Bernd Michael Lade und Maria Simon sind am Film-Set und privat ein ganz starkes Team. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Man könnte es sich einfach machen und die beiden auf ihre populärsten Rollen als „Tatort“-Kommissar Kain und „Polizeiruf 110“-Kommissarin Lenski reduzieren. Doch das würde Bernd Michael Lade und Maria Simon nicht gerecht werden. Die beiden, die privat ein Ehepaar sind, haben sich nicht nur als facettenreiche Schauspieler einen Namen gemacht, sondern auch als Musiker - und als Filmemacher. Mit dem Kammerspiel „Das Geständnis“, das Simon und Lade nun im Kommunalen Kino Esslingen vorstellten, ist ihnen ein Film gelungen, der zeigt, wie sich die DDR in ihrer Erinnerung anfühlt. Doch die Geschichte reicht tiefer. Bernd Michael Lade, der für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, hat diesen ambitionierten Film mit Maria Simon produziert. Ohne Förderung, dafür mit umso mehr Herzblut.

Man spürt, dass der Film ein Herzensanliegen ist. Wie lange sind Sie mit der Idee umgegangen?

Lade: Für mich stand es schon lange fest, etwas zur DDR-Problematik zu machen - allerdings etwas Universelleres, das nicht allein mit der DDR zu tun hat. Der Film zeigt nicht, wie DDR in meiner Erinnerung aussieht, sondern wie sich DDR in meiner Erinnerung anfühlt. Auf den ersten Blick ist es eine Kriminalgeschichte über die Arbeit der Morderuntersuchungskommission in Ost-Berlin. Doch in der Geschichte dieser Kriminalisten zeigt sich ganz viel, was diese Gesellschaft ausgemacht hat und wie sich ihre Strukturen schließlich aufgelöst haben.

Ist dieses DDR-Gefühl, von dem Ihr Mann gesprochen hat, für Sie noch immer ebenso präsent?

Simon: Ja, total. Ich bin bis zu meinem 14. Lebensjahr damit aufgewachsen und hatte schon in meiner Kindheit ganz eigene Konfrontationen. Als ich das Drehbuch gelesen habe, war sofort ganz viel wieder präsent für mich - angefangen mit der Sprache. Das hat mich sofort zurückversetzt in diese Zeit und war mir nicht fremd.

Lade: Ich habe nie wirklich in der DDR gelebt, sonst hätte ich diesen Film gar nicht machen können. Ich musste da leben. Trotzdem bin ich geblieben. Das Brot, die Milch, die Butter und ein paar Leute, das habe ich gemocht. Wie sich die DDR in meiner Erinnerung anfühlt, ist gar nicht so leicht zu sagen. Wahrscheinlich musste ich erst diesen Film machen, um mir darüber vollends klar zu werden. Damit ist das Thema DDR für mich abgeschlossen. Mit diesem Film habe ich alles gesagt, was dazu zu sagen ist.

Ist das Thema nicht ein viel universelleres? Opportunismus, Intrigantentum, Egoismus, vorauseilender Gehorsam, Feigheit und vieles andere, dem wir in den Figuren des Films begegnen, ist mit der DDR doch nicht verschwunden ...

Simon: Ich habe Bernd auch deshalb so unterstützt, weil ich vieles wiederentdecke. Wir müssen wachsamer sein, wie wir miteinander umgehen. Und wir müssen genau beobachten, was uns übergestülpt wird, welchen Vorschriften wir hinterherrennen und welche Ängste uns wieder umtreiben. Dies und jenes darf nicht gesagt werden, und wenn man’s trotzdem tut, wird man entsprechend bewertet. Einerseits geht es in diesem Film um die DDR, aber auch darum, anhand von Historischem die Wachsamkeit wieder zu schulen. Das sind wir unseren Kindern schuldig, die uns sonst irgendwann einmal fragen könnten: „Warum habt Ihr nichts gesagt?“

Lade: Die DDR musste gehen, viele Probleme bleiben bestehen. Dieser Film will auch eine Parabel auf die Gesellschaft sein - nicht nur die der DDR. Ich würde mir wünschen, dass ihn ganz viele Schüler anschauen, und dass ihn auch ganz viele Polizisten sehen.

Als Vorlage hatten Sie Aufzeichnungen eines gestandenen DDR-Kriminalisten, der aus Rücksicht auf seine Kollegen nur unter Pseudonym genannt werden will. Wie ist daraus das Drehbuch entstanden?

