Beke (Felicitas Woll) kommt zwei Stunden zu früh zu Pauls (Steve Windolf) Feier – ups! Foto: ZDF und Conny Klein/Conny Klein

Im Auftakt einer möglichen ZDF-Sonntagsreihe mit Felicitas Woll kehrt eine gestürzte Star-Journalistin in die alte Heimat zurück und wird Lokalreporterin. Das Drehbuch trieft vor Klischees.

Lokaljournalismus spielt im Film nur selten eine nennenswerte Rolle. Zwischen den unbestechlichen Watergate-Aufdeckern und unerschrockenen Kriegsreportern, die einst das Kinobild vom Journalismus prägten, nahm sich der Titelheld von Niklaus Schillings Provinzhommage „Der Willi-Busch-Report“ (1979) wie ein Exot aus, zumal der Reporter seine Schlagzeilen an der ereignisarmen „Zonengrenze“ kurzerhand selbst initiierte. So weit geht die Hauptfigur von „Neuer Wind im Alten Land“ zwar nicht, aber Beke Rieper und ihr Chef bei der „Altländer Zeitung“ haben gänzlich unterschiedliche Vorstellungen von einer guten Story: Für den Redaktionsleiter taugt schon ein umgekippter Gülle-Anhänger als Aufmacher für die Wochenendausgabe.

Hoch geflogen, tief gestürzt, gerupft zurückgekehrt

Ihren Reiz beziehen die Drehbücher des „Herzkino“-Zweiteilers von Kirsten Peters (Co-Autorin beim zweiten Film: Gerlind Becker) aus einem erzählerischen Ansatz, der auf den Sendeplätzen freitags im „Ersten“ und sonntags im „Zweiten“ regelmäßig bemüht wird: Die Heldin ist hoch geflogen, tief gestürzt und kehrt nun arg gerupft in die alte Heimat zurück, wo sie, Gipfel der Schmach, wieder bei ihren Eltern lebt. Was den Absturz von Beke (Felicitas Woll) verursacht hat, bleibt zunächst offen; jedenfalls kann sie froh sein, auf Vermittlung ihrer Mutter (Hildegard Schroedter) überhaupt einen neuen Job bekommen zu haben.

Als Beke über einen unbedeutenden Unfall auf der im Nichts endenden Autobahn berichten soll, wird sie auf einen pensionierten Schulrektor aufmerksam, der in der Gegend als Fortschrittsverhinderer gilt: Seit Jahren blockiert Henning Beckmann (Heiner Hardt) die Fertigstellung der Straße, von der sich die Einheimischen mehr Tourismus erhoffen. Mit sanfter Beharrlichkeit und Königsberger Klopsen gelingt es ihr, den störrischen Witwer zu einem Gespräch zu bewegen, und siehe da: Der Mann hat gute Gründe für seine Sturheit. Damit ist der Film bei seinem Thema, denn Beke versteht sich als Stimme der Stummen, was in der Fortsetzung sogar wörtlich zu nehmen ist, als sie sich einer blinden Schiffspassagierin annimmt: Die junge Frau hat nach einer Kopfverletzung Gedächtnis und Sprache verloren.

Brave Drehbücher, wenig Aufregung

In die Annalen der Journalismusfilme wird „Neuer Wind im Alten Land“ nicht eingehen, was aber nicht nur am Inhalt liegt. Esther Gronenborn, die zuletzt für den gleichen Sendeplatz die sympathische Komödie „Ein Regenbogen zu Weihnachten“ (2023) und davor vier Episoden der sehenswerten Reihe „Nächste Ausfahrt Glück“ (2022/23) gedreht hat, wollte bei der Umsetzung der ohnehin schon braven Drehbücher offenbar jede Aufregung vermeiden. Das ungewöhnlichste Element der Bildgestaltung (Christoph Chassée), die immerhin durch schöne Sonnenaufgänge im Nebel erfreut, ist ein geteilter Bildschirm, wenn Beke mit der Redaktion telefoniert. Die junge Kollegin Lily (Andrea Guo) ist ein glühender Fan der einstigen Star-Journalistin, die für namhafte internationale Publikationen geschrieben hat, bis ihr ein nachlässig recherchierter Artikel eine Verleumdungsklage einbrachte; zu allem Überfluss hat sich anschließend zudem noch der Gatte von ihr getrennt.

Zu den typischen Versatzstücken der Heimkehrfilme gehört neben der Jugendliebe auch die einstmals beste Freundin. Es grenzt fast an Ironie, wie klischeehaft das Drehbuch diese Bedingungen erfüllt: Weil es Beke in die weite Welt zog, hat Paul (Steve Windolf) eben Elfi (Halima Ilter) geheiratet. Nun sind die beiden wieder geschieden; einer Auffrischung der nie erloschenen Gefühle zwischen Paul und Beke steht also nichts im Wege. Dass sie wie so viele Heldinnen der Sonntagsreihen „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“ einen Mini Cooper fährt, ist vermutlich ein ähnlicher redaktioneller Insider-Gag wie die Erwähnung von Bielefeld in den „Wilsberg“-Krimis. Dass wie immer auf diesem Sendeplatz Schmusepop erklingt, wenn’s emotional wird, bleibt allerdings ein Ärgernis.

Ohne das gute Ensemble wäre „Neuer Wind im Alten Land“ ohnehin bestenfalls keine Zeitverschwendung. Typisch für eine gewisse Gestrigkeit ist der Erfolgsmaßstab von Bekes Arbeitgeber: Die Ausgabe mit dem Beckmann-Porträt hat sich außerordentlich gut verkauft, auch der Artikel über Mia findet großen Anklang. Prompt zeigt der Film viele Menschen beim öffentlichen Zeitunglesen; ein Bild, das es in der Wirklichkeit, in der die Verlage vor allem auf Klickzahlen aus sind, gar nicht mehr gibt. Ob das ZDF die Reihe fortsetzen wird, ist noch offen.

Neuer Wind im Alten Land. Sonntag, 21 April, 20.15 Uhr, ZDF