Für eine sechsstellige Summe lassen die Jazz Open auf dem Schlossplatz Tribüne und Bühne aufbauen – als Zeichen dafür, dass es zurück ins alte Konzertleben geht. Als Dank für den Einsatz in der Pandemie schenken die Veranstalter Pflegekräften Karten.
Stuttgart - In 27 Jahren sind die Jazz Open zu einem der wichtigsten Festivals in Deutschland geworden und stehen in Europa für Innovation im Entertainment, die weit über den Jazz hinausragt. Dank des Sponsorenmodells, das die Finanzierung eines hochkarätigen Programms ermöglicht, ist das Musiktreffen längst auch ein gesellschaftliches Ereignis in Stuttgart. Dies lockt reichlich Prominenz an. In diesem Jahr sind unter den Very Important Persons viele Menschen, deren Gesichter man nicht unbedingt aus den Medien kennt und die selten um Autogramme gebeten werden.
Die Veranstalter hätten Katie Melua zweimal ausverkaufen können
Die Jazz Open haben Pflegekräfte aus den Stuttgarter Krankenhäusern auf den Schlossplatz eingeladen, wo das Festival von Mittwoch bis Sonntag vor der wunderschönen Kulisse des Neuen Schlosses gespielt wird. „Wir wollen uns damit bei ihnen für ihren überragenden Einsatz in der Pandemie bekannten“, sagt Veranstalter Jürgen Schlensog. Die Coronahelden sind die wahren VIPs!
Wer die bisherigen Konzerte der am vergangenen Freitag eröffneten Jazz Open im Alten Schloss besucht hat, kam in den Genuss eines Gemeinschaftserlebnisses, das nach dem langen Lockdown für Gänsehautmomente sorgt und vorführt, wie sehr das ausgehungerte Publikum Livekultur vermisst hat. Das Konzert der georgisch-britischen Singer/Songwriterin Katie Melua am Sonntagabend, sagt Promoter Schlensog, hätte er „zweimal ausverkaufen“ können – so enorm war die Nachfrage nach einer Stimme, die geradezu zärtlich verzückt. Damit wäre die 36-Jährige eine Kandidatin für die große Bühne vor dem Nachbarschloss gewesen. Doch die Veranstalter wollten sie „ganz bewusst im besonderen Ambiente des Alten Schlosses“ auftreten lassen und damit für emotionale Höhepunkte sorgen.
Appell des Fotokünstlers an die Fans der Kultur
„Die Rückkehr der Musik“, so lautet die Fotoserie von Reiner Pfisterer, die er „als Hommage an Kulturschaffende auf und hinter der Bühne“ angelegt hat. Bundesweit besuchte der Ludwigsburger seit Beginn der Pandemie bisher über 200 Konzerte, Proben und Videodrehs, vom Ständchen im Seniorenheim-Garten über Livestreams bis hin zum analogen Comeback unter Coronabedingungen. Als er sah, wie auf dem Schlossplatz die große Bühne samt der mächtigen Tribüne aufgebaut wird, war dies für ihn ein „sehr emotionaler Moment“. Denn damit werde ein „weiteres Zeichen“ gesetzt, „dass ein Stück unseres alten Lebens zurückkehrt“. Viel sei darüber geredet worden, wie die Festivalbranche unter Corona leide und wie viele Existenzen auf dem Spiel stünden. Deshalb appelliert er: „Wem die Kulturbranche am Herzen liegt, und wer noch hadert, die Sonderausgabe der Jazz Open zu besuchen, der besorgt sich schnell noch Karten!“
Schlossplatz-Konzerte starten am Mittwoch mit Liam Gallagher
Während im Alten Schloss fast alle Abende ausverkauft sind, ist man auf dem viel größeren Ehrenhof des Neuen Schlosses weit davon entfernt (dort startet das Programm am Mittwoch mit Oasis-Legende Liam Gallagher). Die Bedenken, in Coronazeiten eine größere Veranstaltung zu besuchen, scheinen noch immer stark zu sein, obwohl sich das Festival im Freien befindet und die Kontrollen nach den 3-G-Regeln (einschließlich des Vergleichs von Impfpass und Personalausweis) äußerst sorgfältig sind.
Allein für die Aufbauten des Schlossplatzes geben die Veranstalter einen „sechsstelligen Betrag aus“ – und wissen, dass sie in diesem Jahr drauflegen, also von den Reserven leben müssen. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, betont Schlensog und freut sich, dass die Sponsoren die Treue halten. Sparda-Bank-Chef Martin Hettich sagt, sein Unternehmen habe das Festival auch letztes Jahr ohne Live-Programm gefördert. Kultur brauche dauerhafte und langfristige Unterstützung. Jeden Abend lädt die Bank Gäste ein – keine wohlhabenden Kunden, sondern sozial benachteiligte Menschen, denen die Ausgaben für Eintrittskarten schwerfallen.