Der Firmengründer und Geschäftsführender Gesellschafter Heinrich Jehle und Bianca Böpple setzen auf Kaugummi zur Diagnose-Unterstützung. Foto: Henrik Sauer - Henrik Sauer

Das Biotech-Start-up 3a-Diagnostics geht davon aus, dass der Kaugummi, mit dem Krankheitserreger festgestellt werden können, im Frühjahr 2021 zu kaufen ist.

FrickenhausenKaugummi kauen soll ja eine beruhigende Wirkung haben. In Zukunft könnte dies noch in einem weiteren Aspekt stimmen: Das Team der Frickenhausener Firma 3a-Diagnostics entwickelt einen Kaugummi, der Hinweise auf bestimmte Enzyme im Körper liefert und damit hilft, Krankheiten frühzeitig zu erkennen.

Der Sensor ist in diesem Fall die eigene Zunge, erklärt Heinrich Jehle, Firmengründer und Geschäftsführender Gesellschafter. Sind bestimmte Enzyme im Speichel vorhanden, zum Beispiel bei einer Zahn- oder Halsentzündung, entsteht beim Kauen ein bitterer Geschmack. Für den Nutzer ist das ein Signal, dass etwas nicht stimmt, und für den Arzt ein Hinweis, um welche Erkrankung es sich handeln könnte.

Jehle und seine drei Mitgründer gehen damit einen neuen Weg bei der Point-of-Care-Diagnostik, also der Analyse direkt beim Patienten. Die Informationen über den Gesundheitszustand würden nicht wie bei vielen Tests im Labor ermittelt, sagt Jehle: „Wir suchten nach einer Methode, die wirklich einfach ist, um bakterielle Infektionen nachzuweisen.“ So kamen sie auf die Zunge: „Die Zunge ist sehr sensitiv, sie kann kleinste Mengen an Geschmacksstoffen detektieren.“

Der Kaugummi des Frickenhäuser Start-ups, den man sich als einen löslichen Dünnfilm vorstellen muss, beinhaltet einen Bitterstoff, der von einer spezifischen Peptidkette aus Aminosäuren ummantelt ist. Dadurch ist das Molekül mit dem Bitterstoff so groß, dass er zunächst nicht zu schmecken ist. Wenn krankheitsspezifische Enzyme einer bakteriellen Entzündung im Speichel vorhanden sind, trennen diese die Peptidkette auf und der Bitterstoff entfaltet seine Wirkung. „Der Bittergeschmack ist für alle Menschen ein Warnsignal“, sagt Jehle. Wenn keine Bakterien vorhanden sind, bleibt der Geschmack neutral.

Beim Verdacht auf eine bakterielle Infektion könnte der Patient künftig also zunächst einen für sein Krankheitsbild passenden Kaugummi kauen. Dieser ersetze nicht die Diagnose eines Arztes, betont Jehle, aber er liefere einen frühzeitigen Hinweis auf eine Beeinträchtigung, ohne dass ein Abstrich oder eine Blutentnahme gemacht werden müsse. Unnötige Labordiagnostik lasse sich dadurch vermeiden.

Das erste Produkt, das 3a-Diagnostics im Frühjahr 2021 auf den Markt bringen möchte, ist für das Erkennen von Entzündungen durch Zahnimplantate. So könnten Patienten, denen ein Zahnimplantat eingesetzt wurde, den Kaugummi verwenden, um eine eventuelle Infektion in einem sehr frühen Stadium zu erkennen, also bevor die Entzündung eitert und zu ernsthaften Komplikationen führt. Als weitere Entwicklungen sind Produkte zur Erkennung von Parodontitis geplant und von eitrigen Halsentzündungen oder Scharlach. „Wir stellen uns vor, dass unsere Methode auch interessant ist, um nicht unnötig Antibiotika einzusetzen“, sagt Jehle. Das Produkt soll in Apotheken frei verkäuflich sein. Momentan arbeite man an der Zulassung als Medizinprodukt und parallel am Aufbau einer Produktion und des Vertriebs. Hierzu sei man mit mehreren potenziellen Partnern in Süddeutschland im Gespräch.

Heinrich Jehle und seine drei Mitarbeiter Peter Winklehner, Bianca Böpple und Christian Linz – allesamt Chemiker und Pharmazeuten – sind Anfang dieses Jahres in den Sirius Business Park auf dem ehemaligen Stribel-Areal in Frickenhausen gezogen. Finanzielle Unterstützung fanden sie zum einen durch das Start-up-Programm „Pre-Seed“ der L-Bank und durch einen strategischen Investor aus dem Bereich Zahnheilkunde. Der 51-jährige Jehle, der in Linsenhofen lebt, hat in Würzburg und Dublin Chemie studiert und fast 20 Jahre bei einem Unternehmen im Bereich In-vitro-Diagnostik gearbeitet.

3a-Diagnostics ist eine Ausgründung aus der Uni Würzburg und verfügt, wie Jehle berichtet, über einige Patente. Diese sollen nun am neuen Standort vollends zur Marktreife entwickelt werden. „Wir planen, in den nächsten drei, vier Jahren auf zehn bis zwölf Mitarbeiter anzuwachsen“, sagt Heinrich Jehle. Auch das sei mit eine Entscheidung für den Standort Sirius-Business-Park gewesen: „Hier haben wir noch Expansionsmöglichkeiten.“