Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung des EU Chips Act Foto: dpa/Virginia Mayo

Europa will mit der Chip-Produktion zum Global Player aufsteigen. Dafür wird die Industriepolitik neu definiert, das birgt auch Gefahren, kommentiert Knut Krohn.

Brüssel - Neue Töne aus Brüssel. Völlig unbescheiden verkündet die EU-Kommission, dass Europa zum Global Player in der Chip-Fertigung aufsteigen soll. Dafür will die Union in den kommenden Jahren sehr viel Geld in die Hand nehmen. Deutlich mehr als 40 Milliarden Euro sollen im Rahmen des „EU Chips Act“ mobilisiert werden. Aber nicht allein diese unglaubliche Summe ist eine Nachricht wert. Neu ist, dass die Europäische Union der Konkurrenz aus Asien und den USA ziemlich unverblümt den Kampf um Macht und Marktanteile ansagt. Dafür beschreitet sie einen für die EU neuen Weg der Industriepolitik.

Auch bürokratische Hürden müssen künftig abgebaut werden

In Zukunft sollen gezielt große Summen der Staatshilfe in verheißungsvolle Projekte fließen. Das wäre nach den bisherigen Regeln der EU nicht möglich gewesen. Auf diese Weise haben Taiwan und Südkorea ihre Chip-Industrie zu Weltmarktführern hochgepäppelt, China und die USA arbeiten nach einem ähnlichen Muster, Europa zieht nun nach. Das birgt allerdings auch Gefahren. Die EU muss ständig zwischen sinnvoller Subvention und Wettbewerbsverzerrung abwägen. Auch wird es nicht genügen, einfach Unsummen in einzelne Projekte zu pumpen, um in die Weltelite der Chip-Produzenten vorzustoßen. In Zukunft liegt es auch in der Hand der einzelnen Staaten, dass sie das richtige Umfeld für die Investitionen schaffen. Das bedeutet, dass bürokratische Hürden verschwinden müssen, über Baugenehmigungen vor Ort schnell entschieden wird und in Betrieben und Schulen der Nachwuchs besser und gezielter gefördert wird.

Veränderungen nach dem Corona-Schock

Mit dem „EU Chips Act“ hat die EU-Kommission auch eine Lehre aus der Corona-Pandemie gezogen. Sollten sich Versorgungskrisen andeuten, enthält er Vorgaben über die Kontrolle der Lieferketten. Im Extremfall sollen sogar Ausfuhrbeschränkungen verhängt werden. Das hat mit der bisherigen, sehr liberalen Industriepolitik der Europäischen Union nicht mehr viel zu tun. Nach dem Corona-Schock entwickelten manche Politiker sogar die Idee, eines in wichtigen Industriebereichen autarken Europa. Das wird trotz der Milliardeninvestitionen in die Chipproduktion ein Wunschtraum bleiben. Die Lieferketten laufen inzwischen rund um den Globus und machen eine völlige Unabhängigkeit auch für die USA oder selbst China unmöglich. Allerdings kann der „EU Chips Act“ verhindern, dass Europa in einem sensiblen Zukunftssektor den Anschluss an die Konkurrenz endgültig verliert. Gleichzeitig könnten Krisen zumindest besser abgefedert werden.