Schon als Bub war Erich Wieland oft auf dem Friedhof. Sein Vater arbeitete als Totengräber. Foto: Tom Weller - Tom Weller

Es ist ein Ehrenamt, für das sich heute leider kaum mehr Nachwuchskräfte finden lassen. Erich Wieland aus Baltmannsweiler gehört als Sargträger zu den Letzten seiner Zunft.

Kreis EsslingenTotengräber Wieland war in der damals noch eigenständigen Gemeinde Aichschieß eine Institution. Für die ganze Familie gehörte der Umgang mit dem Tod zum Alltag. So sehr, dass Sohn Erich schon als Bub mithalf, wenn ein Grab ausgehoben werden musste. Diesen Job erledigen längst professionelle Bestattungsunternehmen. Aber Erich Wieland begleitet es Thema noch heute. Auch mit seinen 81 Jahren ist der gelernte Kfz-Meister oft auf einem der beiden Friedhöfe in der Gemeinde Baltmannsweiler zugange. Als Sargträger gehört er zu einer kleinen Gruppe von Ehrenamtlichen, die Verstorbenen aus dem Ort das letzte Geleit geben. Noch. Denn es finden sich kaum junge Nachfolger.

Weil diese Tradition selbst auf dem Dorf langsam auszusterben droht, hat die Gemeinde vor kurzem einen öffentlichen Aufruf gestartet: „Sargträger dringend gesucht.“ „Vier bis fünf Leute“ habe sie noch, die als Sargträger zur Verfügung stehen, berichtet Monika Mathes, die stellvertretende Hauptamtsleiterin der Gemeindeverwaltung. Lauter rüstige Männer im Rentenalter, die regelmäßig einspringen, wenn eine Erdbestattung ansteht. „Wir sind sehr froh, dass wir zumindest so einen kleinen Stamm haben“, sagt Mathes. Denn von anderen Kommunen weiß sie, dass es dieses Ehrenamt schon nicht mehr gibt. Was auch nicht ganz verwundert; denn wer von den Berufstätigen kann schon am frühen Nachmittag seinen Arbeitsplatz verlassen, um bei einer Beerdigung mitzuhelfen?

„Ich mache das aus Überzeugung“

Bestatter Dorn sei vor rund zehn Jahren auf ihn zugekommen, erzählt Wieland. Ob er sich den Job vorstellen könne? Allein aufgrund der Familientradition hat sich der heute 81-Jährige nicht lange bitten lassen. „Ich mache das aus Überzeugung“, sagt er. Es sei für ihn eine Ehre, Verstorbene auf ihrem letzten Weg begleiten zu dürfen. Natürlich habe er dabei schon ganz bittere Stunden erlebt, zum Beispiel wenn er einen alten Kameraden zu Grabe tragen musste. Ganz ohne ist die Arbeit nicht. Wenn sich die Angehörigen für einen schweren Eichensarg entscheiden, kämen schon mal 220 Kilogramm zusammen, berichtet Wieland. „Da müssen wir mit dem Wagen in einer Kurve ganz schön gegenhalten.“ Noch ist er körperlich so gut beieinander, dass er den Job machen kann. Und so oft wie früher werden er und seine Kollegen auch nicht mehr gerufen. „Heute sind vielleicht noch zwei von zehn Beerdigungen Erdbestattungen.“ Meist entschieden sich die Angehörigen für ein kleineres Urnengrab, vor allem wegen der viel leichteren Pflege. „Es wohnt doch keiner mehr da, der sich um ein Grab kümmern kann“, weiß Wieland. „Heute sind die Familien in alle Winde verstreut.“

So lange er kann, will der 81-Jährige weitermachen. Nur eines gefällt ihm nicht: Dass die Sargträger nicht einheitlich gekleidet sind. Deswegen hat sich Wieland an die Gemeinde gewandt. Wenn ihr das Ehrenamt etwas wert sei, solle sie für eine einheitliche Ausstattung sorgen. In der Nachbargemeinde Aichwald ist man heilfroh, bei Todesfällen sogar noch auf etwa zehn ehrenamtliche Sargträger zurückgreifen zu können. Petra Weber, die im Rathaus für das Bestattungswesen zuständig ist, hält viel von der Tradition. „Das ist ein Dienst an den Mitmenschen.“ Darauf wolle man in Aichwald auch in Zukunft nicht verzichten. „Die elektrischen Wagen, wie man sie manchmal schon sieht, wollen wir nicht. Das ist doch unpersönlich.“ Dankbar ist Weber, dass sich vor ein paar Jahren, als sich schon einmal ein Mangel andeutete, auch Jüngere für den Dienst gemeldet haben.

Ob jung oder alt – in den Städten, zumal in den größeren, hat man es längst aufgegeben, für das Ehrenamt Werbung zu machen. „Da findet sich leider keiner mehr“, sagt Konrad Aichele, Bestatter aus Nellingen. Schon vor Jahren habe die Stadt Ostfildern deshalb eine neue Regelung getroffen: Zwei Sargträger stellt der Bestatter, zwei die Kommune aus dem Pool der hauptamtlichen Friedhofmitarbeiter. Der Aichwalder Bestatter Manuel Dorn ist über diese Entwicklung gar nicht glücklich. „Viele Gemeinden stehlen sich da aus der Verantwortung“, kritisiert er. Für die Bestattungsinstitute sei die Situation oft nicht einfach. Manchmal sei er beispielsweise gezwungen, einen Sargträger aus Baltmannsweiler für eine Beerdigung in Plochingen zu engagieren. „Schön ist das nicht“, sagt Dorn. Er sähe es lieber, wenn diese Aufgabe Mitbürger aus der jeweiligen Kommune übernehmen.

Thomas Amann, katholischer Pfarrer aus Baltmannsweiler, pflichtet dem bei. „Ohne geht es nicht. Sargträger sind wichtig.“ Auf dem Dorf habe das Gott sei Dank noch eine andere Bedeutung als in der viel anonymeren Stadt. Amann würde als Seelsorger sowieso am liebsten nur Erdbestattungen machen. Seine Überzeugung: „An Urnen kann man nicht wirklich Abschied nehmen.“