Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) und Max Frisch (Ronald Zehrfeld) Foto: MFA/Alamode

Margarethe von Trotta ist fasziniert von mutigen Frauen. Ihr Film über Ingeborg Bachmann und deren Liebe zu Max Frisch ist jedoch unfair.

Als sie 1959 den Hörspielpreis der Kriegsblinden entgegennimmt, sagt Ingeborg Bachmann: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ Aber die Wahrheit ist kompliziert und selten exakt, weil sie im Auge des jeweiligen Betrachters entsteht.

„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ ist das jüngste Biopic der Filmemacherin Margarethe von Trotta über eine berühmte Intellektuelle nach „Rosa Luxemburg“ (1986) und „Hannah Arendt“ (2012). Sie schildert zumindest eine lange verfochtene Version der Wahrheit über die schwierige Romanze zwischen der Dichterin (Vicky Krieps) und dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch (Ronald Zehrfeld). Die beginnt 1958 in Paris, wo sich die beiden erstmals begegnen. Frisch ist fasziniert von Bachmanns Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ und verliebt sich Hals über Kopf. Bald lädt er Ingeborg zu sich nach Zürich ein, doch von Trotta deutet an, Frisch sei da schon ein Kontrollfreak gewesen, der seiner Angebeteten am Telefon Vorwürfe macht, weil die sich um einen Tag verspätet hatte und er also umsonst zum Bahnhof gefahren war.

Bachmann verliert sich im Schreiben – behauptet der Film

Dennoch entwickelt sich eine intensive Beziehung, die vier Jahre und acht Monate halten wird. Trotz Frischs heftiger Eifersucht und Rivalität, wie von Trotta schildert, trotz seiner Ansprüche an Bachmann im Haushalt, von der er – ganz der Spießbürger der bleiernen Nachkriegszeit – ein ordentliches Essen und den Abwasch erwartet, während er enervierend laut auf seine Schreibmaschine einhackt. Bachmann selbst verliert sich und ihr Schreiben in dieser Beziehung, behauptet der Film.

Vicky Kriebs spielt die Dichterin als elegante, still verhuschte Frau, die dem Machogestus ihres biederen Lebensgefährten nur wenig entgegenzusetzen hat. Die Bilder dieser bedrückenden Quasi-Ehe schachtelt von Trotta als Rückblenden in eine Rahmenhandlung in der Zeit nach der Trennung von Bachmann und Frisch. Nach ihrem Zusammenbruch und Klinikaufenthalt flüchtet die Schriftstellerin mit einem jungen Geliebten nach Ägypten in die Wüste. Erleichterung findet sie nicht nur bei Streifzügen durch karge Landschaften und ursprüngliche Dörfer, sondern auch beim Sex mit drei Männern gleichzeitig, was von Trotta in elegischen Bildern und mit schwelgerischer Musik unterlegt als feministischen Akt der Selbstermächtigung weichzeichnet.

Andere Perspektiven werden ausgeblendet

Die unfair Partei nehmende Sicht auf die historische Romanze ist abseits der papiernen Dialoge und schematischen Täter-Opfer-Konstellation auch deshalb ärgerlich, weil sie andere Perspektiven ausblendet. Der kürzlich veröffentlichte Briefwechsel von Frisch und Bachmann zeichnet wohl eine differenziertere Beziehungsdynamik zwischen beiden, die schon 1960 im sogenannten Venedig-Vertrag sehr modern ihre offene Beziehung regelten. „Wir haben es nicht gut gemacht“, lautet der Titel der veröffentlichten Briefe – ein Eingeständnis, dass hier zwei Menschen etwas misslungen ist.

Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste. Schweiz, Österreich, Luxemburg, Deutschland 2023. Regie: Margarethe von Trotta. Mit Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld. 111 Min.. Ab 0 Jahren