Die lange Kunstnacht bietet Einblicke in das künstlerische Schaffen im Dettinger Park. Foto: Bail - Bail

Mit großen Feilen und Zangen entstehen organische Gewächse und Geflechte aus rostigem Rundstahl und andere Kunstwerke, die nicht immer leicht zu entdecken sind.

PlochingenNormaler Weise wird im Kulturpark Dettinger in Plochingen konzentriert gearbeitet und getüftelt. Doch in der langen Kunstnacht herrschte auf dem idyllischen Gelände reger Trubel. Die Künstler, die Ateliers von der Stadt angemietet haben, und Stipendiaten des Landkreises öffneten ihre Keimzellen der Kreativität. Dabei war nicht nur das künstlerische Spektrum von Interesse. Auch die Künstlerpersönlichkeiten standen im Fokus des Interesses. Viele Besucher gingen begeistert auf Tuchfühlung mit den Kunstschaffenden.

In der Alten Steingießerei wurde die Ausstellung des Stipendiaten Valentin Leuschel mit dem Titel „Widmungen“ eröffnet. Bürgermeister Frank Buß bezeichnete die lange Kunstnacht auf dem Gelände der früheren Mühlsteinfabrik als schöne Tradition. Landrat Heinz Eininger ergänzte, dass man bei so einer ausgezeichneten Kooperation von Stadt und Landkreis bereits nach drei Jahren von einer Tradition sprechen dürfe. Nur mit dem Begriff „lang“ verband er offenbar etwas anderes, als eine Veranstaltung bis 22 Uhr.

Das Kreative hat auch eine wirtschaftliche Seite. Ohne „Brot“ komme die Kunst nicht aus, sagte Herbert Jehle von der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen. Damit diese nicht brotlos wird, ermöglicht die Stiftung Kreissparkasse mit ihrer Unterstützung, was sonst nicht mehr stattfinden könnte. Von den täglich 4000 Euro für gesellschaftliches Engagement entfalle ein Großteil auf die Kunst“, sagte Jehle. An dem lauen Frühsommerabend ließen sich die Besucher vor der Alten Steingießerei von den fetzigen Rocksongs der Band „Us and Them“, anschließend vom rhythmischen Swing der „Plotown Bigband“ unterhalten. Dazu genossen sie Mediterranes vom Bouleclub, Flammkuchen vom Klein-Immenhof aus Wernau sowie Kuchen und frisch gebackene Waffeln vom Elternbeirat des Kinderhauses Dettinger Park. Getränke gab es im Pferdestall zu holen, wo Anu Paflitschek von der Initiative Mahlwerk zudem einen Einblick in das vielseitige Schaffen der Mahlwerker bot.

In einer Gemeinschaftsausstellung in dem großen Raum, in dem der Bildhauer Helmut Stromsky bis vor drei Jahren eine Kunststeingießerei betrieb, zeigten Verena Könekamp, Wolfgang Thiel und Werner Fohrer – Ateliermieter der ersten Stunde – ihre Arbeiten. Wie beengt es in den Ateliers zugeht, wurde bei Wolfgang Thiel deutlich. „Am schlimmsten ist das Aufräumen“, schmunzelte der Bildhauer. Er versteht sich glänzend aufs Inszenieren. Der Künstlertisch erinnerte mit vollgekrümeltem Teller, Messer, einem halb vollen Glas Wein und der Flasche dazu an Daniel Spoerris Eat-Art. Thermoskanne und Wischlappen setzen im typischen Thiel-Grün optische Akzente. Die „Schwarzmalerei“ an den Wänden entspreche nicht seiner Befindlichkeit, klärte er eine Besucherin auf. Sie sind Forschungsergebnisse seiner Bühnenbilder.

Textilkünstlerin Verena Könnekamp lüftete bereitwillig das Geheimnis der verfremdeten Motive, gedruckt in fröhlichen Farben auf großformatige Wollstoffe: Es sind historische Stadtpläne von Berlin, die sie für Daimler Services gemacht hat, und die es im praktischen Format für die eigenen vier Wände gibt – als Sitzwürfel. Durch Werkstattcharakter zeichnet sich das Atelier der Bildhauerin Manuela Tirler aus. Mit großen Feilen und Zangen entstehen organische Gewächse und Geflechte aus rostigem Rundstahl. Jedes Atelier hat eine eigene Atmosphäre. Bei Werner Fohrer und Ibrahim Kacaoglu fiel eine fast pedantische Ordnung auf. Alle Materialien, Utensilien, Bilder und Objekte waren akribisch sortiert nach der Devise: bevor Besuch kommt, wird aufgeräumt. Wie im Theater fühlte sich eine Besucherin angesichts der Stuhlreihe vor einem von Fohrers großformatigen Bergbildern. Mit Yuccapalmen und weißen Sesseln schaffte Kacaoglu fast eine Wohnzimmeratmosphäre. Der feinsinnige Grafiker und Zeichner erzählte mit so viel Begeisterung von seinen Projekten und Ideen, dass eine Besucherin verblüfft fragte, ob ein Leben denn für all das ausreiche.

Vorbei an Valentin Leuschels Arbeitswelt mit Bett, Kühlschrank, Kochplatte und überquellendem Wasserflaschenbottich führte der Weg über eine Stiege in das staubige Kämmerlein der Stipendiatin Elsa Farbos. Dort wird gemahlener Gips in schwere Form gegossen. Die französische Bildhauerin zeigte ein steinernes Herz, die eine Hälfte aus rosa Schamott, die andere aus grauem Beton: „wie Bruder und Schwester“. Fast hätte man die kleine Tür ins Atelier von Shinroku Shimokawa übersehen. Der Stipendiat aus Tokyo wird die nächste Ausstellung mit Steinbildhauerei, Foto- und Videoarbeiten in der Steingießerei, ab 28. Juni, bestreiten. Teile seiner Installation hält manch Besucher für Material. Auch der zwei Tonnen schwere Granit-Hybrid aus Skulptur und Naturstein strahlt den Charme des Unfertigen aus. Der Künstler freut sich: so war’s gedacht.