gehe davon aus, dass die Wohnungen im Dach schon Anfang nächster Woche wieder bezogen werden können.“

Viel mehr kann er noch nicht sagen. Wann also die Wohnungen im Erdgeschoss und im ersten Stock wieder freigegeben werden können, ist noch völlig unklar. Als Ursache für das gesamte Problem nennt Bernhard Most die fehlerhaften Berechnungen eines früheren Statikers, auf die man sich verlassen habe. Dieser Statiker sei in der Zwischenzeit aber gestorben.

Das macht die rechtliche und die versicherungstechnische Aufarbeitung der ganzen Geschichte nicht einfacher. Es ist durchaus denkbar, dass sich die Geschichte noch lange hinzieht. Eines aber stand für Most gleich fest, als er von der Einsturzgefahr erfahren hat: „In so einem Fall müssen wir natürlich sofort reagieren und erste Maßnahmen ergreifen, unabhängig davon, was später eine Versicherung dazu sagen wird. Hier geht es schließlich um Menschen.“