Neben Schulterklopfen benötigen die VfB-Profis um Pablo Maffeo derzeit offenbar vor allem auch intensiveres oder anderes Training. Foto: dpa - dpa

Der VfB Stuttgart ist in keiner guten Verfassung. Das Defizit ist keine reine Ausdauerfrage.

StuttgartDie körperliche Verfassung des VfB Stuttgart macht fassungslos. Kopfschütteln auf der Tribüne – und blankes Entsetzen beim TV-Experten Matthias Sammer. „Der VfB kann momentan nicht mitgehen. Wenn du das nicht kannst, dann musst du arbeiten“, sagte der frühere Stuttgarter Meisterspieler und Trainer in seiner Analyse des Heimspiels gegen Eintracht Frankfurt (0:3) bei Eurosport. „Wenn du als Profi das Gefühl hast, ich bin nicht in der Verfassung, dann hast du dich – unabhängig vom Mannschaftstraining – in die Verfassung zu bringen. Also zieh dir die Turnschuhe an und lauf! Die Mannschaft hat keine gute Verfassung.“

Der VfB ist zurzeit weit von dem Niveau entfernt, mit dem er in der ersten Jahreshälfte zum zweitbesten Rückrundenteam in der Fußball-Bundesliga avancierte. Sportvorstand Michael Reschke räumt ein, dass das Team „körperlich nicht in einer Topverfassung“ ist. Die Lücken zwischen den Mannschaftsteilen sind klaffend, etliche Spieler außer Form.

Ein Blick auf die Laufleistung zeigt im Vergleich zur Vorsaison einen Rückgang von 116,15 auf 113,40 Kilometer im Durchschnitt pro Partie. Damit sind die Stuttgarter in dieser Statistik von einem Mittelfeldplatz auf den vorletzten Rang zurückgefallen, nur Fortuna Düsseldorf läuft weniger. Die Fitnessthematik ist beim VfB jedoch keine reine Ausdauerthematik. Die Mängel liegen vielmehr in Sachen (Handlungs-)Schnelligkeit und Agilität – das, was der frühere Stuttgarter Trainer Hannes Wolf (jetzt beim Hamburger SV) gerne mit seinem Lieblingsbegriff „Intensität“ beschrieben hat.

Es geht auf höchstem Fußballniveau beispielsweise darum, im richtigen Moment mit Verve zu attackieren, oder auf engem Raum schnell passende Lösungen zu finden, wenn ein Gegner wie zuletzt am Freitag Eintracht Frankfurt aggressiv anläuft. Die Stuttgarter sind zurzeit in Sachen Spritzigkeit, Wucht und Dynamik jedoch nicht konkurrenzfähig – zumindest nicht gegen Mannschaften aus der vorderen Tabellenhälfte wie Dortmund (0:4), Hoffenheim (0:4) und Frankfurt (0:3). Es fehlt die Power, sich richtig zu wehren, wenn der Gegner Tempo und/oder Robustheit ins Spiel bringt. Zu oft sind die VfB-Profis den entscheidenden Schritt zu langsam.

„Wenn die Handlungsschnelligkeit fehlt, kann das durch Über- oder Untertraining bedingt sein“, erklärt Oliver Schmidtlein aus München, ehemaliger Fitness- und Rehatrainer des FC Bayern München und der Nationalelf. Um körperliche Defizite aufzuarbeiten, ist es aus seiner Sicht sinnvoll, nach eingehender Leistungsdiagnostik individuelle Pläne für jeden einzelnen Profi zurechtzuschneidern. „Der Stress, der mit mangelndem Erfolg einhergeht, wirkt sich bei jedem Spieler anders aus“, sagt Schmidtlein. „Das Problem, das der geneigte Zuschauer im Stadion zu sehen glaubt, ist vielleicht auch durch Gehemmtheit oder Angst bedingt. Vielleicht sind die Sprint- und Ausdauerwerte gut – da muss der Trainer dann mehr Psychologe sein.“

Der Trainer des VfB Stuttgart heißt nun Markus Weinzierl und sagt: „Wir haben aktuell einfach Probleme. Das merkt man, das sieht man – das sieht jeder im Stadion.“ Fragen nach dem Fitnesszustand der Mannschaft, die er vor genau vier Wochen von Tayfun Korkut übernommen hat, umschifft er indes beharrlich, und antwortet nur: „Wir arbeiten intensiv. Und ich hoffe, dass wir uns über den Umfang im Training in diesem Bereich steigern.“

Durch seine aktivere Spielweise werden die Mängel schonungslos aufgedeckt, weil diese keine körperlichen Defizite duldet respektive kaschiert. Wie genau lassen sich nun Verbesserungen erzielen? „Die Handlungsschnelligkeit ist in allen Sportspielen der entscheidende Erfolgsfaktor. Aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht sind hierzu hochintensive Kleinfeldspiele und Zweikampfübungen besonders geeignet“, sagt Rolf Brack, Sportwissenschaftler von der Universität Stuttgart mit langjähriger Praxiserfahrung als Trainer in der Handball-Bundesliga. „Durch die hohe Motivation in Wettkampfsituationen werden sowohl der Kopf als auch die Beine im Training maximal gefordert und das Spieltempo gefördert.“

Der Versuch, die Defizite aufzuarbeiten, läuft. Markus Weinzierl hat das Trainingspensum beim VfB im Vergleich zu seinem Vorgänger deutlich erhöht.