Links ein Bettenhaus, dann ein Innenhof und daneben die Musik- und Probenräume: Mit diesem Entwurf hat das Stuttgarter Büro Lederer Ragnarsdóttir Oei den Architektenwettbewerb für die Plochinger Blasmusikakademie gewonnen. Foto: LRO - LRO

Seit Montag hat der Blasmusikverband Baden-Württemberg den Förderbescheid des Landes über 10, 8 Millionen Euro für sein Musikzentrum in Plochingen in der Tasche.

Stuttgart/PlochingenIn der Plochinger Eisenbahnstraße spielt künftig die Musik aus dem ganzen Land: Staatssekretärin Petra Olschowski hat den Vertretern des Blasmusikverbands Baden-Württemberg am Montagabend in Stuttgart den Förderbescheid des Landes über 10,8 Millionen Euro für den Bau einer neuen Blasmusikakademie übergeben.

Offiziell firmiert das mittlerweile auf rund 21,7 Millionen Euro veranschlagte Projekt unter dem Titel Musikakademie oder Musikzentrum Baden-Württemberg. Denn von den beiden neuen Akademiebauten im Land – neben dem Projekt des Landesblasmusikverbands in Plochingen fördert das Land mit acht Millionen Euro auch die geplante Musikakademie des Bundes Deutscher Blasmusikverbände in Staufen – soll die gesamte Amateurmusik in Baden-Württemberg profitieren. Die Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst stellte zudem in Aussicht, den Blasmusikverband auch bei unvorhersehbaren Kostensteigerungen nicht im Stich zu lassen.

Im Haushalt 2019 sei eine weitere Million für den Neubau in Plochingen vorgesehen – vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments. Der Verband rechnet mit einem Baustart im März 2019 und einer Bauzeit von zwei Jahren.

Weiterbildungsakademie für Musiker aus dem ganzen Land

Mit seinen fast 1500 Mitgliedsvereinen ist der Blasmusikverband Baden-Württemberg der größte Verband der instrumentalen Musik im Land. In Plochingen will er eine Aus- und Weiterbildungsakademie für ehrenamtliche Musikerinnen und Musiker aus dem ganzen Land bauen – mit einem großen Orchestersaal, einem kleinen Probensaal, Proben- und Seminarräumen, aber auch Übernachtungsmöglichkeiten. Noch vor einem Jahr war von Kosten von rund 16 Millionen Euro zu lesen. Dass nunmehr knapp 22 Millionen im Gespräch sind, liegt laut Pressesprecher Heiko Peter Melle an den überhitzten Baupreisen. Aber nicht nur: Eugen Höschele vom Bauausschuss des Verbands führt vor allem die Anpassung des Siegerentwurfs aus dem Architektenwettbewerbs auf die aktuellen praktischen Bedürfnisse der Nutzer an.

Und die sollen nicht nur aus den Reihen der fast 400 000 Mitglieder, darunter mehr als 100 000 Aktive, aus den 22 Kreisverbänden des Blasmusikverbands kommen, sondern auch aus anderen Musikvereinen, Chören und Orchestern. Olschowksi: „Es geht nicht nur darum, dass die Politik ein Bekenntnis zur Blasmusik ablegt. Es geht vielmehr um eine aktive Zukunftsgestaltung, wenn wir Mittel für eine solche nicht-staatliche Einrichtung zur Verfügung stellen.“ Alle Musik- und Chorverbände könnten die beiden neuen Akademien nutzen .

Fest steht auch schon, das der Schwäbische Chorverband, der Landesmusikerverband Baden-Württemberg und der Bundesverband der deutschen Musikverbände Büros dort beziehen werden. Dazu kommen die Geschäftsstellen des Kreisblasmusikverbands Esslingen und des Landesblasmusikverbands, der von Cannstatt nach Plochingen ziehen wird.

Eine Notfall-Million ist drin

Ohne die Landeszuschüsse sei das Plochinger Musikzentrum nicht denkbar gewesen, betonte der Präsident des Blasmusikverbands Baden-Württemberg und ehemalige Landwirtschaftsminister Rudolf Köberle bei der Übergabe des Bewilligungsbescheids. Die 10,8 Millionen Euro sah er bestens, weil mit einer enormen Breitenwirkung, angelegt: „Musik wird in jeder Gemeinde gemacht.“ Und angesichts der Tatsache, dass allein im Blasmusikverband mehr als die Hälfte der Mitglieder unter 27 Jahre alt seien, leiste der Verband auch umgekehrt für das Land Jugendarbeit, Integrationsarbeit, Sozialarbeit und kulturelle Arbeit. Das Projekt sei für den Verband notwendig, aber auch eine enorme finanzielle Kraftanstrengung. Alleine die Vereine hätten 2,3 Millionen Euro selbst eingebracht, so Köberle. Knapp 20 Prozent müssen über Fremdmittel finanziert werden, so Höschele.

Dieses hohe Risiko würdigte auch die Staatssekretärin. Deshalb dürfe der Verband den Bewilligungsbescheid und die Aussicht auf eine weitere Million im Notfall als „Doppelsignal ganz besonderer Wertschätzung“ sehen.

Dass das auch dem Einsatz der beiden Landtagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Kirchheim zu verdanken war, unterstrich Köberle gerne. Der grüne Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz betonte, dass ihm das „Thema Musik per se am Herzen liegt“, der schwarze Karl Zimmermann, dass er nie auch nur davon geträumt habe, mit einer grünen Staatssekretärin und einem grünen Landtagsabgeordneten Geld für die Blasmusik locker machen zu können. Plochingens Bürgermeister Frank Buß versicherte, dass das Bett für die Blasmusiker seitens der Stadt gemacht sei. Immerhin ist die Eisenbahnstraße vor ihrer künftigen Haustür bereits ausgebaut.

Auch die Eidechsen, die wegen Stuttgart 21 von Ober- und Untertürkheim in ein geschlossenes Biotop zwischen Altbach und Plochingen umgesiedelt wurden oder werden sollen, dürften den Baustart in Plochingen nicht mehr gefährden. Laut Wolfgang Kissling, dem Leiter des Verbandsbauamts, hat sich die Stadt Plochingen in ihrer Auseinandersetzung mit der Bahn auf einen Vergleich eingelassen. Im Zuge dessen verpflichtet sich die Bahn dazu, einen Zaun entlang der Gleise zu bauen, um die Gewerbeflächen auf Plochinger Markung vor dem Eindringen der geschützten Amphibien zu schützen.