Die Lebensmittelversorgung gehört zu den florierenden Wirtschaftszweigen. Foto: Torsten Schöll

Ein Planspiel hat das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Filderstadt-Sielmingen in dieser Woche in eine Demokratie und Marktwirtschaft verwandelt.

Der Reporter ist zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen: Kaum hatte der Bundestagspräsident Samuel Eckert am Donnerstagvormittag die turnusmäßige Sitzung des Parlaments der Filder-Union eröffnet, überschlugen sich im Gremium auch schon die Ereignisse. Mit einem erfolgreichen Misstrauensvotum wählten die Delegierten mit großer Mehrheit den amtierenden Kanzler Ole Klein ab. Der Vorwurf: Korruption im Amt. Außerdem, so wurde in den Gängen des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium seit Tagen kolportiert, soll der Kanzler seine Amtsgeschäfte zugunsten von privaten Heiratsplänen sträflich vernachlässigt haben. Die Kollegen der „Filder-Union News“ (FUN) wollten der Sache weiter auf den Grund gehen.

Wer sich jetzt wundert, was am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium (DBG) in Sielmingen vor sich geht, muss wissen, dass die Schule von Dienstag bis Freitag im Rahmen eines Planspiels in einen Staat verwandelt wurde. Die sogenannte Filder-Union ist eine demokratisches Staatsgebilde mit Parlament, Ämtern, Sicherheitsbehörden, Steuern, eigener Währung, Flagge, vielen Geschäften und einem zentralen Warenlager. Wie dieser Staat funktioniert, erklärten bei einem Rundgang am Donnerstag Rebecca Olfens, Emma Zeiß und Linus Kenner, alle Schüler der Klasse 11.

„Wir sind Teil des Organisatorenteams“, so Rebecca Olfens. Das Projekt „Schule als Staat“, an dem alle Schüler des Gymnasiums vier Tage lang teilnehmen, wurde im Rahmen eines Seminarkurses der Klasse 11 über das ganze Schuljahr hinweg vorbereitet und organisiert. Zuletzt fand ein solches Projekt am DBG, das dieses Jahr 20 Jahre alt wird, vor genau zehn Jahren statt.

Es gibt sogar eine eigene Währung

Deutlich wird bei „Schule als Staat“: Der Aufwand, der betrieben werden muss, um selbst ein kleines Staatsgebilde am Laufen zu halten, ist immens: Eine Staatsbank muss nicht nur dafür Sorge tragen, dass die Unternehmen ständig liquide sind. Sie muss zudem regelmäßig die Beamten mit der staatseigenen Währung „Filderle“ bezahlen. Deren horrende Löhne sowie ein deutlich zu hoher Mindestlohn für die Angestellten in den Betrieben führte am Mittwoch prompt zeitweise in den Staatsbankrott.

Wie im richtigen Wirtschaftsleben sind die Unternehmen in der Filder-Union ganz unterschiedlich erfolgreich. Während fast alles, was der Aufnahme von Nahrung dient, floriert, stottert der Motor von anderen Wirtschaftszweigen wie der Fitnessbranche erheblich. Gute Geschäfte werden auch im Bereich Fahrradwäsche, Werbung und Vergnügungsbetriebe (Geisterbahn) gemacht. Die Werbeagentur, von deren Dienstleistung jedes Unternehmen im Staat abhängig ist, erfreute sich während der gesamten Projektphase eines Monopols, das die Kasse kräftig klingeln ließ.

Eine Schule gibt es in der Filder-Union nicht

Darauf, dass kein Staatsangehöriger unerlaubt Waren einführt, wachte vier Tage lang mit strengem Blick der Zoll am Eingang der Filder-Union – Passkontrolle inbegriffen. Auch Polizei und Gericht hatten alle Hände voll zu tun. Das Beispiel des geschassten Regierungschefs zeigt allzu deutlich: In der Filder-Union blühte die Korruption. Bereits am vergangenen Dienstag titelte deshalb die Staatsgazette „FUN“: „Demokratie am Ende?“ Zum Glück kam es anders.

Alles Spaß? Auch, aber eben nicht nur: Wie Linus Kenner betont, gibt „Schule als Staat“ tatsächlich einen guten Einblick, wie ein Staatsgebilde und die Wirtschaft im Prinzip funktioniert. Was es in der Filder-Union übrigens nicht gibt, sind Bildungseinrichtungen. „Eine Schule haben wird weggelassen“, sagt der Elftklässler. Kein Wunder: Wie Schule funktioniert, wissen am DBG schon alle.