Igel-Mutter auf Zeit: Stefanie Hartusch päppelt Herrn Maier und Herrn Red auf. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Auf dem Parkplatz von Bechtle Verlag und Druck/Eßlinger Zeitung, ihrem Arbeitgeber, hat Stefanie Hartusch zwei Igelbabys aufgelesen und päppelt die stacheligen Gesellen nun auf.

Kreis EsslingenFräulein Maier ist gar keines. Stefanie Hartusch schaute sich die vermeintliche Igeldame genauer an und stellte fest: „Das ist ja ein Männchen“. Kein Problem. Gendergerechtigkeit auch im Tierreich. Aus Fräulein wurde flugs Herr Maier – wobei Ähnlichkeiten mit lebenden Personen dieses weit verbreiteten Namens rein zufällig wären. Denn die Namensgebung kam auf besondere Weise zustande: Ihre Tochter Emma, so erzählt Stefanie Hartusch, hatte in einem Theaterstück einmal ein Fräulein Maier verkörpert und wollte, dass der possierliche Igel diesen Namen trägt. Daraus wurde nichts. Doch zum Trost für die unerwartete Umbenennung bekam Herr Maier einen Kameraden – Herrn Red. Beide Igelbabys päppelt Stefanie Hartusch zusammen mit ihrem Ehemann und den drei Töchtern in ihrer Wohnung in Ostfildern auf, um die Tiere dann nach ihrem Winterschlaf wieder auswildern zu können.

Na nu? Als Stefanie Hartusch an diesem Donnerstagabend in den Feierabend gehen wollte, rieb sie sich verwundert die Augen: Da hatte sich doch etwas bewegt. Oder? Und wieder! Irgendetwas lag da vor dem Reifen ihres Autos, das sie auf dem Parkplatz von Bechtle Verlag und Druck/Eßlinger Zeitung, ihrem Arbeitgeber, geparkt hatte. „Wir haben vor drei Jahren schon einmal elf Igelbabys aufgezogen, und darum schaue ich in dieser Jahreszeit immer genauer hin“, erzählt die Mediaberaterin. Und wirklich: Vor ihrem Autoreifen lag ein Igelbaby – winzig klein, gerade einmal 147 Gramm schwer. Herr Maier! Und nur drei Tage später entdeckte sie auf dem Grünstreifen vor dem Bechtle Verlagsgebäude in der Zeppelinstraße ein weiteres Igelbaby. Um es von Herrn Maier unterscheiden zu können, wurde es mit einem kleinen roten Farbstreifen auf dem Rücken markiert und hatte so gleich seinen Namen weg – Herr Red. „Ich vermute, dass die beiden Geschwister sind“, erklärt Stefanie Hartusch. „Denn ich habe sie ja nur wenige Meter voneinander entfernt gefunden.“ Wegen dieser vermuteten verwandtschaftlichen Verhältnisse und dem Fundort bei der Eßlinger Zeitung heißen die neuen Hausgenossen auch kurz „die EZ-Igel“.

Trotz der Gemeinschaftsbezeichnung – Unterschiede sind vorhanden. Herr Red ist von sanfter Natur, lässt sich an den weniger spitzigen Stellen seines Körpers kraulen und beißt nicht, Herr Maier dagegen hat ein aggressiveres Temperament, zeigt gern Zähne und Stacheln. Süß sind sie beide, finden die Töchter Anna-Marie, Emma und Katharina. Und dennoch. Zu eng soll das Verhältnis in der menschlich-tierischen WG nicht werden: „Es sind keine Haus-, sondern Wildtiere“, betont Stefanie Hartusch. Beide Igel haben an Gewicht zugelegt und werden weiter gut gefüttert. Meist mit Katzenfutter, dazwischen gibt es als besonderen Leckerbissen aber auch mal ein Stückchen Mozzarella. Täglich wird das Gewicht der beiden mit Hilfe einer Mehlwaage festgestellt und aufgeschrieben. Wenn beide Igel genügend Fett unter den Stacheln haben, werden sie im Garten der Hartuschs ihren Winterschlaf halten. Im Frühling, wenn’s wieder wärmer wird, werden Herr Maier und Herr Red aufwachen und die Familie muss sich von ihren Wintergästen verabschieden. „Dann setze ich sie am Fundort wieder aus“, erläutert Stefanie Hartusch. Denn dort würden sich Igel am besten zurecht finden.

Der Abschied wird der tierlieben Familie schwer fallen. Dabei, so gesteht Stefanie Hartusch, hat sie sich immer ein ganz anderes Haustier gewünscht – ein Schweinchen. Doch die drei Töchter sind absolute Igelfans – und Stefanie Hartusch eigentlich auch. Die Igelbabys, die sie vor drei Jahren aufgezogen hat, erzählt sie, waren um einiges jünger als ihre jetzigen Mitbewohner – und sie brauchten viel mehr Pflege und Aufmerksamkeit. Alle drei Stunden füttern. Auch nachts. Herr Maier und Herr Red sind pflegeleichter. Trotzdem: Tägliches Ausmisten und ständiges Füttern müssen schon sein. Familie Hartusch macht es gern. „Die futtern ganz schön“, erzählt Emma. „Vor allem nachts.“ Kaum hat sie das gesagt, da fällt Herrn Maier und Herrn Red ein, dass sie ja eigentlich nachtaktiv sind. Und sie ziehen sich in das kleine Häuschen in ihrer Plastikbox zurück. Herr Maier ein wenig zackiger als Herr Red – schließlich muss er ja zeigen, dass die Fräulein-Zeiten lange hinter ihm liegen.