Gender-Expertin Barbara Straub Foto: Eidenmüller - Eidenmüller

Ein Mann fühlt sich wegen Frauenparkplätzen diskriminiert, ein anderer, weil es in Esslingen keine Herrensauna gibt. Sind die Männer vor lauter Feminismus vergessen worden?

EsslingenGleichberechtigung im Straßenverkehr und gleiches Recht für alle im Schwitzkasten: Die vermeintlichen Privilegien des weiblichen Geschlechts bei der Parkplatzsuche oder beim separaten Saunieren im Merkel’schen Schwimmbad hat die Leserinnen und Leser auf Facebook mächtig umgetrieben. Zeit, sich fachkundigen Rat zu holen: Und zwar bei Barbara Straub, die als Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Esslingen die strukturelle Benachteiligung von Frauen – und gegebenenfalls von Männern – aufspüren und verbessern soll. Und das nicht nur im Rathaus.

Ihre Vorgängerin ist noch als Frauenbeauftragte gestartet, Sie sind Gleichstellungsbeauftragte. Hat die Frauenbewegung ihre Ziele erreicht und müssen wir uns jetzt Sorgen um die Männer machen?
Die Frauenbewegung hat ohne Zweifel viel erreicht. Und trotzdem sehe ich noch viel Handlungsbedarf, bis wir gesellschaftlich in der Verwirklichung gleicher Chancen Gleichstand von Frauen und Männern erreicht haben. In Deutschland prägen traditionelle Rollenvorstellungen die gesellschaftlichen Strukturen und das Leben von Frauen und Männern besonders hartnäckig, meist zuungunsten der Frauen: Der Arbeitsmarkt ist geteilt in schlechter bezahlte, jedoch gesellschaftlich äußerst wichtige Frauen- und gut dotierte Männerberufe. Mit entsprechend negativen Folgen für die Alterssicherung von Frauen. Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit gerechterer Verteilung der Familienpflichten zwischen Frauen und Männern, eigenständige Existenzsicherung von Frauen und Männern, mehr weibliche Führungspositionen in Wirtschaft und Parlamenten, ein Leben ohne Gewalt und Diskriminierung – dies sind nur einige Ziele der Frauenbewegung, die noch nicht erreicht sind. Chancengleichheit kann für Männer und Frauen einen Gewinn bedeuten!

Ein Mann hat in Eichstätt gegen die Einrichtung von Frauenplätzen geklagt, weil er damit Männer wie Frauen gleichermaßen diskriminiert sieht. Dabei stellt er das besondere Schutzbedürfnis der Frauen in Frage. Können Sie das nachvollziehen?
Nein, ich kann es nicht nachvollziehen. Statistische Zahlen zu körperlicher und sexualisierter Gewalt sprechen eine klare Sprache. Diese Formen von Gewalt richten sich zuvörderst gegen Frauen. Parkhäuser mit dunklen, uneinsehbaren Ecken und schlechten Fluchtmöglichkeiten gehören zu den Orten, an denen durch Frauenparkplätze Abhilfe geschaffen wurde – und das ist meines Erachtens gut so!

Ein Esslinger sieht sich ungleich behandelt, weil es im Merkelbad dreimal in der Woche eine Frauensauna, aber kein separates Männer-Angebot gibt. Müssen auch die Männer geschützt werden?
Frauensauna-Angebote entstanden, weil Frauen von Männern in Saunen (sexuell) belästigt wurden. Prinzipiell ist nichts gegen ein Saunaangebot nur für Männer einzuwenden – sofern sich das Angebot wirtschaftlich trägt. Im Merkel’schen Schwimmbad gab es schon einmal dieses Angebot, es wurde jedoch nicht hinreichend von Männern angenommen.

Die Saunageschichte ist auf Facebook rege kommentiert worden. Eine Mutter von drei Jungs ärgert sich: „Ist wie bei unserem Kindertreff von der Kirche. Ist dreimal die Woche geöffnet. Es gibt einen Girls’ Day nur für Mädchen. Die Jungs dürfen also nur an zwei Tagen kommen. Sind die Männer und Jungs vor lauter Feminismus vergessen worden?
In Esslingen arbeite ich sowohl mit dem Arbeitskreis Jungen als auch mit dem Arbeitskreis Mädchen eng zusammen. Es gibt hier separate Angebote für Jungen und Mädchen. Wenn Einrichtungen eine bestimmte Zeit ausschließlich für Mädchen öffnen, dann deshalb, weil in gemischten Gruppen Bedarfe aufgrund von Dominanzverhalten mancher Jungen nicht erfüllt werden können. Ich möchte Ihnen ein anderes Beispiel nennen: Ich organisiere in Esslingen zusammen mit anderen Institutionen den Girls‘ Day/ Boys‘ Day – einen Berufsorientierungstag, an dem die Jungen und Mädchen in untypische Berufe schnuppern können. Eine empörte Mutter von Jungen rief mich an und warf mir vor, wie ich Jungen für Pflegeberufe sensibilisieren könnte: viel zu harte Arbeit für den Verdienst war die Begründung!

Ein anderer Mann meint zu der Saunageschichte, er könne den Mann irgendwie verstehen und verweist auf „Extrawürste exklusiv für Frauen“ wie Parkplätze, Saunatage, vergünstige Eintritte in Clubs oder Sportevents. Was wird hier alles in einen Topf geworfen?

Bei Saunaangeboten und Frauenparkplätzen steht ein Schutzgedanke im Vordergrund. Wenn es um verbilligte Eintritte für „Clubs und Sportevents“ geht, sprechen wir über Veranstaltungen, in denen Frauen häufig fehlen oder in einer Minderheit vorkommen. Die Veranstalter versuchen, sie durch solche „Lockangebote“ zu gewinnen. In Chören oder Tanzkursen sind Männer willkommen, weil sie dort in der Minderheit sind. Ein Grund für Frauen, sich darüber aufzuregen?

Die Fragen stellte Claudia Bitzer.