Simon Kubat, Jonas Bolle und Steffen Dix (von links) sorgten mit Philipp Gras, Maximilian Haslauer sowie Jonas Zieher bei „Raum Mensch X“ für eine facettenreiche Collage zum Ende des Esslinger TonArt-Festivals. Foto: Kellmayer Quelle: Unbekannt

Von Rainer Kellmayer

Das Thema „Heimat“ hat durch die Entwicklungen der vergangenen Monate eine ungeahnte Aktualität bekommen. Die zehnte Ausgabe des Esslinger TonArt-Festivals klinkte sich in die vielschichtigen Diskussionen ein, beleuchtete den Begriff Heimat aus verschiedensten Blickwinkeln. Dabei spielten Perspektiven Neuer Musik eine zentrale Rolle, Figurentheater, eine Vernissage sowie eine Podiumsdiskussion erweiterten den programmatischen Rahmen.

Bei der Abschlussveranstaltung im Kulturzentrum Dieselstraße waren die TonArt-Macher sehr zufrieden: „Die Veranstaltungen waren durchweg gut besucht“, sagte Albrecht Imbescheid, der Vorsitzende des Vereins TonArt, und unterstrich damit den Erfolg des Festivals. Sein Vorstandskollege Frank Wörner betonte, dass man mit dem Thema „Heimat“ einen Volltreffer gelandet habe: Die Zuhörer waren sensibilisiert und setzten sich mit der künstlerischen Verarbeitung der aktuellen Probleme engagiert auseinander.

Sechs junge Esslinger Künstler

Einen besonderen Beitrag brachte das Festival-Finale mit „Raum Mensch X“. „Wir wollten sechs jungen Esslinger Künstlern die Gelegenheit geben, mit einer Mischung aus Musik, Sprechgesang und Videoinstallationen ein ausgefallenes Konzept umzusetzen“, sagte Sabine Bartsch, Geschäftsführerin des Kulturzentrums Dieselstraße und verdeutlichte damit ihre Experimentierfreude. Jonas Bolle, Steffen Dix, Philipp Gras, Maximilian Haslauer, Simon Kubat und Jonas Zieher nutzten die Chance, bauten ihre Performance auf visuellen Effekten auf, die mit musikalischen Aktionen, Sprechgesang und Textrezitationen gefüllt wurden. Mit dieser facettenreichen Collage näherten sie sich dem Begriff Heimat an, der uns täglich umgibt und dennoch meist nur abstrakt bleibt. Die äußerst spärliche Kulisse wurde dank durchlaufender Videoeffekte zum Bühnenraum, Optik und Sprache ergänzten sich aufs Beste. Bei der visuellen Gestaltung bewegten sich die Kommunikationsdesigner Maximilian Haslauer und Jonas Zieher vornehmlich im Bereich der Grau- und Schwarztöne. Sie streuten gelegentlich etwas Farbe ein, veränderten permanent Formen sowie Muster und setzten die Geschwindigkeit in der Abfolge der Bilder als Gestaltungsmittel ein.

Vielschichtig und kontrovers

Ausgehend von einer zunächst leeren Bühne füllte sich der Raum behutsam mit Klängen, Geräuschen, Worten und Bildern. Die Aktionen verdichteten sich, setzten sich in Texten von Jonas Bolle vielschichtig und kontrovers mit dem Begriff Heimat auseinander. Mit seinem Partner Simon Kubat entwickelte Bolle angeregte, teilweise recht skurrile Dialoge. Wortketten bauten sich auf, die schwäbische Biederkeit wurde anhand des Gartenzwerges persifliert, und die Leere sowie die Sinnlosigkeit des Lebens von Menschen ohne Heimat wurden eindringlich dargestellt.

Aber warum hat Heimat keinen Plural? Dieser Frage spürten Bolle und Kubat nach, fanden jedoch keine schlüssige Antwort und bedauerten schließlich, dass jeder Mensch nur eine Heimat hat. Der von rhythmischem Puls und Alltagsgeräuschen untermalte Rap „Meine Straße, mein Zuhause, mein Block“ engte die Perspektive wieder ein, richtete den Blick auf das Geborgensein des bürgerlichen Lebens. Die vom Saxofonisten Steffen Dix und Philipp Gras (Keyboards) musikalisch sensibel und klanglich differenziert untermalte Performance endete, wie sie begonnen hatte: Ruhig, nachdenklich, und mit einem Blick über die Weiten des Meeres.