Lade: Ich hatte schon länger vor, einen Film über meinen Freund zu machen, der zehn Jahre dort gearbeitet hat. Und je älter ich wurde, desto klarer wurde mir, dass man am Beispiel einer solchen Mordkommission ganz viel zeigen kann. Ein Mensch ist umgebracht worden, und in dieser existenziellen Situation muss etwas passieren. Was ich so reizvoll finde: „Das Geständnis“ ist kein dramatischer, sondern ein epischer Film mit dramatischen Vorgängen. Die Textvorlage gab den Grundkonflikt vor, und daraus habe ich dann vor dem Hintergrund meiner eigenen DDR-Erfahrung meine Texte entwickelt. Es ging mir nicht nur um die Geschichte, sondern auch darum, meine Sicht auf die DDR zu formulieren. Ich schreibe alles in einem bestimmten Rhythmus. Meine Aufgabe als Regisseur ist es dann, das so an die Leute ranzubringen, dass es normal klingt.

Sie haben sich ganz bewusst auf das Schauspiel konzentriert und jedes unnötige Beiwerk weggelassen. Kann man diese Geschichte gar nicht anders erzählen?

Lade: Wenn man ohne Geld einen Film realisieren will, geht das nur, wenn man sich aufs Schauspiel konzentriert. Aber auch wenn ich ein viel größeres Budget zur Verfügung gehabt hätte, hätte ich diesen Film nicht anders gemacht, weil man sich nur so auf das Wesentliche konzentrieren kann.

Die Reduktion aufs Schauspielerische bedeutet umso mehr Verantwortung für die Schauspieler. Da muss jeder Wimpernschlag sitzen, damit das Gefüge funktioniert ...

Lade: Da ist schon was dran. Eigentlich ist es traurig, dass man darüber reden muss, schließlich ist es ja unser Beruf, alles möglichst perfekt rüberzubringen. Aber wahrscheinlich ist das heutzutage doch nicht mehr ganz so selbstverständlich. Wir hatten richtig gute Leute, bei denen das kein Thema war.

Ist es einfacher, solch ein Projekt auf eigene Faust zu stemmen, wenn man sich als „Tatort“- oder „Polizeiruf“-Kommissar bereits einen Namen gemacht hat?

Lade: Die Arbeit beim „Tatort“ hat mir wichtige Erfahrungen gebracht und vieles ermöglicht. Allerdings finde ich es schade, dass viele uns nur darauf reduzieren und nicht sehen, dass wir viel mehr tun. Viele wissen nicht, dass ich auch Autor und Regisseur bin. Ich hoffe, dass sich das mit jedem Projekt weiter herumspricht. Viele denken: Der ist aus dem „Tatort“ gesprungen und macht mal eben einen Film.

Wie ist das, wenn Ihr Mann schreibt und später inszeniert: Tauschen Sie sich ständig aus?

Simon: Bernd schreibt für sich, aber natürlich gibt es schon während der Entstehung des Drehbuchs immer wieder Momente, in denen er mich nach meiner Meinung fragt. Und er hat auch als Regisseur eine klare Vision. Er geht vorher alles im Kopf durch und bringt jede Szene auf den Punkt. Weil er sehr musikalisch ist, stimmt der Rhythmus perfekt. Bei diesem Film hat er das Drehbuch geschrieben, produziert, Regie geführt und mitgespielt. Das ist unheimlich viel, aber die Fülle der Herausforderungen hat sein ganzes Power-Potenzial aktiviert. Bernd und ich haben einen ganz ähnlichen Geschmack. Es ist toll, wenn man sich so gut ergänzt und in einer Ehe gemeinsam kreativ sein kann.

Interview: Alexander Maier

Davon erzählt „Das Geständnis“

Alles beginnt im Juni 1988 in einem Büro der Morduntersuchungs-kommission der Berliner Kriminalpolizei. Die DDR sieht sich noch immer fest gefügt, doch unter der Oberfläche brodelt es gewaltig: Während die einen aus Überzeugung oder schlicht aus Opportunismus immer noch den offiziellen Ritualen folgen, reagieren andere auf den real existierenden Sozialismus längst mit Gleichgültigkeit und manche sogar mit Ablehnung - so wie der störrische Micha (Bernd Michael Lade), der nicht länger akzeptiert, dass nicht sein darf, was nicht ins offizielle Bild passt. Als ein Verbrechen „im Namen des Sozialismus“ vertuscht werden soll, umgeht er bewusst die Vorgaben und ermittelt in eine andere Richtung, die seinen linientreuen Kollegen gar nicht gefällt. So wird das Büro der Morduntersuchungskommission zum Brennspiegel gesellschaftlicher und politischer Verwerfungen in einem untergehenden Staat. Und so zeigt dieser Film Erhellendes über die Natur des Menschen - nicht nur in der DDR.