Mozarts „Schauspieldirektor“ wird in Elena Tzavaras Regie an der Jungen Oper gespielt – und höchst amüsant umgekrempelt. Foto: Christoph Kalscheuer - Christoph Kalscheuer

Die Junge Oper im Nord (Join) hat Mozarts Musikkomödie „Der Schauspieldirektor“ kräftig umgekrempelt. Der Auftakt in der neuen Spielstätte ist ein Vergnügen mit Hintersinn.

StuttgartEin Seufzer, ach! „Ich glaube“, beschimpft der Theaterdirektor sein Personal, „Sie haben keinen blassen Schimmer, worum es in dieser Oper geht.“ Das ist wahr, aber auch nicht schlimm. Im neuen Theatersaal der Jungen Oper, die von dieser Saison an in eigenen Räumen der Spielstätte Nord residiert, herrscht das reine Tohuwabohu. Zwei ziemlich dümmliche Bühnenarbeiter, Xaver und Leopold, öffnen und schließen den Vorhang vor der Bühne ganz nach Belieben, streuen auch mal „The Lion sleeps tonight“ ein. Die Handlung wird zum Schmierentheater, das Sänger-Casting zum Marktplatz der Eitelkeiten. „Kunst“, sagt der Direktor, „ist nicht käuflich“ – aber schwuppdiwupp stopft sich der Dirigent Geldscheine in die Hose, mit denen eben noch Bankier Eilert („Mit Noten wie diesen kann man sehr vieles tun“) um sich warf.

Was ist Kunst? Was will, was kann sie? Und was will die Junge Oper am neuen Ort? Das Hehre verteidigen, das Weltenthobene? Oder Kunst nahbar machen? Mozarts Musikkomödie „Der Schauspieldirektor“ ist Theater über Theater: ein Stück, das auf lustige Weise Entstehungsbedingungen von (Musik-)Theater parodiert und dabei auch über den Widerspruch nachdenkt, den Gottlieb Stephanie der Jüngere in seinem Libretto zwischen Geschmack und „Kassa“ aufspannt. Ein altes Thema – auch bei Goethe im „Faust“-Vorspiel.

Neufassung für Zuschauer ab acht Jahren

Sprachlich ein bisschen altbacken kommt „Der Schauspieldirektor“ heute daher – weshalb er nirgends mehr unbearbeitet gegeben wird. Weil sein musikalischer Anteil außerdem (quantitativ, nicht qualitativ!) mit nur vier Gesangsnummern plus Ouvertüre ziemlich dürftig ist, hat die inszenierende Leiterin der Jungen Oper, Elena Tzavara, gemeinsam mit dem Komponisten Henrik Albrecht eine Neufassung für Zuschauer ab acht Jahren erarbeitet, die 2017 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt und jetzt für Stuttgart überarbeitet worden ist.

Der neue Text ist klasse, zeitgemäß, oft richtig witzig (nicht nur bei der Forderung nach „Einigkeit und recht viel Freizeit“), die Handlung gestrafft, Figuren werden neu definiert. Noch gravierender sind die musikalischen Eingriffe: Besetzt ist das Stück nur noch mit elf Musikern des Staatsorchesters, und erweitert wird es um Nummern aus anderen Mozart-Werken, etwa dem „Figaro“, aber auch mit einem Ensemble aus lauter „Zauberflöten“-Zitaten, das für jeden der extrem schrillen Charaktere Passendes bereithält.

Das ist wirklich toll gemacht – und wird bei der Premiere noch zusätzlich gekrönt von einem Überraschungsauftritt des Tenors Matthias Klink. Dessen Don-Ottavio-Arie „Dalla sua pace“ will der Theaterdirektor allerdings überhaupt nicht hören. „Aber das ist doch der Opernsänger des Jahres!“, wendet der Dirigent ein. „Pah“, winkt der Chef ab, „klinkt aber nicht so.“ So weit geht hier die Selbstironie. Der Witz tendiert gelegentlich zum Klamottigen, aber das hält sich in Grenzen. Übrigens ist Klink Schirmherr des Opernstudios der Staatsoper, und dessen Sänger spielen an diesem Abend: sich selbst oder zumindest das Klischee ihrer selbst. Von der Regisseurin ideenreich und mit viel Sinn für präzises Timing angeleitet, machen sie das mit bewundernswerter sprachlicher Genauigkeit und großem spielerischem Talent.

Auffallende Sängerinnen und Sänger

Außerdem fallen unter den Diven, Verrückten, Selbstdarstellern und Abgedrehten auf der Bühne schon jetzt als Sänger auf: Neben Ida Ränzlöv (Frau Pfeil), Moritz Kallenberg (Herr Herz) und Aoife Gibney (Frau Silberklang) glänzen besonders der Bass Michael Nagl als Buff (ein herrlicher Buffo: klar, prägnant, ausdrucksstark) und die beweglich und farbreich gestaltende Sopranistin Carina Schmieger (Frau Herz).

Sie alle füllen, angeleitet von Sebastian Schäfer in der Sprechrolle des Schauspieldirektors, eine unterhaltsame Stunde nach dem Motto: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Und Thomas Guggeis am Pult spielt nicht nur mit, sondern sorgt außerdem dafür, dass der Brückenschlag locker gelingt: Kunst bleibt Kunst, kommt aber vergnüglich nah. Und wirkt sympathisch, weil sie über sich selber lacht.

Vorstellungen am 3., 15., 19., 20. Dezember um 11 Uhr, am 25. Dezember um 15 Uhr sowie im Januar und Februar.