Damit man die Namen der NS-Opfer wieder lesen kann, polieren Schülerinnen und Schüler des BAZ die Esslinger Stolpersteine. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Die Nazizeit rückt für Jugendliche immer weiter in die Vergangenheit. Um das Unrecht dennoch greifbar zu machen, „müssen wir neue Wege gehen“, sagt Klaus Zimmerer, der als Lehrer im Beruflichen Ausbildungszentrum (BAZ) arbeitet. „Denn Zeitzeugenprojekte funktionieren nicht mehr.“ Zwar könnte er mit den Schülerinnen und Schülern der Berufsvorbereitungsklasse, die meistens einen Förderschul-Abschluss haben, ins Konzentrationslager Dachau fahren. „Doch das ist für unsere Schüler schwer fassbar.“

Erzählt der Lehrer den 16- bis 20-Jährigen aber zum Beispiel vom Sturm auf das jüdische Waisenhaus und die Esslinger Synagoge am 10. November 1938 „ist das eine Geschichte, die sie sehr berührt, weil sie direkt vor der eigenen Haustür passiert ist. Der Lokalbezug ist ein ganz wichtiger Aspekt.“ Und Lokalbezüge findet Klaus Zimmerer immer wieder. Da die Diakonie Stetten Trägerin des Esslinger BAZ ist, hat er in einer Unterrichtseinheit über den Artikel 1 des Grundgesetzes erklärt, was sich hinter dem Begriff „Aktion T 4“ verbirgt und welches Schicksal viele Bewohner der Diakonie Stetten während der Nazizeit erlitten haben. So wurden auch aus der „Anstalt Stetten“ 328 Menschen mit geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen in grauen Bussen nach Grafeneck sowie in die NS-Tötungsanstalt Hadamar deportiert und dort ermordet. „Wir sind von hier aus nach Stetten gewandert und haben uns dort das Denkmal angeschaut“, erzählt der Lehrer.

Gedenken mit „Herz und Hand“

Da die Jugendlichen, die im BAZ ausgebildet werden, jedoch „vor allem über Herz und Hand Zugang zu derartigen Themen bekommen“, hat Klaus Zimmerer in diesem Jahr gemeinsam mit seinen Schülerinnen und Schülern ein neues Projekt gestartet: „Wir wollen dafür sorgen, dass alle 53 Esslinger Stolpersteine wieder gut lesbar sind und glänzen.“ Eine glänzende Idee, findet Gerhard Voß vom Verein Denk-Zeichen. „Wir sind sehr dankbar für diese Initiative. Wenn die Leute über diese Steine stolpern sollen, dann müssen sie auch glänzen.“

Bevor Klaus Zimmerer und die Jugendlichen vor dem Theodor-Rothschild-Haus mit ihrer Putzaktion begonnen haben, hat der Lehrer aber Rücksprache mit dem Künstler Gunter Demnig gehalten, dessen Projekt sich zum weltweit größten dezentralen Mahnmal entwickelt hat. „Er hat uns seinen Segen erteilt.“ Das die bitter nötig ist, haben die BAZ-Schüler an verschiedenen Stellen erlebt. „Nach einzelnen Steinen haben wir länger suchen müssen, weil die völlig verdreckt waren“, erzählt der Lehrer.

Damit die Schüler die Messingtafeln mit den Namen der NS-Opfer künftig sofort finden, hat Klaus Zimmerer mithilfe von Google-Maps eine App programmiert. Die können die Jugendlichen auf ihr Smartphone laden und sich zu den Steinen navigieren lassen. „So habe ich eine Brücke von den neuen Medien, die sie gut beherrschen, zur Vergangenheit geschlagen“, erklärt der engagierte Pädagoge.