Foto: Archiv Andy Lang /oh - Archiv Andy Lang /oh

Ein Modell wird „Königswelle“ genannt, ein anderes „Wittwenmacher“. Es handelt sich um Motorräder, die Jörg Lorz aus Neuhausen besitzt. Der Sammlung nennt mehr als 20 Motorräder sein eigen – es sind allesamt Oldtimer.

NeuhausenMit 16 Jahren fand Jörg Lorz seine große Liebe. Seitdem ist er nicht mehr derselbe. Die Rede ist von Motorrädern. Davon hat der Neuhausener nicht nur eines, sondern 21. Die stehen nicht etwa in seinem Garten, sie sind quer über die Fildergemeinde verteilt: Ein paar lagern in seiner Werkstatt im Wohnhaus, manche in einer Garage, andere in einer Scheuer. Lorz‘ Sammlung verrät untrüglich, dass er Oldtimer-Fan ist. Etwa die Hälfte seiner Lieblinge ist fahrtauglich. Wenn er von Motorrädern spricht, fällt schnell auf: Dieser Mann weiß, wovon er redet.

Mit 28 begann der Zweiradfreak seine Sammelkarriere. Schleichend, unbewusst und ungeplant. Denn eigentlich hatte er nie vor, einmal mehr als 20 Motorräder zu besitzen. Über persönliche Kontakte und Käufe von Maschinen in einem schlechten, reparaturbedürftigen Zustand ist seine Sammelleidenschaft gut finanzierbar. Dabei geht es Lorz nicht so sehr um das Sammeln selbst, vielmehr steht die Arbeit am Objekt im Vordergrund. Das Basteln, das Restaurieren, das Tüfteln. Sein Glanzstück: Eine Ducati 900 SS. Diese „Königswelle“ mit 70 Pferdestärken ist seine Lieblingsmaschine. Damit ist Lorz sogar in dem Buch „101 Bikes and Faces“ vertreten. Es wurde von den Machern der „Glemseck 101“ herausgegeben, der größten Open-Air-Veranstaltung für Motorradfans in Deutschland.

Von Neuhausen nach Marokko

Mit Glanz in den Augen erzählt der Hobbyschrauber von früheren Urlaubsreisen. Tausende Kilometer fuhr er mit seinen treuen Gefährten über Stock und Stein. Die längste Reise führte ihn von Neuhausen nach Marokko, 3000 Kilometer hin, 3000 Kilometer zurück. Damals mit einer Yamaha 500 XT, die die berühmte Enduro-Baureihe bekannt machte. Lorz, der Versorgungstechnik studierte, liebt es, mit dem Motorrad zu reisen: „Es ist einfach viel intensiver, man nimmt die Umgebung anders wahr.“ Dabei wolle er allerdings nicht das Freiheits-Klischee der Biker bedienen. Mit dem Motorrad herumfahren sei für ihn nicht die ultimative Form der Freiheit, aber das müsse es auch gar nicht sein.

Dem 63-jährigen sieht man Baujahr und Kilometerzahl nicht an, seinen Maschinen auch nicht. Momentan werkelt er an einer alten Honda Eckert CB 750, die 1999 zum „Motorrad des Jahrhunderts“ gewählt wurde. Da nur ein Projekt langweilig wäre, schraubt er nebenher noch an einer alten Kawasaki, einem „rat bike“ – Rattenrad. Diesem Gefährt hat Lorz absichtlich einen Rost-Look verpasst. Doch was bewegt diesen Mann, einen erheblichen Teil seiner Freizeit an Motorrädern herumzuschrauben? Für Jörg Lorz ist der Weg das Ziel: Das Erfolgserlebnis am Ende gefällt ihm, doch der Prozess selbst steht für ihn im Vordergrund.

Seine wildesten Sammelzeiten sind vorbei. Knapp 30 Motorräder waren mal in Lorz‘ Besitz. Letztens hat er zwei verkauft, denn: „Man fährt sowieso immer mit den gleichen.“ Das habe sich gelohnt, Retro sei wieder in Mode, so Lorz. „Manche Motorräder sind Aktien.“ Er meint damit alte Prachtstücke: Kawasaki-Klassiker, Ducatis, Egli-Hondas. Wenn er mit seiner „Königswelle“ unterwegs ist, dann am liebsten auf der Schwäbischen Alb oder im Tannheimer Tal. Sie ist die einzige, die regulär angemeldet ist; alle anderen Retro-Modelle hat er mit der „07er-Nummer“ registriert, also dem roten Wechselkennzeichen für Oldtimer. Und Oldtimer sind es wirklich: Das jüngste Motorrad des 63-jährigen ist Baujahr 1977, das älteste 1970. Letztere, eine Kawasaki Mach III 500, wird auch „Witwenmacher“ genannt – dieser makabre Szenebegriff trägt bittere Wahrheit in sich. Viele Fahrer sagen dem Motorrad ein schwieriges Eigenleben nach, das mit zunehmender Geschwindigkeit gefährlich werde.

Solange Jörg Lorz‘ Werkstatt kein Eigenleben entwickelt, schraubt, werkelt, tüftelt, konstruiert und fährt er munter weiter.