Nach ihrer Personalversammlung in der Ostfeldhalle Berkheim zeigen die Lehrer auf Transparenten, wofür sie alles Zeit brauchen. Foto: Dietrich - Dietrich

Lehrer brauchen mehr Zeit - auch weil Schüler differenzierter gefördert und beurteilt werden müssten. Deshalb haben jetzt rund 200 Lehrkräfte eine GEW-Resolution unterschrieben.

EsslingenMan könnte dieses Amt ausfüllen“, sagt Sandra Schettke, Lehrerin an der Esslinger Waisenhofschule, zur Kooperation von Schule und Kindergarten: etwa die Kinder und die Erzieherinnen kennenlernen, Elterngespräche führen und Elterninfoabende durchführen. Doch die komplette Schule habe für diese Aufgabe nur eine Stunde pro Woche zur Verfügung. „Oft teilen sich mehrere Lehrerinnen diese Stunde. Die Politik sagt doch immer, auf den Anfang kommt es an.“ Deshalb hat sie mit rund 200 anderen Lehrkräften und Schulleitern auf der Personalversammlung in Berkheim einstimmig für die Resolution der Bildungsgewerkschaft GEW gestimmt und für sich und ihre Kollegen mehr Zeit gefordert.

Das hat auch Dominik Steiner getan, Lehrer an der Immanuel-Kant-Realschule in Leinfelden und stellvertretender GEW-Kreisvorsitzender. „Meine Schule bereitet inklusive derer, die auf weiterführende Schulen gehen, auf drei verschiedene Abschlüsse vor. Bei einem Niveauwechsel beraten wir die Eltern, wir müssen diesen dokumentieren, verhaltensauffällige Schüler machen viel Aufwand, die Weiterentwicklung der Schule braucht Zeit.“ Fast jeden Mittwoch ist Steiner in Sitzungen und Konferenzen. Er hat erfasst, wie lange die komplette Korrektur einer Abschlussarbeit in der 10. Klasse gedauert hat, es waren 41 Stunden. „Das ist eine komplette Wochenarbeitszeit, ein Korrekturtag genügt da nicht.“ Sabine Penzinger, die an der Gemeinschaftsschule in Wendlingen unterrichtet, erzählt, wie es ist, wenn eine Lehrkraft gleichzeitig zwei Klassen beaufsichtigen muss. „Das führt dazu, dass man den Kindern nicht gerecht werden kann.“ An Grundschulen und an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) werden teils Kinder in Gruppen auf andere Klassen verteilt. In der Statistik, sagt der GEW-Kreisvorsitzende David Warneck, habe der Unterricht dann stattgefunden, auch wenn es faktisch nur eine Betreuung war. „Die Statistik stellt die falschen Fragen.“

Im Schulamtsbezirk Nürtingen, sagt Warneck, seien derzeit 20 Schulleiterstellen – Rektoren und Konrektoren – nicht besetzt. Für ein Plus von 170 Euro im Monat und acht Anrechnungsstunden wollten viele nicht derart viele Aufgaben übernehmen. An kleinen Schulen gebe es teils nur eine stundenweise Schulsekretärin und keinen Hausmeister. „Dann schippt die Schulleiterin Schnee und wechselt Glühbirnen.“ Manche Lehrkraft verzichtet auf eine Fortbildung, weil dann Unterricht ausfallen würde. Wer für ein paralleles Studium, oder um im Beruf länger durchzuhalten, gerne auf Teilzeit umstellen wolle, sagt Warneck, bekomme das wegen des Lehrermangels derzeit nicht mehr genehmigt. „Wer diese ‚Teilzeit aus sonstigen Gründen‘ wählt, hat besondere Gründe dafür.“

Die Gemeinschaftsschule hat drei Niveaustufen. In echt, sagt Sabine Penzinger, seien es durch Inklusionsschüler und Gymnasialempfehlungen eher noch mehr. Wenn sie mit jedem Schüler Coachinggespräche führen soll, ist das dann ihr Freizeitvergnügen oder Arbeit? „Es ist Mehrarbeit, dazu gibt es sogar einen Gerichtsentscheid“, sagt Warneck. „Doch das Kultusministerium sagt, es hat kein Geld.“

Das, was die Lehrkräfte am Ende ihrer fünfseitigen Resolution auch noch fordern, klingt so, als müsste es eigentlich selbstverständlich sein: Sie wollen dienstliche E-Mail-Adressen, ausreichend digitale Endgeräte und genügend IT-Support für die Schulen, damit die Lehrkräfte nicht alleine mit den technischen Problemen kämpfen müssen. Was neben harten Stunden, Zahlen und Beträgen auch noch zählt, ist das Klima. Der Ton im Kultusministerium sei rauer geworden, klagt ein Lehrer. „Wir fühlen uns nicht wertgeschätzt.“