Zwei, die aus der dänischen Ausnahmemannschaft bei dieser EM herausstechen: Torwart Emil Nielsen (li.) und Rückraumspieler Mathias Gidsel Foto: /Eibner/imago/Eibner-Pressefoto/Heike Feiner

Dänemarks Handballer gehen als hoher Favorit ins Halbfinale an diesem Freitag (20.30 Uhr/ZDF) gegen Deutschland. Vater des Erfolgs ist Trainer Nikolaj Jacobsen, aus dessen Weltauswahl stechen bei dieser EM insbesondere zwei Spieler hervor.

Auch Dänemarks B-Team würde um den Titel mitspielen, hat Handball-Ikone Stefan Kretzschmar vor der EM gemutmaßt. Im letzten Hauptrundenspiel hat das Team von Trainer Nikolaj Jacobsen diese These nicht untermauert. Der zweite Anzug zwickte vorne und hinten – am Ende setzte es ein 25:28 gegen Slowenien. In einer für die Dänen sportlich allerdings völlig unbedeutenden Partie. Die Handballmacht war längst fürs Halbfinale qualifiziert und sammelte alle Kräfte für das Duell mit der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) an diesem Freitag (20.30 Uhr/ARD).

Topleute geschont

Die Superstars Mathias Gidsel, Simon Pytlick und Magnus Saugstrup fehlten auf dem Spielberichtsbogen. „Das ist das Risiko, wenn man auf drei Schlüsselspieler verzichtet“, sagte Jacobsen pragmatisch, „ich hätte mich in den Schlaf geweint, wenn sich einer der drei Spieler heute ernsthaft verletzt hätte.“ Topleute wie der in der Bundesliga bei den Füchsen Berlin so überragende Lasse Anderssen, Jacob Holm (Paris Saint-Germain) oder Flensburgs Keeper Kevin Möller hatten es nicht einmal in den EM-Kader geschafft.

Das zeigt, welch schier unerschöpflicher Pool an Spitzenspielern Jacobsen zur Verfügung steht. Entsprechend hoch ist die Erwartungshaltung in Dänemark. Die Auswahl ist ein nationales Heiligtum, jeder einzelne Spieler ein Idol und Coach Jacobsen der Liebling der Massen. Zumindest, wenn er Erfolg hat. „Held oder Vollidiot – so läuft das bei uns“, hat der 52-Jährige zu seiner Zeit bei den Rhein-Neckar Löwen (2014 bis 2019) einmal gesagt. Doch nur beim EM-Vorrunden-Aus 2020 mutierte er zum Prügelknaben. Ansonsten ist der ehemalige Linksaußen so etwas wie der Herrscher des Königreichs. Volksnah und verehrt, geliebt und gefeiert.

Tattoo für Titel

Sein rechter Unterarm ist mit unzähligen Sternen tätowiert. Drei stehen für seine Kinder Freija, Sille und Linus, alle anderen für jeden gewonnen Titel. Und davon gibt es einige in seiner Laufbahn als Spieler und Trainer.

Jetzt soll bei der EM in Deutschland ein weiterer hinzukommen. Und aus seiner Weltauswahl stechen im bisherigen Turnierverlauf zwei Spieler hervor: Torwart Emil Nielsen und Linkshänder Mathias Gidsel. Nielsen stellt seinen Teamkollegen, den hochdekorierten Welthandballer von 2019 und 2021, Niklas Landin, in den Schatten. Dabei entspricht der 26-jährige (seit 2022 beim FC Barcelona unter Vertrag) mit dem Milchbubi-Gesicht nicht unbedingt dem Idealbild eines Modellathleten.

Nielsen mit bester Quote

Das ohnehin auf XXL-Größe dimensionierte Trikot spannt etwas um die Hüften. Aber der 1,95 Meter große und offiziell 120 Kilogramm schwere Keeper präsentiert sich unglaublich schnell und beweglich zwischen den Pfosten. Mit 39,86 Prozent gehaltener Bälle führt er das Torhüter-Ranking bei dieser EM an.

Im Schnitt sieben Feldtore hat bisher Mathias Gidsel erzielt. Manchmal liegt der Ball schon im Netz, da haben die Abwehrspieler noch gar nicht verstanden, was der 24-Jährige mit ihnen vorhatte. Der Linkshänder spielt ungemein schnell, dynamisch, er ist sprunggewaltig, unberechenbar und fintenreich. Vom ersten Angriff an versucht er ohne Rücksicht auf Verluste, jede noch so kleine Lücke im Deckungsverband zu entdecken und für seinen Vorteil zu nutzen. Manchmal scheint es, als wolle Gidsel mit dem Kopf durch die Wand, so aufopferungsvoll, leidenschaftlich und selbstlos, wie er jeden Zweikampf führt. Doch er macht das auf intelligente Weise, er geht sozusagen mit Köpfchen durch die Wand.

Gidsel im All-Star-Team

Bei der WM 2021 gelang ihm der Durchbruch, seitdem gehörte er in jedem Turnier zum All-Star-Team oder wurde sogar zum wertvollsten Spielers des Turniers (MVP) gewählt, bei der WM 2023 sicherte er sich zudem die Torjägerkrone. „Er hat nicht einfach die Tür zur Nationalmannschaft eingetreten, er hat die Tür pulverisiert, die Wand, das ganze Haus“, schrieb die dänische Zeitung „B.T.“ nach seinem WM-Debüt 2021. Halb Europa jagte ihn danach. Und es gibt Momente, da können die Füchse Berlin nicht fassen, was für ein Coup ihnen da 2022 auf dem Transfermarkt gelungen ist.

„Ich wollte zu einem Verein, der etwas mehr tun muss, um Erfolg zu haben“, sagte Gidsel angesprochen auf den Wechsel in die Bundeshauptstadt. Das zeigt, wie er tickt. Und wird untermauert durch Sätze wie: „Für mich geht es nicht darum, der beste Spieler der Welt zu sein. Ich möchte der glücklichste Spieler der Welt sein!“ Oder: „Für mich ist das Handballparkett wie ein Spielplatz. Es ist der beste Job der Welt, jeden Tag aufzuwachen, Handball zu spielen und Spaß zu haben. Das motiviert mich, das treibt mich an.“

Der ewige Hans Lindberg

Das verbindet ihn mit zwei ehrgeizigen, etwas in die Jahre gekommenen Mitspielern, die noch eine Extra-Erwähnung wert sind: Rückraum-Shooter Mikkel Hansen (36/Welthandballer 2011, 2015, 2018) und der ewige Hans – Hans Lindberg (Füchse Berlin). Der Rechtsaußen hat es mit 42 Jahren in diesen Ausnahmekader geschafft. Das sagt alles über seine Klasse aus.