Besonders laut ertönten die Pfiffe im Berliner Olympiastadion, sobald Ilkay Gündogan am Ball war. (Archivbild) Foto: dpa/Robert Michael

Zwei Pleiten in vier Tagen für die deutsche Nationalelf. Und ein Video, das den Einmarsch der DFB-Auswahl in das Berliner Olympiastadion bei ihrem Spiel gegen die Türkei zeigt. Zahlreiche Zuschauer pfeifen sie dabei aus. Was ist passiert?

Diese Woche läuft es nicht wirklich gut für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Zuerst wurde die DFB-Auswahl von den Zuschauern beim Heimspiel ausgepfiffen und verlor am Ende mit 2:3 (1:2) gegen die Türkei. Nur drei Tage später unterlag das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann dann Österreich mit 0:2 (0:1).

Besonders viel Aufsehen erregte bereits der Beginn des Freundschaftsspiels gegen die Türkei am Samstag, den 18. November, im Berliner Olympiastadion. Die Mehrheit der Zuschauer war überraschenderweise nicht in Schwarz-rot-gold gehüllt, sondern schwenkte rote Fahnen und sang begeistert die türkische Nationalhymne mit. Beim Einmarsch der deutschen Spieler ertönten Pfiffe von den Rängen. Die deutsche Mannschaft wurde beim Heimspiel von türkischen Fans ausgebuht und ausgepfiffen. Diese wollten damit vermutlich vor allem eins: ihre Mannschaft unterstützen.

Bei Gündogan ertönen die meisten Pfiffe

Der erfolgreiche Youtuber Bilal Kamarieh war beim Spiel dabei und hat die Szenen gefilmt. Er konnte im Stadion selbst nicht fassen, was passierte. Die Nationalelf wurde nicht nur beim Einmarsch ausgepfiffen. „Ausgebuht im eigenen Land, weil die Auswärtsfans einfach lauter sind...wo gibt’s so was?“, fragte Kamarieh in die Kamera.

Immer wieder ertönten auch Pfeifkonzerte während des Spiels, wenn ein deutscher Spieler am Ball war – ganz besonders beim Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Ilkay Gündogan. Der Kicker von FC Barcelona hat türkische Wurzeln. Youtuber Kamarieh spekulierte, dass viele Türken Gündogan vermutlich einfach lieber in einem Trikot der Türkei sehen würden.

So ganz kalt ließ die deutschen Spieler die Atmosphäre im Stadion nicht, wie Thomas Müller nach dem Spiel zugab: „Die Atmosphäre hat mich nicht beeindruckt, sondern eher gewurmt.“ Daher sei auch der Ehrgeiz, zu gewinnen, umso höher gewesen. Denn: „Wir wollten ihnen nicht die Genugtuung geben, dass die Türkei am Ende tatsächlich in Berlin gewinnt.“ Doch Deutschland unterlag letztendlich mit 2:3 (1:2).

Die Reaktionen auf das von RTL unter anderem auf Youtube veröffentlichte Video mit den ausgepfiffenen Nationalspielern beim Einmarsch ins heimische Stadion fielen indes noch etwas emotionsgeladener aus. Da heißt es unter anderem in den Kommentarspalten: „maximal unsportlich“, „respektlos“, „Fremde im eigenen Land“.

Teils sind die Pfiffe auch Wasser auf die Mühlen rechter Anhänger

Teilweise schüren die Pfiffe auch rechte Ressentiments, wie dieser User-Kommentar von Alexander Pohl, alias „bk6zj8ue8m“ verdeutlicht: „ Da sieht man das große Problem in Deutschland. Wir versorgen die ganze Welt und die Gäste treten uns mit Füßen.“ Ein User mit dem Youtube-Namen „Brother Andrew“ schrieb: „ Das ist gelungene Integration. Herzlichen Glückwunsch dafür, mein liebes Vaterland.“

Aber es gibt auch viele Türken, die das Verhalten der türkischen Fans im Stadion nicht nachvollziehen konnten. Youtube-Nutzer Hüseyin Ergen schrieb etwa: „Ich bin Türke aber schäme mich maßlos für dieses Fehlverhalten der Fans. So macht man sich unbeliebt.“ Er verabschiedete sich mit versöhnlichen Worten: „Nichtsdestotrotz starkes Spiel beider Mannschaften.“

Während man nach der Niederlage gegen die Türkei noch öffentliches Verständnis für die deutsche Nationalelf aufgrund der Aufnahmesituation im Stadion zeigte, war dieses nach der 0:2-Niederlage gegen Österreich nur drei Tage später offensichtlich aufgebraucht.

Dementsprechend scharf ging dann auch die deutsche Presse mit der Pleite des DFB-Teams ins Gericht. „Deutschland – kein Tor, kein Sieg, kein Team“, wetterte etwa die Sportschau. Die Bild sprach von „peinlicher Pleite“ und rief nach einem neuen Bundestrainer. „Debakel in Österreich“ urteilte der Focus. Und: „Kraftlos, saftlos, mutlos - die deutsche Nationalmannschaft präsentiert sich beim 0:2 in Österreich unterirdisch und hinterlässt einen bedenklichen Eindruck.“

War die Rückendeckung der Fans für die Nationalelf gegen die Türkei schlicht zu leise, war sie nach dem Spiel gegen Österreich gefühlt gänzlich nicht mehr vorhanden. Abzuwarten bleibt, ob die öffentliche Unterstützung der Fans für ihre Nationalmannschaft wieder größer wird. In sieben Monaten findet die Fußball-EM in Deutschland statt. Zwischen dem 14. Juni 2024 und dem 14. Juli kämpfen dann 24 Nationen um die europäische Fußballkrone.