Hochbegabt und fleißig: Rosina Schneider, Sandrina Sprengel und Jolanda Kallabis (von links) Foto: Ralf Görlitz/Ralf Görlitz

Sie haben jede Menge Talent und hohe Ziele: Rosina Schneider (19/TV Sulz), Sandrina Sprengel (19/LG Steinlach-Zollern) und Jolanda Kallabis (18/FT Freiburg) sind Hoffnungsträgerinnen der gebeutelten deutschen Leichtathletik und träumen von der Teilnahme an Olympischen Spielen.

Die deutsche Leichtathletik steckt in einer tiefen Krise nach den historischen Weltmeisterschaften ohne eine Medaille im August in Budapest. Doch es gibt Hoffnungsschimmer. Insgesamt 37 Medaillen haben Juniorinnen und Junioren des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) bei Europameisterschaften in diesem Sommer gewonnen, „und der Nachwuchs aus Baden-Württemberg war so erfolgreich wie nie zuvor“, wie Präsident Dieter Schneider vom Württembergischen Leichtathletik-Verband (WLV) anmerkt. Wir stellen drei vielversprechende Talente aus dem Land vor.

Rosina Schneider

Die 19-Jährige aus der 448-Seelen-Gemeinde Wiesenstetten bei Empfingen (Landkreis Freudenstadt) hat einen steilen sportlichen Aufstieg hinter sich. Über 100 Meter Hürden holte die Juniorin – nach dem Titel mit der 4x100-Meter-Staffel – bei den U-20-Europameisterschaften in 13,06 Sekunden ebenfalls Gold. „Keine meiner international erfolgreichen Läuferinnen war im vergleichbaren Alter so schnell wie Rosina Schneider“, sagt Rüdiger Harksen (Mannheim), seit 2010 Hürden-Bundestrainer, über die junge Sprinterin. Alexander Seeger, gerade zum DLV-Nachwuchstrainer des Jahres gewählt, ergänzt: „Rosina ist das größte Sprinttalent seit Gina Lückenkemper.“

Die 19-Jährige vom TV Sulz ist in einem engen familiären Umfeld aufgewachsen, nachdem der Vater mit dem Motorrad tödlich verunglückt war. Ihre musische Begabung beweist sie am Klavier. Sie trainiert einmal in der Woche in Sulz am Neckar, fünf weitere Einheiten absolviert sie in Stuttgart am Olympiastützpunkt bei Sven Rees und Cathleen Tschirch – und träumt von einer Olympiateilnahme.

Nach dem Abitur am Untertürkheimer Wirtemberg-Gymnasium hält sie sich die Optionen offen. „Polizei, Bundeswehr oder Studium, das entscheidet sich in diesen Tagen“, sagt sie. Ende Oktober fliegt sie für acht Wochen ins Trainingslager nach Phoenix (USA) zu Dreisprung-Olympiasieger Christian Taylor und reist danach noch zwei Wochen weiter ins Sprinter-Paradies Jamaika zu Hürden-Olympiasieger Hansle Parchment.

Sandrina Sprengel

Die Siebenkämpferin ist nur 20 Kilometer entfernt von Rosina Schneider in Grosselfingen bei Hechingen (Zollernalbkreis) zu Hause, mit ihr hat sie auch das Abitur in derselben Klasse gemacht. Ihren ersten großen sportlichen Erfolg landete sie 2022 mit Bronze bei der U-20-WM in Cali (Kolumbien), dieses Jahr wurde sie U-20-Europameisterin. Ihre Stärken sind der Hochsprung (1,83 Meter) und der Hürdenlauf (13,75 Sekunden).

Der Weg in die internationale Siebenkampf-Spitze scheint vorgezeichnet. Die 19-Jährige ist jetzt nach Untertürkheim gezogen, trainiert am Olympiastützpunkt Stuttgart und absolviert in Herrenberg ein Studium bei der Polizei. 40 Stunden Ausbildung und dazu gut 20 Stunden Training und Wettkampf sind pro Woche zu vereinbaren.

Ihr langfristiges Ziel: die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles. Mit einem Auge spekuliert sie auf die EM 2024 in Rom, „wo ich mich übers Ranking qualifizieren möchte“. WLV-Präsident Dieter Schneider, auch ihr langjähriger Vereinsvorsitzender bei der LG Steinlach-Zollern, schätzt Sandrina Sprengel „als sehr zielorientierte und disziplinierte Athletin ein, die sich konsequent für den Spitzensport entschieden hat“.

Jolanda Kallabis

Wie der Vater so die Tochter – Jolanda Kallabis wandelt auf dem Weg in die Spitze auf den Spuren von Damian Kallabis, Weltcup-Sieger, Europameister und seit 24 Jahren deutscher Rekordhalter über 3000 Meter Hindernis (8:09,48 Minuten). Tochter Jolanda landete bei den Deutschen Hallenmeisterschaften im Februar in Dortmund einen Paukenschlag, als sie einen Tag vor ihrem 18. Geburtstag über 800 Meter den Titel bei den Frauen gewann und einen 17 Jahre alten deutschen Juniorenrekord unterbot. Zuvor hatte sie bereits eine U-18-Weltbestzeit über 2000 Meter Hindernis aufgestellt. Seitdem gilt sie als Juwel und Senkrechtstarterin der deutschen Laufszene, musste dann allerdings einen Rückschlag verdauen. „Nach dem Gewinn des DM-Titels habe ich mir einen Ermüdungsbruch im Sesambein des Fußes zugezogen“, erzählt die 18-Jährige, die aufgrund der Verletzung die komplette Saison 2023 im Freien verpasste.

Die in Donaueschingen und Bräunlingen aufgewachsene Läuferin wurde bisher von Mutter Nina Rosenplänter trainiert, Vater Damian war fürs Organisatorische zuständig. Jetzt hat sie einen außergewöhnlichen Schritt vollzogen: Sie ist für vier Jahre als Laufprofi in die Gruppe des ehemaligen Bundestrainers Thomas Dreißigacker gewechselt. Dieser hat mit dem Schweizer Sportartikel-Hersteller „on“ eine elfköpfige Trainingsgruppe zusammengestellt, zu der neben Jolanda Kallabis der vierfache deutsche Meister Robert Farken (Leipzig) und Athleten aus Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz zählen. „Unser Ziel ist es, vier bis fünf Athleten zu den Olympischen Spielen zu bringen“, sagt Dreißigacker. Die Gruppe wird dauerhaft von April bis Oktober in der Höhe in St. Moritz leben und dazwischen schon im kommenden Winter drei Trainingslager in Südafrika absolvieren. Solche Profiteams sind in den USA (wie mit Nike in Oregon) üblich, in Europa hat dies Pilotcharakter.

„Dies ist ein sinnvoller Schritt für mich im Hinblick auf mein Fernziel Olympische Spiele 2028 in Los Angeles“, sagt Jolanda Kallabis. Sie verfügt über ein ungewöhnlich breites Disziplinspektrum von 400 Meter Hürden bis zu den 3000 Metern Hindernis und hofft, sich 2024 für die EM in Rom qualifizieren zu können. Damian Kallabis steht voll hinter dem eingeschlagenen Weg seiner Tochter, er war selbst vier Jahre als Läufer Vollprofi: „Als Halbtagsathlet kann man bei Olympia keinen Blumentopf gewinnen.“