Amelie Wendnagel büffelt in der Foto: Lg/ Zweygarth - Lg/ Zweygarth

Die Schülerschaft am Abendgymnasium der Stuttgarter Volkshochschule hat sich verändert, immer weniger Erwachsene holen ihren Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg nach. Oft scheitert es am Selbstbewusstsein.

StuttgartWährend die Stuttgarter Volkshochschule (VHS) ihr Kursangebot ausweitet und für die stetig wachsende Teilnehmerschar kaum noch Räume hat, leidet ihr Abendgymnasium im Neubau bei den Wagenhallen unter Schülerschwund. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre hat sich die Schülerschar um mehr als die Hälfte verringert: von 647 auf aktuell 319. Auch die Zusammensetzung hat sich geändert: „Wir haben Anfängerklassen mit bis zu 75 Prozent Migranten“, sagt Schulleiterin Silvia Greif. Und bis zu 20 Prozent Abbrecher, meist im ersten Schulhalbjahr.

Den Schülerrückgang führt Greif auf die gute Wirtschaftslage und die flexibleren Arbeitszeiten zurück. Und: „Der erste Bildungsweg ist transparenter und durchlässiger geworden.“ Manchen Schülern falle aber auch der Einstieg in den zweiten Bildungsweg schwer: „Sie melden sich an, trauen sich das dann aber doch nicht zu“, so Greif. Das bestätigt auch Angelika Stegmeyer, die unterrichtet und die Schüler auch als Psychologin betreut. Viele Schüler litten unter Selbstzweifeln, fühlten sich als Versager, sobald die ersten Leistungsanforderungen kämen oder sie Fehler machten. „Die Motivation ist da, die wollen lernen – aber die haben nie beigebracht gekriegt, wie Bildung geht“, sagt sie. „Früher bestand unser Klientel aus Erzieherinnen, Verkäuferinnen, Polizisten – heute haben wir mehr Leute, die keine Ausbildung geschafft und nach der Schule nur gejobbt haben, jetzt aber sagen: Ewig will ich das nicht machen.“

Auf diese veränderte Situation hat das Abendgymnasium reagiert: „Mit ‚first steps“ versuchen wir den Einsteigern zu vermitteln: Ihr könnt alle was“, berichtet Stegmeyer. An vier Terminen mit der ganzen Klasse gehe es um Eigenreflexion, auch in Form von Spielen. Auch die sprachlichen Voraussetzungen seien bei vielen Schülern andere als früher, besonders bei Flüchtlingen. Deshalb habe man die Deutsch-plus-Klasse eingerichtet.

Für Schüler, die aufgrund ihrer Berufstätigkeit flexiblere Lernzeiten brauchen, wurde vor zwei Jahren die Blended-Learning-Klasse eingeführt. Sie bietet eine Mischform aus Präsenz- und Online-Unterricht, setzt aber einen Mindestrealschulabschluss von 3,0 voraus. Und: „Man braucht eine wahnsinnige Selbstdisziplin“, berichtet Biolehrer Lars Weishaupt. Die ersten sechs Teilnehmer stehen kurz vor dem Abi, die Hälfte des Jahrgangs sei aber bereits nach der Fachhochschulreife abgegangen, einer Schülerin sei das alles „zu gehetzt“ gewesen, sie sei auf die Präsenzklasse umgestiegen. Greif hofft, dass sie mit den 134 000 Euro aus dem Digitalpakt i-Pads beschaffen kann. Manche Schüler besäßen keinen Laptop und erledigten alles mit ihrem Smartphone.